Thomas Hitzlsperger soll der Retter des VfB Stuttgart im turbulenten Bundesliga-Abstiegskampf werden. Der 36 Jahre alte Sportvorstand hat einen besonderen Weg hinter sich.

Stuttgart - Wer die besondere Beziehung zwischen dem VfB Stuttgart, dessen Anhängern und Thomas Hitzlsperger verstehen will, der kommt am 19. Mai 2007 nicht vorbei. Ein Eckball von Pavel Pardo fliegt zentral vor den Strafraum, es sind gut 20 Meter bis zum Tor von dieser Stelle, Hitzlsperger steht dort unbeobachtet, er holt mit seinem linken Fuß aus, ein Volley, eine perfekte Flugbahn - Treffer. „Ich werde immer wieder daran erinnert“, sagt Hitzlsperger, „die Leute sprechen mich auf dieses Tor an, ich kann dem gar nicht entkommen, will es aber auch gar nicht. Es war so ein schöner Tag.“

 

An diesem Tag wurde der VfB deutscher Meister durch ein 2:1 gegen Energie Cottbus, das Tor zum 1:1 von „Hitz, the Hammer“, war erlösend und richtungweisend zugleich auf dem Weg zum Titel. Wenn Hitzlsperger dieser Tage angesprochen wird, muss er wohl eher Antwort geben auf die Frage: Können wir den Abstieg noch verhindern? Seit eineinhalb Wochen ist er nun Nachfolger von Michael Reschke (61) als Sportvorstand, eine erste Niederlage (1:3 gegen RB Leipzig) hat er schon wegmoderieren müssen, er hat danach auch versichert, Trainer Markus Weinzierl werde am Freitag im Spiel bei Werder Bremen auf der Bank sitzen.

Hitzlsperger soll den VfB entwickeln

Wer seinen Verein zur Meisterschaft schießt, dem wird ganz offensichtlich auch zugetraut, ihn vor dem Abstieg zu retten, oder? Hitzlsperger, sagt VfB-Präsident Wolfgang Dietrich, sei „kein klassischer Feuerwehrmann“, vielmehr soll er den Verein entwickeln, ihn in die Zukunft führen. Die Gegenwart freilich ist bedrückend, ehe Hitzlsperger an die nächste Saison denkt, muss erst mal diese gerettet werden. Doch der ehemalige Stuttgarter Kapitän, der seine aktive Karriere nach Verletzungen mit schon 31 Jahren hatte beenden müssen, fühlt sich bereit, er hat sich der Aufgabe auch schon seit einiger Zeit angenähert: Seit 2017 war er Mitglied des VfB-Präsidiums, im vergangenen Jahr übernahm er zudem die Leitung im Nachwuchsleistungszentrum. „Ich habe gelernt, ein Team zu führen“, sagt Hitzlsperger.

Und er weiß, dass er nicht alles selbst erledigen kann. Den Vertrag mit der ARD, wo er als Experte überzeugte, musste er auflösen. Er will „schnell“ einen Sportdirektor verpflichten. „Ich wünsche mir starke Partner an meiner Seite. Leute, die sehr viel von Fußball verstehen und kritisch mit mir, mit uns umgehen“, sagt Hitzlsperger. Und: „Je früher wir starke Leute in den Verein reinkriegen, desto besser.“ Als Spieler war Hitzlsperger WM-Dritter 2006 und Vize-Europameister 2008, er hat freilich auch abseits des Platzes immer wieder Zeichen gesetzt.

Mit Coming-Out Debatte ausgelöst

Kurz nach seinem Karriereende sprach er öffentlich über seine Homosexualität und brachte durch sein Coming-Out eine Debatte über Homophobie im Fußball ins Rollen. Der Münchner, jüngstes von sieben Geschwistern, ist auch stark im sozialen Bereich engagiert. Nicht zuletzt durch seine Auftritte in der ARD hat sich Hitzlsperger einen Ruf als exzellenter Fachmann erarbeitet. Doch erst jetzt, in neuer Funktion, „spüre ich die gesamte Wucht von diesem Geschäft“. Er habe, so versichert er, allerdings auch das Gefühl, er könne beim VfB, wo er bis 2022 unterschrieb, „was bewirken, dass es besser wird. Ich bin wirklich optimistisch“. Freilich weiß auch Hitzlsperger: Am Ende zählen die Punkte. Und davon hat der VfB momentan zu wenige.