Der Wolfsburger Trainer Dieter Hecking bleibt vor dem Bundesliga-Heimspiel gegen den VfB Stuttgart sachlich, obwohl er sein großes Ziel Champions League dicht vor Augen hat.

Wolfsburg - Sein großes Begehren ist eine Glitzerwelt namens Champions League. Wer sie direkt vor Augen hat und nur noch ein paar Punkte benötigt, der sollte eigentlich an einer Überdosis Euphorie leiden. Wenn aber Dieter Hecking darüber referiert, dass der VfL Wolfsburg dicht vor dem Einzug in die Königsklasse des bezahlten Fußballs steht, dann klingt er so nüchtern und sachlich wie ein ergrauter Spielplanverwalter einer Fußball-Bezirksliga.

 

„Jetzt geht es darum, die Hausaufgaben zu machen“, sagt der Wolfsburger Chefcoach vor dem Heimspiel am Ostersamstag (15.30 Uhr) gegen den VfB Stuttgart. Etwas Schaum schlagen – das kann er nicht. Große Töne spucken – das überlässt er anderen. Hecking ist unter den vielen Selbstdarstellern auf der Showbühne Bundesliga eben der Normalo geblieben. Er lebt eine Bodenständigkeit vor, die den gesamten Wolfsburger Verein vor Übermut bewahrt.

Traumkarriere: vom Polizisten auf die Fußballbühne

  Geboren in Castrop-Rauxel, ausgebildet zum Polizisten, Vater von fünf Kindern – Heckings Vita lässt nicht vermuten, dass sich dieser Mann jemals zum Sturm auf den europäischen Fußballgipfel berufen gefühlt hätte. Verl, Lübeck, Aachen, Hannover, Nürnberg – wer hätte nach diesen Stationen als Trainer gedacht, dass es für ihn mit Wolfsburg noch bis nach Barcelona, Manchester und Paris gehen soll?

„Der Erfolg wird mich nicht verändern“, behauptet Hecking, wenn er gefragt wird, welche Auswirkungen die jüngsten Höhenflüge mit dem VfL Wolfsburg auf ihn und seinen Job haben. Tabellenzweiter auf nationaler Ebene, im DFB-Pokal und der Europa League winkt dazu der Einzug ins Halbfinale: Hecking ist in Wolfsburg nicht nur wegen dieser Erfolge so beliebt.

In der Autobauerstadt am Mittellandkanal kommen Macher vor allem dann gut an, wenn sie gerne viel arbeiten, die Ärmel hochkrempeln und es schaffen, die Nase nicht zu hoch zu tragen.   Die aktuelle Rollenaufteilung klappt so gut, dass sie fast alle Sünden aus der jüngeren Vereinshistorie vergessen lässt. Klaus Allofs ist als Geschäftsführer und Sportdirektor für das Schachspielen auf dem Transfermarkt und die allgemeine Charmeoffensive des VfL Wolfsburg zuständig. Hecking wiederum darf sich ganz darauf konzentrieren, die Fehler seiner Vorgänger zu vermeiden.

Felix Magath, Armin Veh und Steve McClaren waren früher oder später bei dem Versuch gescheitert, aus dem vom Volkswagen-Konzern hochfrisierten Verein möglichst schnell eine Adresse für exklusive Ansprüche zu machen. Sie sind über genau jene überhöhten Erwartungen gestolpert, die Hecking im Tagesgeschäft konsequent verscheucht. Er bremst, mahnt und normalisiert, wann immer es geht.

Seine Gabe, selbst international umgarnte Profis wie den Brasilianer Luiz Gustavo und den Belgier Kevin de Bruyne auf dem Boden der Tatsachen zu behalten, ist ein Segen und soll mit einer vorzeitigen Vertragsverlängerung belohnt werden. Die Frage muss erlaubt sein, wer seit dem Amtsantritt von Hecking im Januar 2013 wohl den größeren Entwicklungsschritt gemacht hat – der vielfach unterschätzte VfL-Trainer oder der seit Jahren mit Millionenbeträgen alimentierte Verein?

  Der vorläufige Karrierehöhepunkt von Hecking muss gar nicht das baldige Erreichen der Champions League oder ein Titel sein. Eigentlich hat sich der Stoiker seinen Doktortitel als Trainer bereits gesichert. Zum Auftakt der Rückrunde, als der Weltmeister André Schürrle noch gar nicht zum Kader des VfL gehörte, war es Hecking gelungen, mit seinem Team den FC Bayern auszutricksen und im Rahmen eines 4:1-Sieges zu demütigen.

Heckings Gefühl für die richtige Taktik

Denn der VfL-Trainer beweist viel Gespür für die richtigen taktischen Winkelzüge. Seine Wölfe spielen angetrieben vom überragenden de Bruyne sehr kontrolliert und doch äußerst ansehnlich. An Deutschlands Stammtischen verdrängt der Respekt immer mehr den Neid. Jäger des FC Bayern, zumindest tabellarischer Nachfolger von Borussia Dortmund – sobald wieder einmal versucht wird, Norddeutschlands besten Fußballstandort in den Himmel zu loben, kann es passieren, dass der besonnene Hecking doch mal richtig lospoltert.

„Wir haben keine Angst vor dem FC Bayern. Aber hört mir auf mit dem Mist“, sagt der VfL-Trainer, wenn sich die Vorschusslorbeeren auf ihm und seinem Team wieder einmal zu hoch auftürmen. Hecking agiert dann nicht als dröger Spießer, sondern als Ordnungshüter von spezieller Güte.