Unseren täglichen Mord gib’ uns heute! Das Fernsehen ist voller Krimis, die Buchläden sind es auch. Wie findet man aus der Flut des Schunds Qualität? Beim turbulenten Finale der 14. Stuttgarter Kriminächte im Theaterschiff werden vier Belletristik-Perlen prämiert.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

In 315 Fällen hat Astrid M. Fünderich als Stuttgarter Soko-Chefin Martina Seiffert seit dem Serienstart im Jahr 2009 im Dienste des ZDF ermittelt – und 315 Fälle gelöst. Das wahre Leben wird noch lange brauchen, um eine hundertprozentige Erfolgsquote hinzulegen. Wahr ist, dass viele für ihre Fluchten aus der Realität auf dem sicheren Sofa sitzen, in die Glotze schauen oder in einem Buch versinken, um sich an den Abgründen anderer zu ergötzen, ohne selbst involviert zu sein. Gestorben wird immer – gelesen hoffentlich auch!

 

Im Theaterschiff steht die Serienheldin der „Soko Stuttgart“ auf der Bühne, um Segel zu setzen für Krimiliteratur, mit denen man keine Flaute erlebt. Bei zu vielen Büchern und Fernsehkrimis ist die Enttäuschung am Ende groß. Mit Jochen Stöckle vom SWR moderiert Fünderich das Finale der 14. Stuttgarter Kriminächte, die in die Geschichte dieser Marke eingehen werden, weil alle Veranstaltungen restlos ausverkauft waren.

63 Prozent der Kaufenden von Krimis sind Frauen

Seit dem 13. März ist Stuttgart the capital of crime, also in der fiktiven Ausprägung. Dem Publikum gefällt es, bei der Überführung der Täter mitzuraten. Die Deutschen wollen gern Puzzleteile zusammensetzen, um herauszufinden, ob der Mörder schon wieder der olle Gärtner war. Marc Gegenfurtner, der Kulturamtsleiter der Stadt Stuttgart, erwähnt in seiner äußert originellen Rede, dass etwa 63 Prozent der Kaufenden von Krimis in Buchhandlungen Frauen sind. Die Geschäftsführung der Kriminächte besteht gar zu 100 Prozent aus Frauen, nämlich aus Bine Schulz, Eva Hooss-Pohl und Eva Hosemann. Und wer hat die vier Krimipreise gewonnen? Drei Männer und eine Frau!

Die einzige Frau des Siegesquartetts ist Sybille Ruge aus Frankfurt am Main, die es in ihrem Erstling „Davenport 160 x 90“ deftig und heftig liebt. Mit den Mitteln der Literatur geht sie sprachlich auf Angriff und rechnet mit gesellschaftlichen Auswüchsen bissig ab. Beim Outlet-Anzug eines Rechtsanwalts denkt sie etwa von der Farbe her an die „Ausscheidungen eines kranken Hundes“. Und geht noch weiter ins Detail: „Am Arsch sprangen die Doppelfalten wie Luftklappen einer Boeing ab.“

Die drei männlichen Träger des Stuttgarter Krimipreises sind Autoren mit politschen und gesellschaftlich relevanten Stoffen: Horst Eckert mit „Das Jahr der Gier“, Peter Grandl mit „Turmschatten“ und Oliver Bottini mit „Einmal noch sterben“.

Kulturamtsleiter Gegenfurtner begrüßt in seiner Rede allein die Kunst- und Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (die rein privat ohne Redepflicht gekommen ist) namentlich und macht es sich ansonsten leicht. „Die restlichen Namen lesen Sie im Artikel von Uwe Bogen“, sagt der gute Mann ins Mikro. Oh je, der Schreiber dieses Textes muss sich jetzt auch noch abrackern, um niemanden aus den Reihen Vip und Wichtig zu übersehen. Also ebenfalls im Schiffsbauch dabei: Schauspieler Walter Sittler mit seiner Frau Sigrid Klausmann, Bestseller-Autor Wolfgang Schorlau, Axel Preuß, der Intendant der Schauspielbühnen, Roland Mahr, der künftige Intendant des Renitenztheaters, Regionalrätin Heike Schiller, Krimiautorin Christine Lehmann, Dokumentarfilmer Goggo Gensch , Christina Semrau, die Botschafterin des Kinderhospiz, die frühere MdL Brigitte Loesch, puuuh, und wer sonst noch da war? Die, der und das!

Die Ministerin will jeden Abend in einem Buch lesen

Ministerin Olschowski sagt, dass sie zwar sehr viel zu tun hat, aber es ihr wichtig ist, jeden Abend vorm Schlafgehen noch in einem Buch zu lesen – und nicht nur eines ihres Partners Wolfgang Schorlau. Bei den Krimischreibern, lobte Loriot, ist das Böse in guten Händen. Das deutsche Publikum will weiter gut bedient werden. Das Verbrechen soll sich wieder lohnen. „Lesen ist wie eine Reise“, sagt Rednerin Eva Hosemann. Bitte einsteigen und Türen schließen! Die Welt im Kopf bereisen und sie dank böser Menschen verstehen! Liebe Autorinnen und Autoren, morden Sie los!