Zwischen roten Teppichen und ihrem Herzensprojekt: Die Profitänzer Vica und Andrzej Cibis jonglieren erfolgreich zwischen Fernsehshows, Tanzstudio und Elternschaft. Wie schaffen sie das?
Der Weg über die Wendeltreppe hinauf zum Aldinger Tanzstudio Royale Dance führt vorbei an einer Wand voller Fotos. Darauf sind Vica und Andrzej Cibis, die Inhaber, zu sehen – und prominente Menschen, die das Studio schon besucht haben: Unternehmerin Judith Williams, Tänzer Massimo Sinatò, Artist Rene Caselly, Auma Obama, die Halbschwester des ehemaligen amerikanischen Präsidenten.
Dass so viel Glamour am Neckarufer – im Remsecker Stadtteil Aldingen – zu finden ist, liegt an der RTL-Show „Let’s Dance“. Fünf Staffeln lang tanzte Andrzej Cibis in der rasanten und oft emotionalen Show mit, zuletzt mit Natalia Yegorova als Tanzpartnerin. Seine Frau, Victoria „Vica“ Kleinfelder-Cibis war als Choreografin und als Tanztrainerin bei „Let’s Dance Kids“ dabei.
Der Glamour ist nur eine Seite ihres Lebens
Doch der Glamour rund um die Fernsehshow ist nur eine Seite im Leben der beiden Profitänzer, die seit 2007 ein Paar sind. „‚Let’s Dance‘ ist eine tolle Welt. Sie öffnet viele Türen. Wir sind auf roten Teppichen gewesen, sind in eine andere Welt eingetaucht, die wir sonst gar nicht kennengelernt hätten“, sagt der 36-Jährige. Aber das Tanzstudio sei das Herzensprojekt des Paares, etwas, dass sie von der ersten Idee an selbst kreiert und aufgebaut haben. Es stecke so viel Persönliches, Kraft und „Handarbeit“ darin. „Unser Tanzstudio ist wie ‚nach Hause kommen‘“, beschreibt es Vica Cibis.
Der Weg war nicht einfach, erinnern sie sich: „Wir kommen nicht aus reichen Familien“, sagt Andrzej: „Ich habe zeitweise zwei Nebenjobs gemacht, um mir das Tanzen überhaupt finanzieren zu können“. Und Vica Cibis erinnert sich an die Unsicherheit am Anfang: „Du hast ein Hobby, das sich zu deiner Leidenschaft entwickelt und dann zu deinem Beruf. Du willst etwas aufbauen, aber du weißt nicht, ob es funktioniert.“
2012 haben die beiden das Studio eröffnet, 2015 sind sie den Schritt in die volle Selbstständigkeit gegangen. Vica ist ausgebildete Tanzpädagogin, Andrzej Bankbetriebswirt. „Wenn wir beide uns nicht hätten, wäre das alles nicht zustande gekommen. Weder ‚Let’s Dance‘, noch das Tanzstudio. Einer hat immer dem anderen den Rücken freigehalten“, sagt Andrzej Cibis.
Nur drei Straßen voneinander entfernt
Ihre Liebesgeschichte beginnt beim Tanzen. Wie sich später herausgestellt hat, lebten beide in Stuttgart nur drei Straßen voneinander entfernt, sind sich aber nie begegnet. Erst beim Tanztraining treffen sie 2006 aufeinander. „Mein erster Gedanke war: ‚Wow! Was für eine tolle Frau!‘“, erzählt Andrzej Cibis. Ihr erster gemeinsamer Tanz war ein Cha-Cha-Cha oder vielleicht auch ein Samba, da sind sich die beiden nicht einig. „Sie war eine Klasse über mir. Und ich habe ihr sofort gesagt, was sie besser machen soll“, erzählt Andrzej lachend. Victoria reagierte darauf mit einer „gesunden Arroganz“. Trotzdem kommen sich die beiden näher. „Es war unausweichlich. Eine ganz klassische Eroberungsgeschichte“, so Andrzej.
Seit vergangenen November bereichert Söhnchen Adam das Leben der beiden. Andrzej Cibis hat sogar die „Let’s Dance“-Tour abgebrochen, um bei der Geburt dabei zu sein und die ersten Wochen mit seiner Familie zu verbringen.
Wie ist das Leben als Profi-Tanzpaar, das privat und beruflich ständig zusammensteckt? „Das ist eine große Herausforderung“, findet Vica Cibis. Tanzen ist ein emotionsgeladener Sport. Wenn man mit der eigenen Partnerin oder dem Partner tanze, sei das ein Gewinn – aber auch ein Risiko, sagt Andrzej. Und Vica ergänzt: „Uns wurde schnell klar, dass wir diese beiden Bereiche trennen müssen“. Wenn die Tür des Tanzsaals zugeht, müsse alles Berufliche dortbleiben.
Tanzstudio hat sich zu Kaderschmiede für Nachwuchs entwickelt
Im Tanzen haben beide einen anderen Ansatz: Er analytisch, sie künstlerisch und emotional. Dadurch sprechen sie nicht immer dieselbe Sprache, aber sie ergänzen sich, und das Endprodukt werde immer interessant, sagt Andrzej. Ein Prozess, in dem man sich in der Tanzpartnerschaft weiter entwickle. Und ein Weg, besser zu unterrichten: „Jedes Paar, jeder Tänzer ist so individuell. Die Paare oder Solisten, die nicht nur von einem, sondern von uns beiden trainiert werden, sind am erfolgreichsten“, sagt Vica Cibis.
Tatsächlich hat sich das Tanzstudio zu einer Kaderschmiede für den Nachwuchs entwickelt. Das Kultusministerium stuft das Studio als anerkannte Bildungseinrichtung ein. Mehr als 60 Medaillen haben die Schüler von Vica und Andrzej Cibis bei Landesmeisterschaften schon gewonnen. Stolz sind sie auch auf ihre Solistin Caroline Overheu, die von der Stadt Remseck als Sportlerin des Jahres 2023 ausgezeichnet wurde.
Sie selbst haben, seit sie 2017 ins Profilager wechselten, viele Preise geholt, die Deutsche Meisterschaft gewonnen, Turniere auf der ganzen Welt getanzt. Manche stechen heraus. Etwa die Australian Open Championships in Melbourne oder das Internationale Rising Star Turnier 2019 in der Stuttgarter Liederhalle. Bei der Erinnerung daran bekommt Andrzej immer noch Gänsehaut: „Wir haben ‚nur‘ den zweiten Platz gemacht. Aber an diesem Abend hat einfach alles gepasst.“
Erster Auftritt bei Gottschalk, dann Einladung von Llambi
Den ersten Fernsehauftritt hatten Andrzej und Vica Cibis 2010 im ZDF, als Thomas Gottschalk mit der Sendung „Swinging Sixties“ seinen 60. Geburtstag feierte. Ein erster Blick hinter die Kulissen der Fernsehwelt. Sechs Jahre später tanzt Andrzej in der Pro-Sieben-Produktion „Deutschland tanzt“ mit. Als dann die Einladung – an beide – von Joachim Llambi kam, bei „Let’s Dance“ einzusteigen, war klar: „Das kann nur einer machen, wir haben hier ja auch eine Schule zu leiten“, erzählt Vica Cibis. Fünf Staffeln absolviert Andrzej von 2017 bis 2023 vor der Kamera. Vica Cibis arbeitet 2019 im Choreografie-Team mit und ist Coach bei der bislang einzigen „Let’s Dance Kids“-Staffel 2021.
Was beiden am Herzen liegt: Mehr Jungen für den Tanzsport begeistern, Vorurteile abbauen. Andrzej selbst hat als Neunjähriger mit dem Tanzen angefangen, war aber auch von anderen Sportarten begeistert – Karate, Tennis, Kickboxen, Segeln. Fürs Tanzen hat er sich entschieden, weil er die Symbiose aus Bewegung und Musik perfekt fand. „Wir wünschen uns einfach mehr Offenheit und dass Eltern und Kinder Tanzen als eine Alternative zu anderen Sportarten sehen“.
Ob ihr eigener Sohn zum Tanzen findet, darüber machen sich die beiden keine Gedanken. Die Wahrscheinlichkeit sei zwar groß, weil er mit der Begeisterung seiner Eltern für Musik und Bewegung aufwachse. Wichtig ist ihnen aber, dass er etwas findet, das er mit Leidenschaft macht. Andrzej Cibis: „Und wenn es Atomphysik ist.“