Die Zukunft des VfB Stuttgart steht auf dem Spiel – und am 1. Juni soll darüber befunden werden. An diesem Abend sollen die Vereinsmitglieder darüber befinden, ob die Abteilung der Profifußballer in eine Aktiengesellschaft ausgegliedert werden soll. Ein heiß diskutiertes Thema für alle Beteiligten.
Stuttgart - Was lange diskutiert wurde, wird endlich zur Entscheidung gebracht: die mögliche Ausgliederung der Fußballprofis aus dem VfB Stuttgart. Am 1. Juni sollen die Vereinsmitglieder auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung darüber abstimmen, ob sie den Weg in die Zukunft mit Investoren beschreiten wollen. Doch ehe diese große Frage beantwortet wird, gibt es noch einiges zu klären und erklären. Hier zehn Fragen und zehn Antworten zum 100-Millionen-Euro-Vorhaben des Zweitligisten.
1. Was genau hat der VfB vor?
Der VfB Stuttgart will seine Profifußball-Abteilung (bis einschließlich hinunter zum U-16-Bereich) aus dem Hauptverein herauslösen. Das bedeutet, dass dieser Bereich in eine Aktiengesellschaft (AG) umgewandelt werden soll – die VfB Stuttgart 1893 AG. Die Folge wäre, dass der Verein Anteile dieser AG an Investoren verkauft. Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, benötigt der Vereinsvorstand, der eine klare Empfehlung zur Ausgliederung ausspricht, bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Donnerstag, 1. Juni 2017, allerdings eine Dreiviertelmehrheit. Wird diese Hürde nicht genommen, bleibt alles in den alten Strukturen.
2. Was ist der Vorteil einer Ausgliederung?
Wie so oft geht es ums Geld. Der VfB bekäme zusätzliches Eigenkapital. Ziel ist es 100 Millionen Euro zu generieren. Allerdings nicht auf einen Schlag. Der VfB hat einen Vier-Jahres-Plan erstellt und will die Anteile in verschiedenen Tranchen veräußern, die erste schon 2017. Durch diese „Anschubfinanzierung“, wie es der Präsident Wolfgang Dietrich nennt, hoffen die Stuttgarter wieder Anschluss an die Großen der Bundesliga zu finden. Sie soll als Grundlage für weitere Einnahmen dienen.
3. Was ist der Nachteil einer AG?
Die große Sorge der Vereinsmitglieder ist es, dass sie an direktem Einfluss verlieren und der VfB somit Gefahr läuft, sich völlig dem Kommerz zu verschreiben. Denn in einer Aktiengesellschaft würde künftig der AG-Vorstand das Sagen haben. Dieser kann im operativen Geschäft weitest gehend unabhängig von der Hauptversammlung agieren. Kontrolliert wird der Vorstand durch den neu zu besetzenden Aufsichtsrat. Darin würde auch der nach wie vor gewählte Präsident des Hauptvereins sitzen – am liebsten als Aufsichtsratschef.
4. Wie viel ist der VfB wert?
Der Vereinschef Wolfgang Dietrich hat eine neue Bewertung des Vereinswerts vornehmen lassen. Nun wird der VfB auf 300 Euro Millionen taxiert. Das ist deutlich mehr, als ursprünglich vorgesehen. Auf Basis dieser Summe sollen die Anteile an die sogenannten strategischen Partner veräußert werden. Jedoch nicht mehr als insgesamt 24,9 Prozent. Damit hält der Verein mindestens 75,1 Prozent der Anteile. Er hätte somit die „beherrschende Stimmhoheit“ und behält nach eigener Aussage das Heft des Handelns in der Hand.
5. Wie ist der Zeitplan?
Diskutiert wurde in den vergangenen Jahren viel über die geplante Ausgliederung. Aufgrund der schlechten sportlichen Entwicklung wurde die Entscheidung darüber auch schon verschoben. Doch jetzt wird es konkret: Der VfB hat am Montagmorgen in einer Betriebsversammlung seine Angestellten informiert, anschließend wurden die Mitglieder über ein Mailing auf den neuesten Stand gebracht. Für den 1. Juni 2017 ist eine außerordentliche Mitgliederversammlung in der Mercedes-Benz-Arena angesetzt. Dabei geht es ausschließlich um die Frage, ob der VfB seine Profi-Abteilung ausgegliedert. Wenn ja, dann ist alles für die Umstrukturierung vorbereitet. Wenn nicht, dann greift Plan B. Dieser sieht vor, dass es wie bisher weiter geht – nur unter anderen finanziellen Voraussetzungen und mit anderen sportlichen Zielen. Mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) sind die neuen Pläne besprochen.
Potenzieller Investor steht bereit
6. Warum gerade jetzt?
Über den geeigneten Zeitpunkt lässt sich gerade in einer Phase, in der die Zweitligamannschaft um den Aufstieg kämpft, trefflich streiten. Doch die VfB-Führung beantwortet die Frage mit einem klaren „Ja, der Zeitpunkt ist richtig“. Das liegt zum einen daran, dass Wolfgang Dietrich der Überzeugung ist, dass die Diskussion über die mögliche Ausgliederung den Verein in den vergangenen Jahren nahezu gelähmt hat. „Das ist mit ein Grund, warum der VfB in eine Abwärtsspirale geraten ist“, sagt der Präsident. Nun wurde ein Termin festgelegt, der nach der Saison liegt (mögliche Relegationsspiele sind berücksichtigt) und vor den Pfingstferien. Dadurch sollen sich möglichst viele Mitglieder an der Abstimmung beteiligen können. Und bei einer Entscheidung für die Ausgliederung stünde dann zusätzliches Geld für die nächste Transferperiode zur Verfügung.
7. Wofür soll das frische Kapital verwendet werden?
Zu hundert Prozent für den Sportbereich. Allerdings ist nicht vorgesehen, dass der Manager Jan Schindelmeiser mit dem prall gefüllten Geldkoffer loszieht und auf dem Transfermarkt zwei, drei teure Spieler verpflichtet. Verstärkungen für die Profis sind nur ein Teil des Projekts. Vorrangiges Ziel ist es, nachhaltigen Erfolg zu ermöglichen. Deshalb sieht der andere Teil des Projekts vor, dass frisches Kapitals auch in den Nachwuchs fließt. Denn der VfB will künftig in der Lage sein, auch jugendliche Toptalente von anderen Vereinen holen zu können, ebenso ausgezeichnete Jugendtrainer. Zudem sind Infrastrukturmaßnahmen wie neue Trainingsplätze für die Jugend geplant. „Wir wollen auf Grundlage einer exzellenten Jugendarbeit mittelfristig wieder international spielen“, sagt Präsident Wolfgang Dietrich.
8. Welche potenzielle Investoren gibt es?
Da ist zunächst einmal der große Nachbar zu nennen: die Daimler AG. Das Unternehmen steht schon seit Längerem bereit, um beim VfB einzusteigen. Die Frage ist nur: zu welchen Konditionen? Darüber wird noch verhandelt. Bis Ende April soll jedoch Klarheit herrschen. Im Kern geht es darum, dass Daimler nach der neuen Bewertung nun mehr Geld einbringen soll als ursprünglich vorgesehen – obwohl der VfB in der zweiten Liga spielt. Vorgesehen ist, dass Daimler als „Anker-Investor“ zwölf Prozent der Anteile übernimmt. Mehr nicht. Nach Adam Riese brächte das 36 Millionen Euro in die Kasse. Doch Wolfgang Dietrich und Co. wollen mehr, weil sie von einer Wertsteigerung des VfB in den nächsten Jahren auf 400 Millionen Euro ausgehen. Als weitere potenzielle Investoren gelten die Unternehmen Kärcher und Würth, deren Vertreter Hartmut Jenner und Martin Schäfer jetzt schon im Aufsichtsrat des VfB sitzen. Alles Partner aus der Region, wie es sich der VfB wünscht. Im Idealfall sollen am Ende fünf Unternehmen beteiligt sein. Und ihr Bekenntnis zum VfB soll ein Bekenntnis zur Heimat sein. Eine Gewinnausschüttung ist nicht vorgesehen. Ebenso wenig, dass die Anteile beliebig weiter verkauft werden können. Der Verein will sich für den Fall der Fälle ein Vorkaufsrecht zusichern lassen.
9. Wie wären die Gremien besetzt?
An der Spitze stünde ein dreiköpfiger, gleichberechtigter AG-Vorstand, kein Vorstandsvorsitzender. Vorgesehen sind die jetzigen VfB-Vorstandsmitglieder Stefan Heim (Finanzen), Jan Schindelmeiser (Sport) und Jochen Röttgermann (Marketing). Wolfgang Dietrich würde Präsident des Hauptvereins bleiben. Zwei neu gewählte Mitglieder würden das Vereinspräsidium komplettieren. Im neuen Aufsichtsrat der AG würden neun Mitglieder sitzen, zwei davon aus dem Verein. Die sieben anderen würden vom Verein vorgeschlagen. Wobei es als klar gilt, dass dort wieder Unternehmensvertreter ihren Platz finden. Insgesamt versucht der VfB mit der angedachten Struktur auch den inneren Zirkel zu durchbrechen. Denn bisher schlug der Ehrenrat die Aufsichtsratsmitglieder vor – und diese den Präsidentschaftskandidaten. Zudem bestellten sie die Vorstandsmitglieder. Künftig soll es aber durch Satzungsänderungen keinen Ehrenrat mehr geben, dafür einen Vereinsbeirat. Dieser soll grundsätzlich allen Mitgliedern offen stehen und von der Mitgliederversammlung gewählt werden. Der Vereinsbeirat soll dann künftig den Präsidenten und weitere Präsidiumsmitglieder vorschlagen, die ebenfalls auf der Mitgliederversammlung gewählt werden.
10. Gibt es eine Alternative zur Ausgliederung?
Ja, die gibt es. Formal erst einmal dadurch, dass der VfB beim Ligaverband DFL die Lizenzen für die erste und zweite Liga als eingetragener Verein beantragt hat. Dadurch ist gewährleistet, dass die Stuttgarter weiter wie bisher professionellen Fußball anbieten. Die Führungsriege ist auch sehr darauf bedacht, kein Drohszenario aufzubauen. Ausgliederrung oder nix – das ist nicht die Alternative. Dietrich und Co. würden auch im Falle eines Nein weiter ihre Ämter ausüben. Bei der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung im Herbst müsste dann jedoch unter den gegebenen Umständen über die Zukunft des VfB diskutiert werden. Einen strukturellen Umbau hält die Vereinsführung so oder so für notwendig. Zumindest in der Ära Wolfgang Dietrich würde die Ausgliederung nicht noch einmal zur Abstimmung kommen.