Ron-Robert Zieler spricht im VfB-Trainingslager über sein Torwartspiel und den Konkurrenzkampf mit Mitch Langerak.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Neustift - Der Weltmeister weiß, was er will. Ron-Robert Zieler ist zum VfB Stuttgart gekommen, um wieder die Nummer eins zu sein. Diesen Anspruch formuliert der 28-jährige Fußballprofi auch sehr selbstbewusst.

 
Herr Zieler, benötigt ein Torwart neben großer Sprungkraft auch gute Stimmbänder?
Wenn Sie die Kommunikation auf dem Spielfeld ansprechen, dann ja. Es ist wichtig, dass wir gerade in der Defensive viel miteinander reden, wenn wir insgesamt gut geordnet spielen möchten. Als Torwart trägt man da seinen Teil dazu bei.
Es fällt aber auf, dass es mit Ihnen deutlich lauter beim VfB auf dem Platz geworden ist.
Für mich ist das mittlerweile ein Automatismus. Es gehört zu meinem Torwartspiel, den Mitspielern Anweisungen zu geben. Dabei erreicht man die Abwehrspieler und vielleicht noch die defensiven Mittelfeldspieler. In die vorderen Reihen ist es aber wegen der Entfernung schwierig. Aber klar, als junger Torhüter traut man sich vielleicht noch nicht zu, laut Kommandos zu geben. Bei mir hat es sich über die Jahre entwickelt. Ich bringe mittlerweile eine gewisse Erfahrung mit und habe mit einigen guten Trainern und Torhütern zusammengearbeitet.
Gibt es konkrete Beispiele, die Sie geprägt haben?
Das nicht, aber ich habe in der Nationalmannschaft mit Leuten wie Manuel Neuer und Torwarttrainer Andreas Köpke gearbeitet. Wir haben auch jetzt noch Kontakt, obwohl ich zuletzt nicht mehr dabei war.
Sie dirigieren die VfB-Abwehr offenbar nach kurzer Zeit schon so gut, dass bgegen Huddersfield in den Testspielen kaum ein Schuss auf Ihr Tor kam.
Wir haben uns generell in den letzten Testspielen verbessert gezeigt. Wir stehen in der Abwehr gut und lassen nur wenige Chancen zu. Das ist mir als Torwart natürlich recht, auch wenn ich mich dadurch vielleicht persönlich nicht auszeichnen kann. Generell bevorzuge ich es, hinten zu null zu spielen.
Aber ein paar Paraden sind sicherlich gut für das Selbstbewusstsein, gerade wenn man neu zu einem Club kommt.
Ja, aber ich kann mich auch im Training beweisen. Außerdem ist mein Torwartspiel ohnehin relativ unspektakulär. Ich finde, ein Torwart muss natürlich auch mal mit Paraden zur Stelle sein, aber ich versuche, viele Situationen schon vorher zu lösen, durch gutes Stellungsspiel auf der Linie oder ein permanentes Mitspielen weiter draußen.
Dann sind Sie sicher froh, dass Sie nun bei VfB-Trainer Hannes Wolf wieder Ihr Kurzpassspiel praktizieren können?
Ich gebe gerne zu, dass es in England eine Umstellung für mich war, weil ich dort den Ball fast immer hoch und weit nach vorne schlagen sollte. Hannes Wolf legt dagegen Wert darauf, dass wir von hinten heraus das Spiel aufbauen. Das kommt mir entgegen und macht mir auch mehr Spaß. Am Ende geht es aber darum, die beste Lösung für die jeweilige Situation zu finden. Ich werde also nicht auf Teufel komm raus immer nur kurz heraus spielen. Das kann sich vielleicht der FC Barcelona erlauben, andere Mannschaften können das nicht.
Beim VfB hatte Ihr Konkurrent Mitch Langerak zuletzt mehrfach die Möglichkeit, sich in den Testspielen auszuzeichnen.
Zum Glück. Ich bin in einem Mannschaftssport doch über jede Aktion froh, die einen Gegentreffer verhindert. Egal, ob sie vom Torwart oder vom Feldspieler kommt. Und ich bin mir sicher, dass der Kampf um den Posten im Tor nicht durch einzelne Aktionen entschieden wird. Da zählt der Gesamteindruck.
Wie würden Sie die Zusammenarbeit unter den Stuttgarter Torhütern beschreiben – ist das ein Miteinander oder ein Gegeneinander?
Es ist ein sehr kollegiales Verhältnis – und so sollte es auch sein.
War das bei Leicester City ähnlich, wo Sie sich ebenfalls einem Konkurrenzkampf stellen mussten?
Ja, ich bin mit Kasper Schmeichel gut ausgekommen. Wobei er ein spezieller Typ ist, weil er als Däne besonders locker und cool ist und schon mal einen Spruch heraushaut. Ehrlich gesagt, hatte ich aber noch nie mit einem Torwartkollegen Probleme. Obwohl ich sehr ehrgeizig bin und es natürlich mein Anspruch ist zu spielen. Aber das schließt sich ja auch nicht aus. Letztlich müssen aber nicht nur die Torhüter miteinander funktionieren, sondern in der ganzen Mannschaft muss es passen. Es gibt genügend Beispiele im Fußball, wo durch Geschlossenheit viel erreicht wurde.
Zum Beispiel bei Leicester City, bevor Sie dorthin gewechselt sind.
Ja, das ist sogar ein Paradebeispiel, weil der Club 2016 sensationell englischer Meister wurde.
Trotzdem war es für Sie in der Saison danach ein schwieriges Jahr in Leicester.
Das kann man durchaus so sagen, weil ich gerne mehr Einsätze gehabt hätte. Dennoch glaube ich, dass man mir dort überhaupt nichts Schlechtes nachsagen kann. Ich habe mich total reingehängt und auch ordentliche Leistungen gezeigt. Aber Kasper Schmeichel war mit Leicester Meister geworden – und hat dann auch richtig gut gespielt. Das musste ich auch anerkennen.
Nehmen Sie dennoch Positives aus England mit?
Auf jeden Fall, da es eine komplett neue Erfahrung war, nachdem ich zuvor bei Hannover 96 eine tolle Zeit hatte und sechs Jahre lang unangefochten die Nummer eins war. In Leicester lief es dann anders. Aber das lehrt einen wieder etwas Demut.
Dennoch sind Sie mit einem deutlichen Anspruch nach Stuttgart gekommen.
Klar, ich will spielen und bin auch selbstbewusst genug, das zu formulieren. Aus diesem Grund habe ich Leicester verlassen. Ich wollte nicht mehr die Nummer zwei sein. Denn trotz des Geldes, das man verdient, hat mich das gewurmt. Als Sportler will man sich auf dem Platz messen. Das steht für mich absolut im Vordergrund.
Wie reagieren Sie dann, wenn Fans und Fachleute das Mannschaftsfoto interpretieren und bemerken, dass Mitch Langerak den Platz der nominellen Nummer eins in der Bildmitte einnimmt?
Das gehört zum Geschäft. In solchen Konstellationen wird eben genauer hingeschaut und vieles interpretiert. Ich selbst habe mir darüber jedoch keine Gedanken gemacht. Ich weiß auch nicht, wer für die Sitzordnung verantwortlich ist. Ich jedenfalls nicht (lacht).
Was hat den Ausschlag für den VfB gegeben?
Ich habe mich zeitig für den VfB entschieden, weil ich sehr gute Gespräche mit Manager Jan Schindelmeiser und Trainer Hannes Wolf hatte. Sie haben mir ihr Konzept sowie meine Rolle dabei dargelegt, und ich bin von der positiven Entwicklung des VfB überzeugt. Auch wenn es in dieser Saison schwer werden kann, da wir eine junge Mannschaft haben und uns erst wieder etablieren müssen. Aber ich habe ja nicht nur für ein Jahr in Stuttgart unterschrieben, sondern für drei.