Keine Teamarbeit, keine Abwehr: Nach der Blamage des VfL Wolfsburg gegen Leipzig will Trainer Magath seine Personalpolitik überdenken.

Wolfsburg - Selbst der lebenslustige "Brazzo" ließ den Kopf frustriert hängen. Hasan Salihamidzic, den Fußball-Deutschland unter seinem Spitznamen Brazzo liebgewonnen hat, gehört zu den Neuzugängen des VfL Wolfsburg, der als unermüdlicher Kämpfer glänzt - und der einem harmoniefreien Verbund aus Individualisten, der in der vergangenen Saison um ein Haar abgestiegen wäre, neues Leben einhauchen soll. Die Idee des Trainers Felix Magath ist richtig gut - die bisherige Umsetzung allerdings mangelhaft. Auch der 34-jährige Salihamidzic musste ratlos miterleben, wie sich sein Team am Freitagabend in der ersten Runde des DFB-Pokals blamierte. "Das war keine Mannschaft. Und ich konnte keine Abwehr sehen", sagte Magath nach einer 2:3-Niederlage beim Viertligisten RB Leipzig, die ihn nachdenklich stimmte.

 

Typen wie Salihamidzic, die für ihren Job leben und frei von Allüren sind, waren in Wolfsburg zuletzt Mangelware. Da der charmante Dauerläufer nach vier Jahren bei Juventus Turin nicht mehr erwünscht war, schindet er sich jetzt für ein Bundesliga-Comeback unter einem Trainer, der ihm vor zehn Jahren im Trikot des Hamburger SV zu einer Profikarriere verholfen hat. Wer in Hamburg, München und jetzt Wolfsburg nach Magaths Pfeife tanzt und immer noch Spaß an dessen Führungsstil findet, muss ein besonders leidensfähiger Berufsfußballer sein. Oder eben ein Typ, der sämtliche nur erdenklichen Kriterien des Chefs erfüllt und sich sogar mit einem gebrochenem Arm mutig durch eine knallharte Saisonvorbereitung kämpft.

Ansprüche überdenken

"Hasan wird uns mit seiner Erfahrung weiterhelfen", meint Magath, der vor allem darum bemüht ist, ein durch Einsatz und Elan überzeugendes Team zu formen. Allerdings ist der Allesentscheider in Wolfsburg auch ins Grübeln gekommen, ob seine bisherige Personalpolitik bereits ausreicht, um den VfL wieder in die obere Hälfte der Tabelle zu führen. "Ich muss meine Ansprüche überdenken", sagte Magath nach dem Pokalfiasko von Leipzig.

Die bisherige Transferpolitik von Magath, dem der böse Ruf des gnadenlosen Einkäufers, Aussortierers und Verkäufers unzähliger Profis vorausgeht, hat in Wolfsburg eine Tücke. Solange es dem Alleinentscheider des VfL nicht gelungen ist, den bei ihm und den Kollegen in Ungnade gefallenen Spielmacher Diego zu verkaufen, will sich Magath keinen neuen Regisseur gönnen. Dass der aussortierte Star seine Mannschaft vor dem entscheidenden Spiel der vergangenen Saison nach einem Zwist mit Magath im Stich gelassen hat, macht den Brasilianer genauso schwer vermittelbar wie sein Jahresgehalt von rund sechs Millionen Euro, das ihm der VfL bis zum Sommer 2014 vertraglich zugesagt hat.

Ohne echten Spielmacher wird es eng

"In der Not können wir Diego auch behalten - ohne ihn spielen zu lassen", sagt Magath über den größten Hemmschuh seiner Aufgabe in Wolfsburg. Geld genug für weitere Profis - selbst wenn es um die gehobene Kategorie des vom VfB Stuttgart verpflichteten Christian Träsch geht - steht ihm in Wolfsburg zur Verfügung. Und eine Woche vor dem Bundesligastart scheint in Magath doch noch die Erkenntnis zu reifen, dass es ohne echten Spielmacher oder zumindest kreativen Vorbereiter sehr schwer wird.

Die Wolfsburger haben während der Sommerpause echte Lieblinge ihrer Fans verloren. Mit Torjäger Grafite und dem Fleißarbeiter Sascha Riether, der kurzzeitig auch Nationalspieler sein durfte, sind zwei Profis der Meisterschaftsmannschaft von 2009 verkauft worden. Was unbarmherzig klingt, war aus Sicht von Magath konsequent. Um den VfL zu neuem Leben zu erwecken, bedarf es stürmischerer und frischerer Spieler.

Harter Konkurrenzkampf

Der vom 1. FC Kaiserslautern geholte Srdjan Lakic soll an der Seite von Mario Mandzukic, dem Wolfsburger Retter im Abstiegskampf, viele Tore garantieren. Mitdem lauffreudigen Patrick Ochs, dem lebenslustigen Salihamidzic und eben Träsch weiß das Angriffsduo agile Männer hinter sich. Es ist ein harter Konkurrenzkampf entstanden, weil sich auch der Japaner Makoto Hasebe und Ashkan Dejagah Hoffnungen auf einen Stammplatz machen.

"Im Mittelfeld geht es richtig zur Sache, das gefällt mir", sagt Neuzugang Träsch, kann dabei aber nur das kämpferische, nicht aber das spielerische Element meinen: "Mein Anspruch ist es, oben mitzuspielen. Das sollte machbar sein. Die Mannschaft ist fit und hat viel Potenzial", versichert Träsch. Die Rückkehr in den internationalen Fußball bleibt trotz des Ausrutschers im Pokal das Minimalziel.

Hintergrund

Für seinen Kollegen hat Felix Magath nur ein mildes Lächeln übrig. Mirko Slomka erkundet mit dem Niedersachsenrivalen Hannover 96 die Belastbarkeit seiner Spieler mit Hilfe eines von Satelliten gesteuerten GPS-Systems. Magath setzt dieser modernen Variante seine bewährten Methoden entgegen. „Jeder Trainer muss wissen, was er tut. Ich brauche keine Daten und Messungen über meine Spieler. Ich lege auf andere Dinge Wert“, sagt der 58-Jährige – und meint Faktoren wie Ordnung und Disziplin sowie eine absolute körperliche Fitness als Grundlage für Erfolg. Die Rückkehr von Magath zum VfL Wolfsburg bedeutet für den Verein eigentlich einen Rückschritt. Dass mit ihm ein Trainer, Manager und Geschäftsführer installiert wurde, ist der blanken Verzweiflung geschuldet.