Huub Stevens hat die VfB-Spieler in Portugal auch darauf vorbereitet, sämtlichen Widrigkeiten zu trotzen. Der Trainer hat im Trainingslager an der Algarve auch gezeigt, wie das geht.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Lagos - Timo Werner ist die Luft weggeblieben. Gejapst hat der Stürmer, als er nach einem Zusammenprall auf dem Boden lag. Und als das 18-jährige Talent des VfB Stuttgart wieder auf den Beinen war, da bekam es noch einiges zu hören. „Was ist los Timo?“, drang es rau zu ihm herüber. „Kriegst Du keine Luft oder was? Hier ist doch genug frische Luft.“

 

Huub Stevens, der während des Trainingsspiels am Spielfeldrand stand und dort dem kalten Wind trotzte, hatte sich  einen Spaß erlaubt. Doch im Grunde meint es der Trainer des Fußball-Bundesligisten ernst. Ziemlich ernst sogar. Ein schmerzhafter Rempler? Na und! Ein rüder Testspielgegner? Ist okay! Die stürmischen Böen? Kein Problem!

Auf all die Widrigkeiten kann man in einer Ligapartie ja ebenfalls stoßen, vor allem wenn der Abstiegskampf ausgerufen ist. Und darauf bereitet Stevens die VfB-Mannschaft vor. Er hat in den Tagen an der portugiesischen Algarve versucht, die Spieler nicht nur in eine optimale körperliche Form zu bringen, sondern sie auch in einen Modus höchster Fokussierung zu versetzen.

Über Taktik redet Stevens öffentlich nicht gern

Ob es dem Niederländer dadurch ein zweites Mal nach dem Frühjahr 2014 gelingt, diese stets bemühte, aber nie konstante Stuttgarter Elf vor dem Absturz in die Zweitklassigkeit zu bewahren, ist die Kardinalfrage. Doch wer bei Stevens selbst nach sportlichen Ansätzen für eine Antwort sucht, wird erst einmal nicht groß fündig werden. Denn je näher das erste Rückrundenbegegnung mit Gladbach in einer Woche rückt, desto einsilbiger gibt sich der Coach in puncto Taktik, Systemwechsel oder Aufstellungen.

Dreier- oder Viererkette in der Abwehr? Beides hat er praktizieren lassen, um eine stabilere Ordnung in der Defensive zu finden. Mit einem oder zwei Stürmer? Auch das hat er beides mehrfach probiert, um variantenreicher in der Offensive zu sein. Dazu im Mittelfeld verschiedene Konstellationen. „Das ist alles nicht so wichtig“, sagt Stevens. Wichtig ist: „Wir konnten hier viel machen, und wir hatten keine Verletzten.“ Um den Rest kümmert er sich dann schon mit seinem Trainerstab.

Neun Tage lang hat Stevens die Spieler zu intensiven Übungseinheiten auf dem Areal im Hotel Cascade gebeten, dazwischen und danach Mannschaftssitzungen, Einzelgespräche und Videoanalysen abgehalten. „Das Trainerteam war von morgens bis abends unentwegt beschäftigt“, sagt der Sportvorstand Robin Dutt. Und wer sich die Arbeitsauffassung von Stevens vor Augen führen will, kann dies an folgender Geschichte: Ein aus Stuttgart angereister VfB-Fan hatte in Lagos versucht, beim Vormittagstraining wenigstens einmal vor dem Coach am Trainingsgelände zu stehen. Um 9.30 Uhr ging’s in der Regel los und jeden Morgen kamen der Anhänger ein paar Minuten früher. Nur: Stevens war immer schon da.

Der Trainer kommt als Erster und geht als Letzter

Der Chef ist der Erste, er zeigt, wo’s lang geht, und er ist voll bei der Sache. Das ist die Botschaft. Die Einstellung, die der Trainer dafür einfordert, ergibt sich dann aus der Mischung: absoluter Leistungswille auf dem Platz und Lockerheit im Umgang miteinander. „Ich war das erste Mal mit dieser Truppe mehrere Tage zusammen – und das war gut“, sagt Stevens. Auch, weil es ihm gezeigt hat, wie reizbar manche Spieler in einer intensiven Phase reagieren.

Zweimal hat es im Trainingslager so laut gekracht, dass der VfB bundesweit auf dem Boulevard Schlagzeilen gemacht hat. Erst der Zoff zwischen Vedad Ibisevic und Martin Harnik, dann das Straftraining für Moritz Leitner im Morgengrauen. Doch beide Vorfälle haben die Laune des Trainers nicht getrübt. Denn Fall eins empfand er als durchaus normale und brauchbare Aggressivität („Was glauben Sie, wie das bei mir früher manchmal war?“). Und bei Fall zwei hat Stevens deutlich gezeigt, wer hier der Boss ist und wo die Grenze liegt.

Die Konflikte wurden laut Dutt gut gelöst. Weshalb die VfB-Verantwortlichen zunächst gerne die Überzeugung mit auf die Rückreise nehmen, dass der frisch eingepflanzte Mannschaftsgeist durch diese Affärchen nicht groß gestört wird. An diesem Samstag geht es planmäßig um 13.30 Uhr Ortszeit zurück. Der Tross im Flieger, ein Großteil der Ausrüstung im Mannschaftsbus. Doch zuvor hat Stevens noch ein Training angesetzt, ein letztes Mal frische Algarve-Luft atmen.