In Corona-Hotspot Stuttgart ist die Verunsicherung groß: Was geht noch? Während die einen Wirte neu starten, mit dem Noa im Bosch-Areal etwa, sagen andere Pop-up-Events ab. Theaterchefs wollen dem Publikum die Angst nehmen.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - In der Corona-Krise kommt es auf jeden einzelnen von uns an! Ja, Frau Kanzlerin, wir haben verstanden! Der scharfe Appell von Angela Merkel, angesichts der Infektionsexplosionen auf Reisen und Kontakte zu verzichten, hat reingehauen im Land – bei den einen mehr, bei den anderen weniger. Verunsichert sind viele. Die Ängstlichen waren es vorher schon, aber auch Ausgehwillige fragen sich nun: Was geht noch?

 

„Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause“, sagte die Kanzlerin. In Gedanken freilich dürfen wir aufbrechen, uns wo auch immer hinträumen. Ebenso erlaubt ist, kulinarisch in ein fremdes Land zu reisen.

„In dieser schwierigen Zeiten wollen wir Mut zeigen“

„Noa ist eine Frau, die sich im Orient auf eine Reise macht“, sagt Nima Nafeei, der in Stuttgart zwei Restaurants der Kette Oh Julia sowie das Burgerheart betreibt. Womit das Konzept seines neuen Pop-up-Restaurants Noa mit orientalischen Speisen im Bosch-Areal erklärt ist. „Wir haben im Lockdown Dellen verpasst bekommen“, berichtet er, „aber jetzt wollen wir Mut zeigen.“ Auch in der Pandemie gehe was, wenn man es nur richtig anpacke, findet Nafeei.

Am Killesberg eröffnet er am 31. Oktober eine Winterhütte. Und im Mash lockt bereits – seit dem ersten Abend mit Sperrstunde – sein Noa mit Spezialitäten wie Hummus-Variationen, Mezze, Köfte und Falafel- Bowls. Die Sehnsucht nach der Ferne soll zum Trip á la 1001 Nacht mitten in Stuttgart führen, ohne ins Flugzeug zu steigen.

Das Noa-Konzept ist in 21 Tagen entstanden

Seit über einem Jahr ist das Mash eine reine Eventlocation. Stefanie Stoll, Chefin der Exometa Agentur, wollte mit der Übernahme des Lokals zu ihrer Phoenixhalle im Römerkastell noch eine Veranstaltungsort hinzugewinnen. Wer konnte ahnen, dass jetzt alle Veranstaltungen gestrichen werden? Stefanie Stoll ist froh, dass sie mit dem Pop-up-Restaurant, das bis Ende des Jahres von Donnerstag bis Samstag (jeweils 17 bis 23 Uhr) öffnen soll, einen Pächter gefunden hat. Das Noa-Konzept entstand in 21 Tagen.

Beim Pre-Opening mit jungem, schicken Partypublikum im umgestalteten Ambiente (üppige Vorhänge, orientalische Malereien, bequeme Plüschplätze) wird klar: Die Menschen sind vorsichtig. Die Tische stehen weit auseinander. Zum Begrüßen wird meist auf Umarmungen verzichtet. Die Selfies aber bleiben. Ein bisschen Normalität hilft auch der eigenen Eitelkeit. Fünf Girlies stellen sich draußen auf. Erst machen sie ein Gruppenfoto mit Mund- und Nasenschutz „zum Posten“, wie sie sagen. Dann folgt eines – „nur für uns“ – ohne Maske.

Möhringer Linde sagt Pop-up-Events ab

Corona-konform wäre das Pop-up-Weinlokal der Möhringer Linde in den Büroräumen ihrer Agentur im Westen gewesen, doch die Wirte Maximilian und Ferdinand Trautwein haben die Geselligkeit mit Winzern bei „temporärem Weindorf-Feeling“ trotzdem abgesagt. Die Brüder rufen zu „mehr Sensibilität“ auf. Auf Events sollte man in dieser Zeit besser verzichten, so lautet ihr Appell. Die Kanzlerin wird es bestimmt gern hören.

Widersprechen will Axel Preuß der Kanzlerin nicht. Aber der Intendant der Schauspielbühnen macht klar: Zum Kulturverzicht hat sie nicht aufgerufen. Die Gefahr lauert bei privaten Festen, aber nicht in Theatern, die sich an Hygienevorschriften halten. Kein Ansteckungsfall sei bisher in Theatern bekannt. „Bei uns sind Abstand und Luftaustausch perfekt, wir schließen die Bar und machen bei einem Stück mit ,Tatort’-Länge keine Pause“, sagt Preuß. Der Intendant hat die Initiative „Mit Sicherheit Theater!“ mit 23 Kolleginnen und Kollegen gestartet. Sein Publikumsliebling Monika Hirschle hat vorab die Hauptprobe von „Loriots dramatischen Werke“ (an diesem Freitagabend ist Premiere) in der Marquardt-Komödie angeschaut. „Rasch vergisst man die Maske, die man trägt“, berichtet die Schauspielerin, „weil die Belüftung stimmt.“ Ach, wie gut herzhaftes Lachen in schwieriger Zeit tut!

„Nein, sagen Sie jetzt noch nichts!“

„Sogar der Nudel-Sketch funktioniert im Theater“, freut sich die „Moni“. Mehr verrät sie nicht. So gehört sich das auch! Seit 1977 erklärt Hildegards Verehrer, der sich die Nudel quer durchs Gesicht wischt, schließlich: „Nein, sagen Sie jetzt noch nichts!“