Die Brandkatastrophe in Backnang überschattet den vierten Jahrestag des Amoklaufs in Winnenden und Wendlingen. Während der Gedenkfeier auf dem Marktplatz gilt das Mitgefühl der Anwesenden auch den davon Betroffenen

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Im kalten Nieselregen haben sich mehrere hundert Menschen auf dem Winnender Marktplatz versammelt. Dennoch ist es still, schweigend warten alle, dass die Kirchenglocken zu läuten beginnen. Auf dem Marktbrunnen sind 15 weiße Rosen aufgestellt, eine für jedes Opfer. Um 9.33 Uhr beginnt das Läuten, zu diesem Zeitpunkt hat vor vier Jahren der Amoklauf an der Albertville-Realschule begonnen. Vom Turm der St-Borromäus-Kirche und von dem der Stadtkirche hört man nun die Glocken, und in vielen Gesichtern beginnen Tränen zu fließen.

 

Das Läuten scheint nicht aufhören zu wollen. Erst als die letzten leisen Glockenschläge verklungen sind, beginnt der Winnender Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth die Namen der Ermordeten zu verlesen. In das Gedenken werden auch die beiden Männer mit eingeschlossen, die von dem Täter in Wendlingen umgebracht wurden. „Und wir denken an die Mutter und die sieben Kinder, die gestern durch den Brand in Backnang ums Leben gekommen sind“, sagt Holzwarth. Auch gelte das Mitgefühl den Opfern und Betroffenen der Katastrophe von Fukushima, die sich am 11. März 2011 zugetragen hat und jenen, die am 11. März vor neun Jahren durch den Bombenanschlag in Madrid betroffen wurden.

Unter den Anwesenden sind viele Jugendliche

Als Pfarrer Gerald Warmuth das Vaterunser zu beten beginnt, stimmen die Anwesenden mit ein. Viele Jugendliche und Kinder sind darunter. Einige nehmen sich gegenseitig in den Arm, stehen noch lange nach der Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz, bevor sie in Richtung Schlosskirche zum ersten der ökumenischen Gottesdienste gehen, die in Winnenden und Leutenbach stattfinden.

In der Albertville-Realschule findet derweil unter Ausschluss der Öffentlichkeit erstmals der Gedenktag in der Schule statt. Bisher war der 11. März entweder in die Ferien oder auf ein Wochenende gefallen. Erst am Mittag treffen sich vor dem Gebäude an der Albertviller-Straße Angehörige und Mitglieder des Aktionsbündnisses Amoklauf zur Pflanzung eines „Lebenslinien-Baums“. Zusammen mit dem Kreisjugendring (KJR) hat das Aktionsbündnis das Projekt möglich gemacht – unterstützt von der Baumschule Wöhrle, welche den Kirschbaum spendete. „Mich freut es, dass die Schülerinnen und Schüler sich eine Kirsche gewünscht haben und erklärten, sie wollten sich um den Baum kümmern und die Früchte ernten. So wird er heranwachsen, indem er von Jugendlichen gepflegt wird“, sagt der Rektor der Albertville-Realschule, Sven Kubick, während einige Schüler neugierig aus den Fenstern der Schule spicken.

Beitrag zum Projekt „1000 Bäume für das Leben“

Die Baumpflanzung zählt zu dem Projekt „1000 Bäume für das Leben“. Weitere Bäume sind auf der Wiese bei Rommelshausen gepflanzt worden, auf der Yvan Schneider ermordet wurde, aber auch im Garten des Instituts für Friedenspädagogik in Tübingen, am Berufsbildungswerk Waiblingen oder beim Freizeitheim des KJR in Mettelberg.

Brendan Keely singt zum Trost

Während der Pflanzaktion singt der irische Sänger Brendan Keely, der eigens zum Gedenktag nach Winnenden angereist ist. „Brendan unterstützt uns von Anfang an“, sagt Hardy Schober, einer der Sprecher des Aktionsbündnisses. Deshalb habe man den in seiner Heimat äußerst populären Musiker zum Ehrenmitglied ernannt. Bereits 2009 hatte Keely mit der Ballade „Heart and Soul“ den Angehörigen musikalisch Trost gespendet. „Hold on“, heißt es im Refrain, mach weiter oder halt durch, je nachdem, wie man es interpretieren will.