Viele Gebäude sanierungsbedürftig Das geerbte Haus als Kostenfalle
Wer eine Immobilie übernimmt, ohne den Zustand realistisch zu bewerten, riskiert böse Überraschungen. Sanierungslücken können das Erbe zur teuren Dauerbaustelle machen.
Wer eine Immobilie übernimmt, ohne den Zustand realistisch zu bewerten, riskiert böse Überraschungen. Sanierungslücken können das Erbe zur teuren Dauerbaustelle machen.
Es war 1978, als Winfried H. sich und seiner Familie einen Traum erfüllte: In einem kleinen Ort in der Nähe von Würzburg legte er den Grundstein für ein stattliches Einfamilienhaus. 210 Quadratmeter, verteilt auf zwei Stockwerke, mit offenem Kamin, Sauna und großem Garten. Das Haus ist so etwas wie das Lebenswerk von Winfried H. – er stammt aus einfachen Verhältnissen und organisierte den Bau in Eigenregie oder mit Hilfe von Freunden. Beim Dachdecken half die Verwandtschaft, ein befreundeter Elektriker verkabelte das Haus, und das Dachgeschoss baute er ganz allein aus.
Doch die beiden Töchter wurden groß und zogen aus – und dann verließ ihn seine Frau nach über 30 Ehejahren. Seither wohnt Winfried H. allein in dem riesigen Haus. Längst ist es ihm über den Kopf gewachsen: Der Garten ist mittlerweile völlig verwildert, die Mauer an der Grundstücksfront bröckelt, die Holzverkleidung an der Fassade bräuchte dringend einen frischen Anstrich. Die alte Ölheizung ist ständig kaputt, mehrere Wasserrohrbrüche haben in den vergangenen Jahren Schäden verursacht.
Und auch die Küche, die noch aus dem Baujahr stammt, müsste dringend erneuert werden. Doch mit den notwendigen Arbeiten kommt der gesundheitlich angeschlagene 79-Jährige nicht hinterher. Das Haus ist zu einem Klotz am Bein geworden – und den beiden Töchtern graut es auch aus einem ganz trivialen Grund vor dem Moment, in dem Winfried H. stirbt. Dann nämlich erben sie das Haus – und damit einhergehend den gigantischen Sanierungsstau nebst entsprechenden Kosten.
Ein geerbtes Haus klingt erst mal nach einem Glücksfall – doch oft endet es im finanziellen Desaster. Denn wer das Familienhaus übernimmt, ohne den Zustand der Immobilie realistisch zu bewerten, riskiert böse Überraschungen. Veraltete Heizungen, fehlende Energieeffizienz oder unerkannte Sanierungslücken können aus einem Erbe schnell eine Dauerbaustelle machen. „Viele unterschätzen, wie viel Verantwortung mit einer Immobilie kommt – und wie schnell der Wert verpufft, wenn nichts gemacht wird“, warnt Korbinian Faltner, Finanzberater aus Passau. Dieses Problem betrifft viele Familien: 430 000 Immobilien werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes jedes Jahr in Deutschland vererbt. Gerade wenn es um das Elternhaus geht, ist das Immobilienerbe zudem mit vielen Emotionen verbunden.
Was die finanzielle Seite betrifft, sind Lage und Zustand die Faktoren, die darüber entscheiden, ob ein geerbtes Haus wirklich ein Glücksfall ist. „Eine denkmalgeschützte, stark sanierungsbedürftige Immobilie in einer schlechten Lage kann schnell zum Verlustgeschäft werden“, warnt Faltner. Ganz anders sieht es bei einer Immobilie in gefragter Lage aus. „Hier kann das Erbe tatsächlich zu einem großen finanziellen Vorteil und einem echten Vermögenswert werden – vorausgesetzt, man geht mit der nötigen Planung und Weitsicht heran.“
Aber man darf trotzdem die laufenden Kosten nicht vergessen. „Gerade bei älteren Häusern sind oft umfangreiche Sanierungen nötig“, sagt Faltner – von neuen Böden und Armaturen bis hin zu kompletten Leitungs- und Badsanierungen oder energetischen Maßnahmen wie neuen Fenstern und einer Dachisolierung. „Erst wenn diese Investitionen getätigt sind, lässt sich die Immobilie sinnvoll nutzen oder vermieten.“ Nicht zuletzt sollte man auch prüfen, ob auf dem Haus noch ein Darlehen lastet. „Entscheidend ist, ob nach Abzug von Restschuld und Steuern ein positiver Wert übrig bleibt.“
Wer Immobilien erbt, muss sich immer auch mit der Erbschaftssteuer auseinandersetzen. Sie wird auf das gesamte geerbte Vermögen erhoben. „Als Grundlage für die Besteuerung dient der Verkehrswert der Immobilie. Erben profitieren jedoch von Freibeträgen, deren Höhe vom Verwandtschaftsgrad abhängt – je enger das familiäre Verhältnis, desto höher der Freibetrag“, erklärt Sandra Leifeld, Juristin bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. So haben Ehepartner einen Freibetrag von 500 000 Euro, Kinder 400 000 Euro und Enkelkinder 200 000 Euro, sofern deren Eltern noch leben. Für Geschwister und entferntere Verwandte wie Nichten oder Neffen liegt der Freibetrag bei 20 000 Euro. Aufpassen müssen hier vor allem unverheiratete Paare: Auch bei langjährigen Lebensgefährten liegt der Freibetrag nur bei 20 000 Euro.
Übersteigt der Wert der Erbschaft den Freibetrag, wird der verbleibende Betrag besteuert. Ein Beispiel: Erbt ein Enkel das Haus der Großeltern im Wert von 375 000 Euro, bleiben 200 000 Euro steuerfrei. Die restlichen 175 000 Euro werden mit 11 Prozent (Steuerklasse I) und damit 19 250 Euro besteuert. Würde hingegen ein Kind erben, fiele keine Erbschaftssteuer an – der Freibetrag von 400 000 Euro reicht aus.
Ein Sonderfall sind selbst genutzte Immobilien: Wenn Ehepartner und Kinder die Immobilie für mindestens zehn Jahre selbst bewohnen, bleibt das Erbe steuerfrei – vorausgesetzt, auch der Erblasser hat dort gewohnt. Wird die Zehn-Jahres-Frist nicht eingehalten, fällt die Erbschaftssteuer rückwirkend an. „Unabhängig von Freibeträgen und Steuerklassen besteht für jeden Erben die Pflicht, das zuständige Finanzamt innerhalb von drei Monaten über den Anfall der Erbschaft zu informieren“, erklärt Juristin Leifeld. „Dieses entscheidet dann, ob eine Erbschaftssteuererklärung abzugeben ist.“
Ein weiteres Problem beim Umgang mit einem geerbten Haus ist, dass in vier von fünf Todesfällen nicht einer allein erbt, sondern zusammen mit anderen Familienmitgliedern eine Erbengemeinschaft bildet. Das Entstehen einer Erbengemeinschaft ist zunächst einmal nichts Unübliches. „Häufig bestehen Erbengemeinschaften aus den Kindern und dem Ehepartner des Verstorbenen“, erklärt Markus Baschnagel, Geschäftsführer der Notarkammer Baden-Württemberg. Viele Erbengemeinschaften würden dann auch eine unkomplizierte Einigung darüber finden, was mit dem Nachlass geschehen soll. So kann beispielsweise eines der Kinder das Elternhaus übernehmen und den anderen Erben eine Ausgleichszahlung leisten. Oder alle sind einverstanden, dass die Wohnung verkauft und der Erlös unter den Erben verteilt wird.
Mitunter flammen aber auch längst überwunden geglaubte Grabenkämpfe unter Geschwistern wieder neu auf, ein handfester Familienkrach droht – zumal alles, was mit dem Haus geschieht, die Zustimmung sämtlicher Erben finden muss.
Eine Erbengemeinschaft ist grundsätzlich nicht auf Dauer angelegt. Das Gesetz sieht vor, dass jeder Miterbe früher oder später ihre Auflösung verlangen kann. „Zweck der Erbengemeinschaft ist es somit nur, bis zur Aufteilung des gemeinsamen Erbes zu verhindern, dass einer von mehreren Miterben einen Alleingang vornimmt“, erläutert Baschnagel. Aufgelöst wird eine Erbengemeinschaft durch einen Vertrag aller Erben über die Aufteilung des Nachlasses, die sogenannte Erbauseinandersetzung. „Ich rate zu einer zeitnahen Abwicklung des Nachlasses“, sagt Baschnagel. „Letztlich ist es im Interesse aller, auch wirtschaftlich mit dem Todesfall abschließen zu können.“ Und wenn das alte Elternhaus nur noch einen Besitzer hat, ist es auch leichter, notwendige Entscheidungen hinsichtlich anstehender Sanierungsarbeiten zu treffen.
Im Idealfall kümmern sich die Erblasser schon zu Lebzeiten darum, ihr Vermögen sinnvoll zu strukturieren. Man spricht vom Schenken mit warmen Händen. „Das bedeutet: Eltern oder Großeltern übertragen Immobilien oder Vermögen rechtzeitig und mit einem durchdachten Konzept“, erklärt Finanzberater Faltner. So lassen sich nicht nur familiäre Konflikte vermeiden, sondern auch steuerliche Vorteile nutzen – die Freibeträge können nämlich alle zehn Jahre erneut in Anspruch genommen werden. Durch eine frühzeitige und schrittweise Übertragung ist es möglich, auch größere Vermögen steuerfrei oder zumindest steueroptimiert weiterzugeben – ohne dass die Erben plötzlich in einer finanziellen Zwickmühle landen.