Sie treten anders auf als Alice Schwarzer, Theresa Bücker oder Margarete Stokowski, aber es gibt sie, die Männer, die sich öffentlich feministisch engagieren. Warum sie das tun – und wie man als Mann Feminist wird.

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Männer als Feministen sind kein neues Phänomen. Der französische Philosoph und Priester François Poullain de la Barre hat schon im Jahr 1673 ein Buch veröffentlich, dass „Über die Gleichheit der zwei Geschlechter“ (De L’Egalité des Deux Sexes) heißt. In der englischen Fassung erhielt es den Zusatz „The Woman as Good as the Man“, also: Die Frau genauso gut wie der Mann. Und 1907 gründete sich in London etwa eine männliche Unterstützergruppe der Suffragetten, die Men’s League for Women’s Suffrage.

 

Viele Männer halten heute Gleichberechtigung für selbstverständlich. Aber öffentlich als Feminist treten nur wenige auf. Wir haben mit vier von ihnen gesprochen.

Thomas Meinecke: der feministische Autor

Der Autor, Musiker und DJ Thomas Meinecke hat sich schon als Feminist bezeichnet, als man sich noch nicht per T-Shirt dazu outen konnte – in den 1990er Jahren. Wer das damals als Mann tat, zu dem hieß es noch: „Willst du denn kein Mann sein?“, so erzählt es Meinecke. Wer sich als Mann für die Gleichberechtigung von Frauen einsetzte, dem wurde das Mannsein abgesprochen. „Aber ich muss ja auch kein Arbeiter sein, um mich für Arbeiterrechte einzusetzen“, sagt der 67-Jährige.

Meinecke beobachtet in seiner Jugend in Hamburg, wie die Musik-Ikone David Bowie, die Band Roxy Music und die Mitglieder von Andy Warhols Factory Geschlechterrollen überschreiten. „Als Jugendlicher fand ich das durchaus irritierend, aber auch als vorgezeigte Befreiung von solchen Rollen.“ Die Deutschlehrerin lässt die Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir im Unterricht lesen. Meinecke macht keinen Wehrdienst, spielt nicht Fußball, prügelt sich nicht, holt sich feministische Bücher, die er damals nur im Schwulenbuchladen findet. Er macht also nicht das, was traditionell mit dem Jungs-Sein verbunden wird. Trotzdem sei der Weg zum Feministen ein langer Prozess gewesen, sagt Meinecke, der heute in der Nähe des Starnberger Sees wohnt.

Mitte der 1990er liest Thomas Meinecke Judith Butler, bis heute eine der bedeutendsten Feministinnen. Da ist er um die 40. Durch sie sei ihm klar geworden: „Wir sind nicht Männer oder Frauen, sondern wir handeln als Männer und Frauen, es ist eine Tätigkeit“, sagt Meinecke. Später treffen sie sich, er verarbeitet das Treffen und Butlers Theorien in seinem Roman „Tomboy“ von 1998.

Ab diesem Roman ist sein Werk feministisch. Er versucht im Schreiben zu berücksichtigen, dass die Geschlechter nicht feststehen, sondern im Fluss sind und verabredet werden, all die Dinge, die man heute mit nonbinär oder genderfluid bezeichnet. Es geht ihm dabei nicht um das Auflösen von Geschlechterrollen, sondern um ein Bewusstmachen dieser. Im Vorjahr erschien das Diskussionsband „Ozeanisch Schreiben“ von Meinecke, sein nächster Roman soll 2024 veröffentlicht werden.

Martin Speer: der Berater, der ein harter Kerl war

„Ich war jahrelang ein unbewusster Sexist“, sagt Martin Speer . Er wächst in Mittelfranken auf, übernimmt Verhaltensweisen von seinem Vater, merkt irgendwann, dass er auf Jungs steht und macht erst recht auf harten Kerl. Es brauchte andere Männer, zwei enge Freunde, um ihm den Spiegel vorzuhalten. Und tiefe Gespräche mit Frauen, um dazuzulernen.

Speer erfährt von seiner Schwester, wie es ist, nachts heimzulaufen und den Schlüsselbund als provisorische Waffe in der Hand zu halten, weil es immer irgendwo einen Typen geben kann, der einem ungebeten zu nahe kommt. Und von der Mutter, wie es ist, in Besprechungen zu reden und einfach nicht gehört zu werden. Für Speer ändert das vieles.

Heute berät Speer von Berlin aus Unternehmen und Institutionen bei ihrem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, wurde von der Bundesregierung in den Beirat für Geschlechtergerechtigkeit (GEAC) der Staatengemeinschaft G7 berufen und hat sich schon mit Bundeskanzler Olaf Scholz zu dem Thema unterhalten. „Bei so einem Termin merkt man, ob jemand intrinsisch motiviert ist. Ich habe das Gefühl, dass das bei ihm der Fall ist“, sagt Speer.

Dieses Jahr hat Speer außerdem mit sechs anderen Autorinnen und Autoren „Das Buch, das jeder Mann lesen sollte“ veröffentlicht – eine Anleitung, wie Männer zu Feministen werden können. Dabei sieht sich der 36-Jährige selber noch als Anfängerfeministen, es gibt einfach viel zu lernen. Aber Männer als Feministen, werden da nicht erst recht wieder Frauen verdrängt? „Wie bauen Brücken zu Männern, denn sie hören eher auf andere Männer. Aber die Bewegung steht auf den Schultern von Frauen“, sagt Martin Speer.

Fikri Anil Altintas: der Botschafter für neue Männlichkeit

Bei Fikri Anil Altintas kondensiert sich eine zentrale Botschaft in einer Anekdote aus seiner Jugend: „Ich mochte Fußball und Autos, aber auch lateinamerikanische Tänze, und ich bin mit meinen Schwestern zur Maniküre gegangen“, sagt Altintas. „Ich hatte immer das Gefühl, gewisse Dinge unterdrücken zu müssen.“

Altintas, 31 Jahre alt, schreibt für verschiedene Medien über Männlichkeit und Rollenbilder, ist Botschafter der UN Women „He for She“-Kampagne, spricht in Podcasts und auf Podien darüber, warum er es für wichtig hält, dass auch Männer Feministen sind. „Es wird von Personen wie mir, als muslimisch gelesener Mann, nicht gerne gesehen, wenn ich mich politisch äußere“, sagt Altintas. Umso wichtiger ist es für ihn, genau das zu tun.

Am 20. April erscheint sein Buch „Im Morgen wächst ein Birnbaum“, in dem es um sein Aufwachsen als Sohn türkischer Eltern in einer hessischen Kleinstadt geht – und darum, wie er seinen Vater selbst nur als starken Mann sehen wollte.

Wie sieht der Weg hin zum Feministen aus? Einfach mal anfangen, sagt Altintas, feministische Bücher zu lesen (etwa „Boys Don’t Cry“ von Jack Urwin), feministischen Accounts in sozialen Medien folgen und akzeptieren, dass man nicht mehr vom Leben der Frauen versteht, als sie selbst.

Jens van Tricht: erst Hausbesetzer, dann Feminist

Jens van Tricht hat ein Buch geschrieben, um mit der Idee aufzuräumen, dass Feminismus Männer nichts angeht. Es heißt „Warum Feminismus gut für Männer ist“ und ist 2019 in Deutschland erschienen. „Die meisten Männer schweigen zu dem Thema, weil sie glauben, dass sie kein Teil des Problems sind“, sagt der Niederländer. Dabei könne Gleichberechtigung nicht stattfinden, ohne dass Männer ihren Beitrag leisteten. Und auch Männer könnten nur in einer gleichberechtigten Welt „ganz Mensch sein“, also alle ihre Seiten ausleben, sagt van Tricht.

Viele Probleme – Krieg, Gewalt, Klimawandel – sind für ihn mit starren Vorstellungen von Männlichkeit verbunden. „Sogenannte männliche Eigenschaften sind nicht per se problematisch“, sagt der 54-Jährige. „Sie sind es nur, wenn sie nicht mit sogenannten weiblichen Eigenschaften balanciert werden.“

Van Tricht hat sich in den 1980ern in einem besetzten Haus in Amsterdam zum Feministen gewandelt. „Es gab dort einen Raum, wo Frauen über ihre Erfahrungen berichten konnten. Viele erzählten von schrecklicher Gewalt – ich war wirklich schockiert. Ich habe immer zugehört, und ich habe es ernst genommen“, sagt van Tricht. Später studiert er Gender Studies, spezialisiert sich auf Männlichkeiten und gründet die Organisation Emancipator. Sie ist unter anderem eine Anlaufstelle für Männer, die Teil der Lösung für Emanzipation und gegen Gewalt werden möchten. Dort soll reflektiert werden, welche Muster und Rollenerwartungen täglich zu Sexismus und Gewalt beitragen.

„Es gibt keine perfekten Männer“, sagt van Tricht. „Ich bin nicht perfekt, andere auch nicht. Männer, die das akzeptieren, aber die auch gerne lernen und sich ändern möchten, das sind meine Vorbilder. Meine Vorbilder sind auch Männer, die bei uns am Wochenende vorbeikommen und dann realisieren, dass sie Dinge getan haben, die sie nicht hätten tun sollen, die sich dann aber darüber aussprechen und damit auch verletzlich zeigen.“