Mit seinem Erfolg im Vierer-Weltcup in Altenberg hat sich Johannes Lochner in den Adelsstand der Bobfahrer erhoben. Doch der Pilot, der für den Bobclub Stuttgart Solitude startet, hat noch viel mehr vor.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Wenn Bobpiloten die Namen Whistler und Altenberg in den Mund nehmen, dann schwingt in ihren Sätzen stets eine gehörige Portion Respekt mit. Diese beiden Eiskanäle, der eine in Kanada unweit von Vancouver, der andere im östlichen Erzgebirge, sind die technisch und fahrerisch anspruchsvollsten Labyrinthe in der kleinen Welt der internationalen Bobfahrer-Gesellschaft. Wer auf einer dieser beiden Bahnen im Vierer, der Königsdisziplin, einen Weltcup-Sieg feiert, der hat sich den Ritterschlag verdient. Oder besser: Er hat sich damit selbst in den Adelsstand der Bob-Aristrokratie erhoben.

 

Aus dieser Sicht müsste Johannes Lochner seit dem vergangenen Sonntag im Dunstkreis von Eiskanälen mit „Sir Johannes“ angesprochen werden. Der Berchtesgadener, der für den Bobclub Stuttgart Solitude startet, hat seinen ersten Vierer-Weltcupsieg eingefahren – und das ausgerechnet in Altenberg. „Das hat mir eine gehörige Portion Selbstvertrauen beschert“, sagt der 26 Jahre alte Bob-Pilot, „in Altenberg im Vierer zu gewinnen, das ist schon etwas ganz Besonderes.“ Bundestrainer René Spies war nicht wirklich überrascht: „Das hatte sich zuletzt schon angedeutet. Johannes hat sich wahnsinnig stabilisiert.“

Lochner will 2018 eine Olympia-Medaille

Dieses Urteil des obersten deutschen Bobtrainers schmeichelt Johannes Lochner, aber insgeheim hat er diese Entwicklung vielleicht nicht unbedingt erwartet, so doch herbeigesehnt. Dafür hat er trainiert und viel Freizeit geopfert – und er liegt perfekt in seinem selbst umrissenen Zeitplan. 2016 wollte er in den Weltcup, 2017 hat er sich Weltcup-Siege ins Pflichtenheft geschrieben, und 2018 möchte der Bayer in Pyeongchang in Südkorea zu den Mitfavoriten gehören. „Ich weiß, dass ich nächstes Jahr um die Olympiamedaillen mitkämpfen kann“, betont er, „das ist mein Ziel.“

Mit dem Erfolg im Vierer-Weltcup hat die Konkurrenz endgültig registriert, dass sich der junge Mann anschickt, die Altstars infrage zu stellen. Den damit keimenden Erfolgsdruck, nimmt der Aufsteiger gelassen hin, ganz nach dem Bonmot: Nur mit Druck entstehen Diamanten. „Ich kann mit einer steigenden Erwartungshaltung gut umgehen“, versichert der Zweierbob-Vizeweltmeister von 2016, „die spornt mich eher an als dass sie mich bremst.“ Ein großer Pilot orientiert sich bei seiner Schussfahrt nicht mehr an Lenkpunkten, er steuert ganz nach Gefühl – dieser Maxime nähert sich Johannes Lochner mit jedem Kilometer im Eiskanal an: „Wer zu viel denken muss, verliert Geschwindigkeit.“

Neuer Bob ist Lochners Wunderwaffe

Der Erfolg in Altenberg mag fraglos daran liegen, dass der Junioren-Doppelweltmeister als Pilot gereift ist, doch er liegt auch im neuen Schlitten begründet. Sein neuer Bob aus der Schmiede des Österreichers Johannes Wallner fühlt sich an als sei er just für Lochner erfunden worden. „Der taugt mir richtig gut“, sagt er, „ich komme super damit zurecht, es war sofort Harmonie zwischen mir und dem Schlitten vorhanden.“ Das ist besonders im Vierer ein enorm wichtiges Kriterium – aufgrund der höheren Masse im Vergleich zum Zweier muss der Pilot viel akkurater steuern, weil sich Fehler deutlich stärker auf die Laufzeit auswirken. Qualität hat ihren Preis, 100 000 Euro kostet der Wallner-Bob – ein Mäzen, der unbekannt bleiben will, hat ihn Johannes Lochner gekauft.

Der Berchtesgadener in Stuttgarter Farben ist gerüstet für seine Revolution gegen die Ordnung der Bobwelt. Johannes Lochner besitzt das Können sowie das nötige Selbstvertrauen, und ihm steht die geeignete Waffe für die Duelle im Eiskanal zur Verfügung. Bereit zum Angriff, Sir Johannes!