Da waren es nur noch zwei Punkte: Nach der 0:2-Niederlage gegen Bayer Leverkusen ist der Vorsprung des VfB Stuttgart auf die Abstiegsränge so schnell zusammengschmolzen wie der Schnee nach dem Warmlufteinbruch. Weil beim VfB im Moment von allem ein bisschen fehlt.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Das 0:2 gegen Bayer Leverkusen bietet keinen Grund zur Panik, aber Anlass für eine kritische Bestandsaufnahme:

 

Punkte: Wäre, wäre Fahrradkette, wusste schon Lothar Matthäus. Wäre der VfB Stuttgart mit einem Punkt aus Bremen zurückgekehrt. Hätte er in Hannover nicht die Führung aus der Hand gegeben. Und was wäre ohne die frühe gelb-rote Karte in Hamburg passiert? Drei Spiele, in denen der Aufsteiger teilweise leichtfertig die Punkte liegen ließ, das Spiel in Frankfurt mit dem Last-Minute-Gegentor nicht zu vergessen. Jetzt holt die Mannschaft die vorangegangenen Spieltage ein. Gegen Bayer Leverkusen kann man (als Aufsteiger) mal verlieren, auch zu Hause. Die Werkelf lieferte beim 2:0 am Freitag eine abgeklärte Vorstellung. Doch wäre die Niederlage deutlich besser zu verschmerzen gewesen ohne die vorherigen Punktverluste. Der VfB müsste nicht den Konjunktiv bemühen und zusehen, wie sich die Konkurrenz aus dem Keller (Bremen, HSV, Freiburg) langsam wieder heranrobbt.

Erfolgsaussichten: 20 Punkte. Das ist die Zielmarke von Trainer Hannes Wolf. 20 Punkte bis zur Winterpause wären eine schöne Bilanz. Mit 40 Zählern am Ende ist schließlich noch kein Team aus der Bundesliga abgestiegen. Nach menschlichem Ermessen würden sie auch dieses Mal am Ende reichen, auch wenn – davon ist angesichts der Ausgeglichenheit im letzten Tabellendrittel auszugehen – die gegenwärtige Zielmarke nicht weit darunter liegen dürfte. 32 Punkte, mit denen sich der VfB am Ende der Saison 2013/14 zum Klassenverbleib mühte (und der Hamburger SV mit 26 in die Relegation) werden im kommenden Mai sicher nicht reichen.

Kurzum: Es dürfte eng werden für die Roten, zunächst einmal mit dem Erreichen des Nahziels. 1899 Hoffenheim (Mittwoch,18.30 Uhr) und Bayern München (Samstag, 15.30 Uhr) heißen die kommenden Gegner bis zur Winterpause, per se mal keine Punktelieferanten. Immerhin haben sie beim VfB den Realismus nicht verloren: Auch mit ein oder zwei Pünktchen aus den beiden Spielen wären die Verantwortlichen wohl schon zufrieden.

Offensivpower: Die wichtigste spielerische Erkenntnis aus der ersten Heimniederlage im Kalenderjahr 2017 lautet: In der Offensive drückt der Schuh. Bis auf die 20-minütige Sturm-und Drang-Phase nach der Halbzeit konnte sich Wolfs junges Rudel kaum Torchanchen herausspielen. Am gefährlichsten war der VfB durch die beiden (von Bernd Leno klasse parierten) Weitschüsse von Emiliano Insua. Simon Terodde wurde von außen und aus dem zentralen Mittelfeld kaum in Szene gesetzt, Berkay Özcan fehlte bei seinen Abschlüssen die Kaltschnäuzigkeit. Anastasios Donis erwärmte das frierende Publikum zwar mit spritzigen Sololäufen – die nötige Spielübersicht kam ihm darüber hinaus aber abhanden.

Für Hannes Wolf ist das Problem anders gelagert: Auf „elf, zwölf Riesenchancen“ kam er in der Nachbetrachtung der vergangenen drei Spiele – sie in nur ein mickriges Törchen zu münzen (gegen Hannover) ist für ihn die Hauptursache der Sturmmisere mit 13 Treffern in 15 Spielen. „Das müssen wir gegen Hoffenheim und Bayern besser machen.“ Nur mit wem? Daniel Ginczek wird zuschauen müssen, sein Faserriss lässt in diesem Jahr definitiv keinen Einsatz mehr zu. Auch Josip Brekalo wird nach einem Schlag auf die Wade zumindest am Mittwoch wohl ausfallen.

„Es ist schon brutal, wer uns in dieser Hinrunde vor allem in der Offensive alles ausgefallen ist“, beklagt Wolf die vielen Verletzungen. Das ist ebenso Teil der Wahrheit wie die Tatsache, dass der Verein nach dem geplatzten Deal mit Maxi Romero noch nach einem anderen neuen Stürmer Ausschau halten will.

Fortune: Den Trainer hat ein wenig das Fortune verlassen. Gegen Leverkusen ging sein taktischer Plan nicht auf. Weder mit dem wuchtigen Terodde als Stoßstürmer gegen die bei Standards bis dato anfällige Werkelf, noch mit seiner taktischen Neuausrichtung in der Abwehr. Dorthin kehrte Marcin Kaminski zurück, für den Wolf Andreas Beck als Rechtsverteidiger opferte.

An seiner Position gab Benjamin Pavard keine glückliche Figur ab. Der Franzose verschuldete nicht nur die beiden Gegentore (mit), er blieb auch in seinen Offensivbemühungen vieles schuldig. Seine zahlreichen flachen Hereingaben landeten überall, nur nicht beim Mitspieler. Leverkusen nutzte hingegen sein erstes Zuspiel Richtung Tor zur Führung.

Das Duell an der Seitenlinie jedenfalls verlor Hannes Wolf gegen seinen Trainerkollegen. Als der Druck des VfB zu Beginn der zweiten Halbzeit immer stärker wurde, reagierte Heiko Herrlich mit der Einwechslung von Benjamin Henrichs und der Umstellung von Dreier- auf Viererkette. Den Gastgebern war der Zahn gezogen – der Angriffsschwung kam zum Erliegen.

Wie schon in Bremen und Hannover zündeten Wolfs obligatorische Wechsel nach rund einer Stunde nicht. Nicht nur deshalb setzt der Aufsteiger nach einer weitgehend positiven Hinrunde am Jahresende zu einer harten Landung auf dem Boden der Tatsachen an.

VfB Stuttgart - 1. Bundesliga

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