Christian Gentner und Serey Dié bilden die neue, starke Mitte beim VfB Stuttgart. Gemeinsam wollen sie den Fußball-Bundesligisten am Samstag in Paderborn ans rettende Ufer führen.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Keine Frage: Oriol Romeu ist der feinere Fußballer. Er ist der Mann, dessen Spielstil von Eleganz geprägt ist. Er ist derjenige, der noch immer beim großen FC Chelsea unter Vertrag steht. Der Spanier ist auch der Spieler, dem man mit seinem Hang zum Tiki-Takale ansieht, dass er beim noch größeren FC Barcelona ausgebildet wurde. Doch beim wesentlich kleineren VfB Stuttgart spielt Romeu nur eine Nebenrolle – und seit sich Serey Dié für den Bundesligisten in jede Schlacht gegen den Abstieg wirft, ist diese sogar auf kurze Minuteneinsätze geschrumpft. Denn Serey Dié beansprucht beim VfB mit seiner Präsenz und Aggressivität ziemlich viel Platz – von Anfang an.

 

Seit Februar scheut Serey Dié keinen Zweikampf, ist dem Mittelfeldspieler kein Weg zu weit und keine Lücke zu groß, um sie vielleicht doch noch zu schließen. Mit Ausnahme des gegnerischen Strafraums hat der 30-jährige Ivorer so das ganze Feld zu seinem Revier gemacht. Furchtlos führt er das Team an, und zwar nicht wie ein Stratege, der die fußballerischen Probleme voraussieht und spielerisch löst. Der Afrikacupsieger gleicht mit seiner blondierten Irokesenfrisur vielmehr einem Fußballkrieger, der in den Kampf zieht. Das gehört auch zu seinem Spielverständnis: rennen und rackern, austeilen und einstecken.

„Serey Dié hat bei uns die Rolle des Stabilisators. Es tut zum Beispiel unserer jungen Innenverteidigung mit Antonio Rüdiger, Timo Baumgartl gut, so einen erfahrenen Spieler vor sich zu haben“, sagt Christian Gentner, der neben der ganzen Stuttgarter Mannschaft auch persönlich zu den Profiteuren von Serey Diés uneigennütziger Art zählt. Denn gemeinsam bilden sie vor der fundamental wichtigen Partie am Samstag (15.30 Uhr) beim SC Paderborn die neue, starke Mitte im VfB-Spiel.

Halt für die Defensive, Raum für die Offensive

Mit dem Tandem im Zentrum hat der Trainer Huub Stevens die Statik im Team noch einmal verändert. Als Doppelsechs mit klarer Aufgabenteilung geben Gentner und Serey Dié der Defensive mehr Halt und eröffnen der Offensive den Raum, den sie für ihre Aktionen braucht – ohne sich ständig Sorgen machen zu müssen, was bei einem Ballverlust hinter ihnen passiert.

Wobei gerade auch Gentner nun die Sicherheit spürt, die er für seine Vorstöße benötigt. Der 29-Jährige muss sich nicht mehr zwischen Raumaufteilung (hinten und vorne sein) und Rollenverteilung (Sechser, Achter oder Zehner) aufreiben. Er kann defensiv denken und offensiv handeln – und das macht ihn zu einem Kapitän, der buchstäblich vorangeht. Und müsste Gentner ein Bewerbungsvideo erstellen, um seine Führungskraft auf dem Platz zu demonstrieren, dann könnte er gleich zwei Szenen aus der HSV-Begegnung zusammenschneiden. Die erste, als er tief in der Hamburger Hälfte Rafael van der Vaart nachjagte, ihn Richtung Eckfahne drängte – und so unter Druck setzte, dass der VfB wenig später den Ball eroberte. Die zweite, als er beim 2:1-Sieg den wichtigen Ausgleichstreffer nach dem Rückstand erzielte.

Gentners Naturell und Diés Grätschen

Zeichen setzen, nennen sie das gerne im Fußballjargon. Stärke zeigen. Doch Gentner, der sich häufig dem Verdacht ausgesetzt sieht, kein Führungsspieler alter Prägung zu sein, kann mit diesem klassischen Ansatz wenig anfangen. „In der Mannschaft gibt es zwar viel zu coachen“, sagt er, „aber am meisten ist der Mannschaft durch gute Leistung geholfen.“ Und durch Ruhe, wie der Meister (VfB/2007 und Wolfsburg/2009) und Stuttgarter Klassenkämpfer der vergangenen Jahre findet.

Das eine hat Gentner zuletzt gezeigt, das andere strahlt er grundsätzlich aus und dient den Mitspielern dadurch in schwierigen Zeiten als Fixpunkt – an ihm und seiner Professionalität orientieren sich vor allem die Jungprofis. Dazu braucht es keine großen Gesten und lauten Töne. Das entspricht auch nicht dem Naturell des Schwaben. „Ich könnte meinen Charakter auch nicht um 180 Grad drehen“, sagt Gentner.

Er ist mehr der reflektierte, stille Anführer, dessen Spiel immer dann am besten funktioniert, wenn er neben sich einen Mann weiß, der für die groben Arbeiten zuständig ist. Vor einem Jahr war das Carlos Gruezo, die ecuadorianische Entdeckung im Abstiegskampf der Vorsaison. Jetzt ist es Serey Dié, der sich nicht zu fein dafür ist, die Angriffsbemühungen der Gegner mit seinen Grätschen zu zersäbeln.