Bei den „Vielfalt Games“ geht es auf spielerische Art und Weise und ganz nebenbei um Einschränkungen von Behinderten. Ein Besuch

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Murrhardt - Mara hat einen gewissen Vorteil. Bis vor ein paar Monaten war die Zehnjährige wegen eines Beinbruchs auf einen Rollstuhl angewiesen. Jetzt kommen ihr die in dieser Zeit gewonnenen Erfahrungen beim Rollstuhlparcours zugute. Auch ihre gleichaltrige Freundin Kim geht nicht völlig unbedarft an die Sache ran: „Ich durfte damals bei Mara auch mal fahren“, sagt sie.

 

Der Rollstuhlparcours ist eine von insgesamt elf Stationen, die am Wochenende bei den „Vielfalt Games“ auf dem Sportplatz hinter der Murrhardter Stadthalle aufgebaut worden waren. Die Zielgruppe sei sechs bis 99 Jahre alt, sagt Christian Staita, einer der Initiatoren. Es gehe um Sport, Spaß, Kreativität, Teamgeist – und gleichzeitig sollten die Spiele sensibel dafür machen, mit welchen Einschränkungen manche Menschen mit Handicap zurechtkommen müssten.

Blindenparcours und Bubble Soccer

Bei einem Blindenparcours in der Turnhalle beispielsweise sind Hindernisse zu überwinden. Wer sich traut und auf einen sehenden Partner vertraut, kann am Ende von einem kleinen Kasten herunterspringen. Beim Dosenwerfen mit einer speziellen Brille müssen die Teilnehmer mit nur noch 20 Prozent Sehkraft auskommen, beim Bubble-Soccer ist der Körper in eine unförmige Blase eingeschlossen. Bei einem speziellen Tischkicker, bei dem pro Mannschaft jeweils zwei Köpfe aus einem Sperrholz-Spielfeld herausschauen, muss man allein durch Pusten versuchen, einen Tischtennisball in das gegnerische Tor zu befördern. An einer anderen Station geht es darum, sich nicht von einem wilden Musikmedley, das über Kopfhörer auf einen eindudelt, ablenken zu lassen, um mitzuzählen, wie lange eine eigens an- und dann wieder ausgeschaltete Glühbirne leuchtet. Gar nicht so einfach ist das, muss etwa der zwölfjährige Demion feststellen. Er hat sich um drei Sekunden verschätzt. „Die Musik war aber auch so durcheinander, ich kann mich nur an das Dschungelbuch, Fluch der Karibik und ein Weihnachtslied erinnern.“

Revival nach zehn Jahren

Christian Staita war schon vor zehn Jahren dabei, als viele Ehrenamtliche im Oberen Murrtal unter dem Motto „Vielfalt tut gut“ eine Veranstaltungsreihe aufgelegt hatten. Das Ziel war, rechten Umtrieben etwas Kreatives entgegen zu setzen. Auch jetzt, zehn Jahre später, sei das Revival daraus entstanden, dass die rechte Szene wieder häufiger in Erscheinung getreten sei, sagt Staita. Deswegen sei auch die beim Kreisjugendamt angesiedelte Fachstelle Demokratieförderung und Rechtsextremismusprävention (DeRex) eine treibende Kraft. Die Veranstaltungsreihe, die jetzt landkreisübergreifend auf das obere Rottal ausgeweitet worden sei, solle statt einfachem Dagegensein vielmehr die Vielfalt der Gesellschaft aufzeigen. „Wir wollen das Positive und Schöne betonen“, sagt der 32-jährige Staita, der „im normalen Leben“ Schreiner ist.

Mara hat derweil den Rollstuhlparcours mit Bravour hinter sich gebracht. Damals, sagt sie rückblickend, sei es eine Weile schon ganz cool gewesen, mit einem Rolli durch die Gegend zu fahren. „Aber ich bin froh, dass ich nicht mehr darauf angewiesen bin.“

Bereits vor zehn Jahren fanden unter dem Motto „Vielfalt tut gut“ verschiedene Veranstaltungen im Oberen Murrtal statt. Jetzt haben sich erneut zahlreiche Engagierte zusammengetan, um eine Veranstaltungsreihe zu organisieren. Dem Bündnis gehören unterschiedliche Vereine, diverse Institutionen, aber auch viele Privatpersonen an.

Das Anliegen des Bündnisses ist, Begegnungen zu schaffen und Vielfalt in der Region sichtbar zu machen. Das Ziel ist, ein Zeichen für Vielfalt, Demokratie und ein friedliches Miteinander zu setzen.

Mit einem großen Auftaktkonzert ist die Reihe im April gestartet. In der Murrhardter Stadthalle traten die Münchener Reggae-Band Jamaram und die Kölner Pop-Punker Karlsson auf. Nach den Vielfalt-Games stehen am 20. September in Schloss Lautereck in Sulzbach die „NSU-Monologe“ auf dem Programm. Das Ensemble der Bühne für Menschenrechte will den Opfern des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) eine Stimme geben.