Der Pole Kamil Stoch gewinnt die Vierschanzentournee. Vier Argumente für die Stärken des großen Skispringers.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Sven Hannawald hat Wort gehalten: Er werde der Erste sein, der Kamil Stoch gratuliert, sollte er seinen Rekord einstellen. Alle vier Springen einer Tournee zu gewinnen – das schaffte nach Hannawald jetzt auch Stoch. „Willkommen im Club“, rief der Deutsche im Zielraum und zeigte beim gemeinsamen Foto immer wieder mit dem Finger auf den Mann des Tages. Eine große Geste, zumal Hannawald oft Sorge hatte, seinen Rekord zu verlieren. Doch was macht Stoch eigentlich so stark?

 

I. Der Ehrgeiz

Kamil Stoch ist Perfektionist, ähnlich wie der Schweizer Tennisstar Roger Federer. Der Pole überlässt nichts dem Zufall. Er sucht das Maximum. Da er gleichzeitig ein sympathischer und bescheidener Zeitgenosse ist, lässt sich nur schwer vermuten, dass sich hinter dieser natürlichen Fassade ein richtiges Mentalitäts- und Trainingsmonster verbirgt. „Ich wollte nur meine besten Sprünge zeigen, ich habe nie auf den Sieg geschaut“, sagte der Doppel-Olympiasieger nach seinem Vierfachtriumph bei der Vierschanzentournee.

Diese besten Sprünge waren geprägt von enormer Präzision – gepaart mit der nötigen Lockerheit. Die fehlte seinem bis zur Halbzeit großen Tournee-Rivalen Richard Freitag, und deshalb war dieser wohl auch in Innsbruck gestürzt. Doch auch ohne Sturz wäre es schwer geworden gegen Kamil Stoch. Kaum ein Skispringer ist so fokussiert und fleißig. Da findet große Anerkennung in seiner Heimat. „Heute bilden wir alle gemeinsam das Gefolge eines neuen Königs – Kamil!“, schrieb der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf Twitter.

II. Der Trainer

Stefan Horngacher ist der Coach der polnischen Nationalmannschaft. Der in Wörgl geborene ehemalige Skispringer und zweifache Weltmeister war von 2006 an Stützpunktleiter in Hinterzarten und trainierte dort Nachwuchsspringer des Deutschen Skiverbandes (DSV). Im Sommer 2011 machte ihn der Bundestrainer Werner Schuster zum Co-Trainer des deutschen Weltcupteams, seit 2016 trainiert Horngacher die Polen – insofern hat sich das deutsche Team bei dieser Tournee ein bisschen auch mit den eigenen Waffen geschlagen.

Horngacher ist 48 Jahre alt und macht bei den Polen eine gute Arbeit. Er legte Stoch schon nahe, „mal etwas lockerer zu werden“, war damit aber auf Granit gestoßen. „Ich freue mich riesig für Kamil, weiß jetzt aber nicht recht, was ich sagen soll“, meinte Horngacher noch überwältigt vom Triumph seines besten Mannes. Das Klima innerhalb der starken polnischen Mannschaft, die vier Springer unter den besten 15 der Tournee platzieren konnte, ist ausgezeichnet – dank des Trainers. Und Stoch hat davon profitiert.

III. Die Managerin

Wenn Mann und Frau auch beruflich gemeinsame Sache machen, muss das nicht immer gut gehen – bei den Stochs funktioniert es. Engste Beraterin und Managerin von Kamil Stoch ist Ewa Bilan-Stoch, die Ehefrau des zweimaligen Tournee-Siegers, Weltmeisters und Olympiasiegers. Die beiden haben zusammen schon alles gewonnen: Nur Ski-Flugweltmeister wurde der 30 Jahre alte Pole noch nicht, diese Gelegenheit bietet sich aber bald bei der WM in Oberstdorf (18. bis 21. Januar).

Ein erfüllter Mensch

„Ich bin ein erfüllter Mensch. Ich habe sportlichen Erfolg, aber der größte Erfolg meines Lebens ist mein privates Glück“, sagte Kamil Stoch. Seine Frau wird es gerne hören. Diese Ehegemeinschaft befindet sich übrigens nicht nur in beruflicher Hinsicht nah dran an der Perfektion. Stoch hilft seiner Frau auch im Haushalt – ohne zu murren und überaus gern. Auch wenn er dabei nicht immer die beste Figur abgibt. „Zu Hause bin ich oft ein Chaot, ein richtiger Tollpatsch“, sagte Kamil Stoch. Ewa Bilan-Stoch hält ihm aber zugute, dass er guten Willen zeigt.

IV. Die Herkunft

Geboren in Zakopane, dem Wintersport-Mekka Polens, blieb Kamil Stoch nichts anderes übrig, als Sportler zu werden. Mit neun Jahren nahm er erstmals eine Schanze unter die Bretter. Es dauerte dann nur noch drei weitere Jahre, bis er auf der Heimschanze beachtliche 128 Meter weit flog – da deutete sich bereits das große Talent an, das in ihm schlummerte. Und so machte er sich auf den Weg, Nachfolger des großen Adam Malysz zu werden – mit Erfolg. „Wenn einer es verdient hat, den Rekord zu brechen, dann ist das Stoch. Er ist seit Jahren ein toller Botschafter“, meinte der deutsche Coach Werner Schuster.

„Luft ist mein zweites Wesen“, sagte derweil Stoch, der auch im Hinblick auf seine Hobbys viel Leidenschaft an den Tag legt. Ob er Musik macht an seinem eigenen DJ-Mischpult oder schnelle Autos fährt – er macht das alles mit der Begeisterung eines Kleinkinds und hohen Ansprüchen an sich selbst. Alles muss perfekt sein. Nach dem Sport will er Pilot werden. Irgendwann fliegt dann vielleicht einer der erfolgreichsten Skispringer der Geschichte die polnischen Urlauber in den Süden. Stochs Landungen bei der Tournee haben gezeigt: Die künftigen Passagiere können sehr beruhigt sein. Und am Boden applaudieren.