VHS-Pressecafé in Stuttgart Was geschieht mit unserem Geld?

„Was macht das Land mit unserem Geld?“ – über diese Frage hat unser Landespolitikredakteur Arnold Rieger bei der digitalen Ausgabe des Pressecafés berichtet.
Stuttgart - Vor einem Jahr? „Da hätte ich einen anderen Vortrag gehalten, über Schönwetterhaushalt, sprudelnde Quellen und eine Landesregierung, die Geld ausgibt für die Kür.“ Arnold Rieger meint die Zeit, bevor mit Corona eine neue „Rechnung“ begann. Im VHS-Pressecafé sprach der Redakteur, der seit 30 Jahren über landespolitische Themen berichtet – zunächst für die Stuttgarter Nachrichten, nun für die Gemeinschaftsredaktion –, über den schnöden Mammon. „Größer, höher, teurer?“ war der Titel seines Vortrags, der ohne Publikum im Internet per Livestream stattfand. Knapp 40 Interessierte hatten sich eingeloggt, um zu hören, was „das Land mit unserem Geld“ macht.
Im Dezember 2019 habe dieses noch aus dem Vollen schöpfen können, so Rieger. Der damals im Landtag verabschiedete Doppelhaushalt plante Ausgaben in Höhe von fast 52 Milliarden Euro für 2020, annähernd 53 Milliarden für 2021. 36 Prozent davon sollten in Bildung und Wissenschaft fließen, 35 Prozent an die Gemeinden durchgereicht werden, fünf Prozent gingen an die innere Sicherheit, also Polizei. „Und zwei bis drei Prozent wiederum für Schuldendienste!“ Für die Kredite zahlte das Land 2017 Zinsen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro. „Bayern hat weniger Schulden und niedrigere Zinsausgaben.“
Keine weiteren Kredite aufgenommen
Indes, seit 2015 hatte Baden-Württemberg keine weiteren Kredite mehr aufgenommen, habe sogar Schulden tilgen können. Festgelegt worden seien im Etat auch über beide Haushaltsjahre 1,35 Milliarden Euro zusätzliche politische Schwerpunkte. „Dazu gehören unter anderem 290 Millionen Euro für den Klimaschutz oder 2800 mehr Stellen für Lehrer, Justizbeamte und Polizei.“
Lagen doch die ursprüngliche Steuerschätzungen, die im Mai und November Fachleute vornehmen, trotz Warnung vor verhaltener Konjunktur bei insgesamt 31,31 Milliarden Euro und 32,23 Milliarden Euro Einnahmen für Landeskassen.
Bestanden die 1990er Jahre unter Ministerpräsident Erwin Teufel aus „Kürzen und Strecken“ des Etats, habe in der vergangenen Dekade die Finanzpolitik im Land nur die Richtung „höher“ gekannt. „Es wurden großzügig Zuschüsse vergeben, beispielsweise 100 000 Euro für eine Dialektinitiative.“ Über die Jahre habe sich die Zahl der Landesbediensteten erhöht, was der Rechnungshof monierte. Im Juni 2018 hatten etwa die Landesbehörden 223 095 Beschäftigte. „Es kommt auf die Perspektive an“, so Rieger. „Für Schulen sind mehr Lehrer gut, für den Steuerzahler nicht. Personalstellen schlagen zu Buche.“ Zumal das Land für die Pensionen seiner Beamten Rücklagen bilden muss. „Der negative Saldo hierfür beträgt jetzt schon 180 Milliarden Euro“, so Rieger.
Rekordverdächtige Verschuldung
Die Opposition jedenfalls, FDP und SPD, hinterfragten, ob dieser Doppelhaushalt verfassungswidrig sei. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, also keine Schuldenaufnahme, hätte gerade in den Haushaltsjahren 2020 und 2021 erstmals greifen sollen. „Ich glaube nicht, dass man mit den Klagen durchkommt“, antwortete Rieger auf die Frage, die ein Zuschauer im Chat stellte.
Doch nun ist das Land rekordverdächtig verschuldet. Im März 2020 war man im Landtag einig, dass – um die Folgen der Pandemie zu bewältigen – fünf Milliarden Euro Schulden aufgenommen werden können. Und um „weiter handlungsfähig zu bleiben“, so schreibt das Finanzministerium, erhöhte das Parlament im Oktober 2020 die Kreditaufnahme auf insgesamt rund 13,5 Milliarden Euro für den Doppelhaushalt 2020/2021. Schuldenbremse, war da was? Bei Naturkatastrophen mit Massenerkrankungen gelten Ausnahmen. „Der zweite Passus wird mit einer konjunkturellen Komponente begründet“, so Rieger. Im Oktober wurde das Konjunkturprogramm „Zukunftsland BW – Stärker aus der Krise“ beschlossen: 1,2 Milliarden Euro sollen zur wirtschaftlichen Erholung im Land beitragen. Die Krux: „Es werden 4,4 Milliarden Steuerausfälle prognostiziert.“ Der Rechnungshof habe kritisiert, dass letztlich viel Geld Euro ausgegeben werde für Dinge, die mit Corona nichts zu tun hätten. „Im Frühjahr wurde auch gemahnt zu kürzen, zu sparen und umzuschichten, passiert ist nichts.“ Doch wo sparen, an der Dialektinitiative? Auf diese Chatfrage erklärte Rieger, die meisten Etatbeträge seien an Zwecke gebunden. „Der große Federstrich ist schwer, gerade auch in der Krise. Aber im Haushalt gibt es viele kleine Dinge, an die man könnte – und nicht abgerufene Gelder.“
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