Filmaufnahmen aus dem Gärtringer Schlachthof sorgen für Empörung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, auch eine Schließung des Betriebs ist nicht ausgeschlossen.

Sport: David Scheu (dsc)

Gärtringen - Stammt regional produziertes Fleisch wirklich immer aus einer artgerechten Tierhaltung? Erhebliche Zweifel daran verbreiteten Videoaufnahmen aus dem Schlachthof in Gärtringen, die sich seit vergangenen Freitag in den sozialen Netzwerken rasant verbreiten. Dreieinhalb Minuten dauert der mit versteckten Kameras gedrehte Film, den der Verein Soko Tierschutz online gestellt hat. Zu sehen sind massive Gewaltanwendungen gegen die Schweine und Rinder. Mitarbeiter treten die Tiere mit Gewalt in eine Betäubungsbox, rammen ihnen eine Stange in den After und verabreichen zahlreiche Elektroschocks.

 

Video mit 2,7 Millionen Klicks

Entstanden sein sollen die Aufnahmen im Juni und Juli dieses Jahres mit geheim installierten Kameras. Wer die Aufnahmen gemacht hat, will Soko Tierschutz nicht sagen: „Wir schützen unsere Quellen und Informanten“, sagt der Vorsitzende Friedrich Mülln. Dass die Bilder tatsächlich das Innere des Gärtringer Schlachthofs zeigen, steht für Mülln aber außer Frage: „Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Die Schlachthöfe haben eine spezifische Ausstattung.“

Dass die Aufnahmen illegal entstanden sind, sieht Mülln nicht als Problem. Das große öffentliche Interesse wiege schwerer als das Firmenpersönlichkeitsrecht. „Und es gibt ein riesiges Interesse an den Aufnahmen aus Gärtringen.“ 2,7 Millionen Mal wurde das Video auf der Facebook-Seite von Soko Tierschutz bis Montagmittag bereits geklickt. „So eine Resonanz hatten wir bei einem Schlachthof-Video noch nie“, sagt Mülln.

Inzwischen hat die Soko Tierschutz Strafanzeige gestellt wegen Verstoßes gegen Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes. Die Anzeige richtet sich gegen den Betreiber des Schlachthofs und die Vertreter des Veterinäramts im Böblinger Landratsamt, das für die Überwachung des Schlachthofs zuständig ist.

Landrat kritisiert die Vorfälle

Landrat Roland Bernhard verurteilt die Vorfälle scharf: „Die Bilder haben uns alle schockiert und sprachlos gemacht, das sind gravierende Verstöße gegen das Tierschutzrecht.“ Allerdings liege die Verantwortung zur Einhaltung des Tierschutzes in erster Linie beim Betreiber des Schlachthofes. „Das sind nicht meine Mitarbeiter, die dort Gewalt ausüben und sich nicht im Griff haben“, sagt Bernhard, „wir kontrollieren lediglich in zweiter Instanz.“ Hierbei liege der Fokus auf der Betäubung, jedoch nicht auf dem Zutrieb dorthin. Auf den Gärtringer Schlachthof-Chef Wilhelm Dengler ist man im Landratsamt nicht besonders gut zu sprechen: „Er muss Stellung beziehen, das hat er bisher nicht gemacht“, sagt Bernhard, „wir werden in den nächsten Tagen auf jeden Fall Klartext reden.“ „Die Aufnahmen haben mich genauso geschockt wie alle anderen“, sagte Wilhelm Dengler am Montag vor der Presse. „Die Bilder sind völlig inakzeptabel. Hierfür gibt es keine Entschuldigung.“ Dengler berichtete, dass bereits eine Handvoll von Kunden, darunter Metzger, ihrem Unmut Luft gemacht und mit Kündigung gedroht hätten.

Uneinigkeit herrscht zwischen dem Landratsamt und der Soko Tierschutz darüber, ob es sich bei den Vorfällen in Gärtringen um Einzelfälle handelt. Als solche stuft sie Wilhelm Hornauer ein, der Leiter des Amtes für Veterinärdienst des Landratsamts. „Das Video zeigt ein individuelles menschliches Fehlverhalten, das so gar nicht geht.“ Rückschlüsse auf ein systemisches Problem ließen die Bilder aber nicht zu. „Das Video ist ein Zusammenschnitt“, sagt Hornauer. Oft seien die gleichen Sequenzen aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. Zudem komme manchmal genau dann ein Schnitt, wenn ein Einschreiten der Aufsichtsperson zu erwarten sei. Friedrich Mülln sieht das anders: Das unaufgeregte Verhalten aller Beteiligten belege, dass diese Methoden in Gärtringen gängige Praxis seien. „Zudem sind die Aufnahmen über einen Zeitraum von zwölf Tagen entstanden, das lässt sich nicht mit einem schlechten Tag erklären.“

Schließung des Schlachthofs ist denkbar

Im Landratsamt will man die Vorfälle unabhängig von den gestern begonnenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zügig aufklären. „Wir sollten aber die Auswertung abwarten und von Vorverurteilungen absehen“, sagt Bernhard, der auch eine vorübergehende Stilllegung des Schlachthofs für denkbar hält. „Wir haben den absoluten Willen, jetzt Änderungen umzusetzen“, sagt Bernhard und ergänzt: „Ich möchte die Regionalvermarktung und eine transparente Produktionsweise gerne stärken. Aber durch das Video ist viel Vertrauen verloren gegangen, hoffentlich nicht zu viel.“