Der Treffpunkt Rotebühlplatz feiert in diesem Jahr seinen 30. Geburtstag, der damalige VHS-Chef Heinrich Schneider seinen 80. Dass die Stasi während der Bauzeit Arbeiter bespitzelte, hat das Stadtarchiv im Jubiläumsjahr aufgedeckt.

Für große Feste taugt der Treffpunkt Rotebühlplatz aus Gründen des Brandschutzes zurzeit nicht. Dabei hätte es in diesem Jahr einen guten Anlass gegeben: das Zentrum der VHS und gleichzeitig die soziokulturelle Mitte der Stadt ist 30 Jahre alt.

 

Ein Haus an zentraler Stelle war der große Wunsch von Heinrich Schneider, 1985 bis 2008 Direktor der Stuttgarter VHS. Als der gebürtige Franke zur VHS kam, habe er sich in Stuttgart umgesehen. „Hier waren damals nur Autos abgestellt, weshalb ich bei der Stadt angeregt habe, die Fläche für uns zu nutzen.“ Bis dahin musste sich die Volkshochschule mit Räumen im Katharinen-Stift, im WG West und im Schickhard-Gymnasium begnügen.

VHS war zu Gast in Schulen, auch Sportangebote waren schwierig

Das war organisatorisch kompliziert und schränkte das Angebot der VHS grundsätzlich ein: „Wir hatten die Schulräume nicht rund um die Uhr zur Verfügung, und dort waren bestimmte Themen erst gar nicht möglich wie beispielsweise Tanz, Messen und Ähnliches.“ Auch Sport habe in den frühen 80er-Jahren an Stellenwert gewonnen. Deshalb hatte man die oberen Stockwerke der Feuerwache West am Bollwerk in der Fritz-Elsas-Straße und eine Tanz-Etage in der Hasenbergstraße angemietet,„das hat uns Spielraum verschafft.“

Den Platz zu bekommen sei nicht schwer gewesen, sagt Heinrich Schneider, dafür habe es bei der Stadt Unterstützung gegeben. Der Baubeschluss wurde am 10. März 1988 vom Gemeinderat einstimmig angenommen, Baubeginn war im April, nach nur vier Wochen. Aus heutiger Sicht unfassbar schnell. Dass es beim Bau zu einem Fall von Spionage gekommen ist, kann das Stuttgarter Stadtarchiv belegen. 80 Mitarbeiter aus volkseigenen Betrieben in Halle und Bernburg sind auf der Baustelle tätig gewesen, der schwäbische Bauherr habe in Westdeutschland keine entsprechenden Bauspezialisten gefunden und deshalb den Auftrag in die DDR vergeben. Die Männer hätten unter genauer Beobachtung gestanden, „IMs (Inoffizieller Mitarbeiter) der Stasi führten detailliert Bericht über die Arbeiter“, heißt es in der Reihe „Geschichten_0711“.

Das Haus kam an, es wurde förmlich überrannt

Innerhalb von vier Jahren, von April 1988 bis 1992, wuchs nach den Plänen des Stuttgarter Architekten Horst Haag ein Gebäude mit 374 Räumen, fünf großen Veranstaltungssälen, 54 Fach- und Seminarräumen, einem Kochstudio und drei Galerien in die Höhe. „Das Haus sollte von Anfang an Treffpunkt sein, ein Platz für Begegnung und zum diskutieren“, sagt Schneider, „dafür sind die Plattformen und die Galerie geschaffen worden.“ Auch die Kursräume sollten nicht wie Klassenzimmer wirken, sondern Werkstattcharakter haben. „Das ganze Haus sollte Lust machen, sich zu beteiligen“, sagt Schneider.

Bei der Eröffnung am 17. Januar 1992 ist das Haus förmlich überrannt worden, täglich kommen bis heute rund 3000 Besucherinnen und Besucher. Möglich wurden Großveranstaltungen wie internationale Film-, Tanz und Theaterfestivals, Kinder- und Jugendbuchwochen, Familientage, der Tag der Kulturen, die Märkte zu Schwerpunktthemen. „Wenn ich mal Frust hatte während meiner Zeit als Direktor, habe ich mich einfach auf eine der Plattformen gestellt und dem Gewusel zugesehen. Danach war wieder alles in Ordnung“, bekennt Heinrich Schneider.

Zwischenquartier am Bollwerk?

Im Dezember wird er 80 Jahre alt, und man hätte ihm ein schöneres Geschenk gewünscht als die 2019 verfügte Schließung des Foyers für solche Großveranstaltungen. „Das schmerzt mich sehr“, sagt Schneider. „Eine 30-jährige Entwicklung ist damit gestoppt worden“, sagt die heutige Direktorin, Dagmar Mikasch-Köthner. Noch sucht man ein Zwischenquartier für die Bauzeit. Eine Möglichkeit eröffnet sich in der Nachbarschaft: Die BW-Bank zieht aus. Somit wäre die VHS vorübergehend wieder da, wo vieles seinen Anfang genommen hat: am Bollwerk.