Vietnams Hauptstadt Hanoi ist idealer Ausgangspunkt für eine Reise durchs Land. In einem Hinterhof in der Altstadt mit ihren kleinen Gassen versteckt sich ein kleines Theater: Dort werden Touristen bestens auf ihre Tour vorbereitet.

Hanoi - Nach elf Stunden Flug ab Frankfurt holt Giang Thai Truong die Reisegruppen am Flughafen in Hanoi ab. Der 46-Jährige spricht fast akzentfrei Deutsch. Denn er kam wie viele Vietnamesen seiner Generation als ganz junger Mann in die frühere DDR, hat eine Lehre als Elektriker gemacht und im Stahlwerk gearbeitet. Nach der Wende ist er zurück in seine Heimat. „Jetzt zeige ich vor allem deutschen Touristen die Schönheit Vietnams“, sagt er. Ein Höhepunkt im Programm ist der Besuch von Phan Tanh Liem, einem Wasserpuppenspieler.

 

In Hanoi, so heißt es, sollen die Besten der Zunft ihre Theater haben. Phans Bühne ist mitten in der Altstadt. Auf dem Weg dorthin geht es durch das Viertel der 36 Gassen: eine Art riesiges Open-Air-Kaufhaus. Die Korbmacher haben eine eigene Straße, die Blechner, die Seilmacher, die Schuster. Auf den Gehsteigen ist für Fußgänger kaum Platz: Sie sind mit den Waren der Händler zugestellt. Auf den Straßen surren die Mopeds wie Bienenschwärme um die Passanten.

Die rund 6,5 Millionen Einwohner scheinen gleichzeitig auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Zwischen den drei- bis fünfstöckigen Gebäuden, alle handtuchschmal, ziehen sich zwischen verschachtelten Masten Stromkabel wie Schlangenknäuel von Haus zu Haus. Die Giebel und zum Teil gekachelten Fassaden der Gebäude haben morbiden Charme - aber dort leben? Giang schüttelt den Kopf. Zwar gibt es kleine Wohnungen für 200 Euro, aber die seien baufällig.

Die Miete ist viermal so teuer wie das Einkommen

Er selbst hat mit seinem Ersparten und einer Abfindung aus DDR-Zeiten ein Haus in der Nähe von Hanoi gekauft. Wie sehr Hanoi boomt, das zeigt der Immobilienmarkt: Direkt nach der Wende hätte Giang für sein Geld drei Häuser kaufen können. Wer es sich leisten kann, lässt wie er die Altstadt hinter sich und zieht in eins der neuen Hochhäuser im modernen Hanoi.

Die Miete dort liegt bei 800 Euro, das Durchschnittseinkommen bei 200 Euro. „Hütten können überall auf dem Land gebaut werden“, sagt Giang. Und die werden Touristen bei ihrer Tour durchs Land überall in der Nähe von Reisfeldern sehen. Den Boden bestellen die Bauern noch wie vor Hunderten von Jahren, spannen zum Pflügen Wasserbüffel ein, stecken die Setzlinge von Hand in die Erde. Oft hilft die gesamte Familie mit. In Hanoi geht es weiter durch die Gassen, in einen versteckten dunklen Hinterhof. In einem der schmalen Häuser lebt und arbeitet der Puppenspieler. Steile Stiegen führen hoch in den dritten Stock. Dort ist das Theater.

Die Bühne sieht aus wie ein großes Kinderplanschbecken. Das Wasser reicht Phan weit über die Knie. Der 48-Jährige trägt wie ein Angler Gummistiefel bis zu den Schenkeln, verschwindet hinter dem roten Samtvorhang - und lässt die Puppen planschen. Bauern, Wasserbüffel, Fischer, Kaiser, Prinzen und Prinzessinnen beginnen zu leben und erzählen Geschichten aus dem Alltag der Menschen: von der Arbeit auf den Reisfeldern, vom Fischfang. Und sie erinnern an die glanzvolle Kaiserzeit. Eine Zeit, als die Herrscher in der „verbotenen Stadt“ in Hue mit bis zu 200 Konkubinen lebten, auf die 300 Eunuchen aufpassten. Das kommt in Phans Stücken nicht vor.

Das sei unmoralisch, meint er. Doch kein Reiseleiter lässt es sich nehmen, vom Treiben in der verbotenen Stadt, die Weltkulturerbe ist, mit Süffisanz zu erzählen. Phan will seinem Publikum Lust auf die bevorstehende Reise durchs Land machen. Mittelpunkt der Vorführung ist die Entstehung der Halong-Bucht: Der Puppenspieler lässt einen goldenen Drachen fauchend aufs Wasser stürzen.

Der Drache hat die Landschaft zerfetzt

Ein solcher Drache hat der Legende nach die Halong-Bucht, vier Autostunden entfernt von Hanoi, geschaffen: Die 2000 Inseln der Bucht sollen dadurch entstanden sein, dass der Drache die Landschaft mit seinem Schwanz zerfetzt hat, um mongolische Reiter auf ihrem Eroberungszug auszubremsen. Dann soll er sich ins Meer gestürzt und dadurch das Wasser die Täler überflutet haben. Phan lässt seinen Drachen mit dem Schwanz so kräftig ins Wasser schlagen, dass es in den Zuschauerraum spritzt.

Die Reiter versinken im Meer, und es schießen Berge aus dem Wasser. Am Horizont geht die Sonne unter. Der Vorhang fällt. Blaues Wasser, ein noch blauerer Himmel, Dschunken mit roten Segeln und Felsen über Felsen: Schippern Reisende später tatsächlich durch die Halong-Bucht und sehen beim Dinner an Deck die Sonne hinter den Felsen untergehen, scheint ihnen die Legende, die die Puppen erzählen, glaubhafter als die Wissenschaft, laut der die Felsen nach der letzten Eiszeit vom Meer umspült wurden.

Schließlich heißt Halong-Bucht auf Vietnamesisch „Bucht des untertauchenden Drachen“. Das Wasserpuppenspiel hat eine 1000 Jahre alte Tradition in Vietnam. Schon Phans Vorfahren waren Wasserpuppenspieler. Allerdings waren sie auch Reisbauern. Nachdem die Felder bestellt waren, hatten sie bis zur Ernte wenig zu tun. Zum Zeitvertreib schnitzten sie Figuren und führten in den Reisfeldern kleine Stücke auf. „Das Wasser war als Bühne perfekt, weil die Führstäbe für die Puppen unter Wasser verschwinden.

Dadurch sieht es aus, als bewegten sich die Puppen selbstständig “, sagt Phan, Puppenspieler in der siebten Generation. Geheiratet hat er selbstverständlich die Tochter eines Puppenspielers: Ihre Mitgift: 1000 Tricks aus der Puppenkiste ihres Vaters. Phan lachend: „Die werden so geheim gehalten wie Kochrezepte.“ Nach der Vorführung zeigt er gern seine Werkstatt im zweiten Stock. Viele Figuren stammen von seinen Vorfahren. Aber er schnitzt auch selbst welche: Einige verkauft er, andere braucht er als Personal für neue Stücke.

Geschnitzt werden die Puppen aus Feigenbaumholz. „Das ist leicht und schwimmt gut“, erklärt Phan. Beim Kaffee, der wegen der besonderen Röstung nach Schokolade schmeckt, verrät Phan seinen Traum: mit seinen Puppen nach Deutschland zu reisen und seine Kunst zu zeigen. Er ist überzeugt, dass der Auftritt das Publikum neugierig auf Vietnam macht. Das Land setzt auf Touristen - seit kurzem ist für die Einreise kein Visum mehr nötig.

Infos zu Vietnam

Anreise
Nonstop von Deutschland nach Vietnam fliegt als einzige Fluglinie Vietnam Airlines. Die Strecke Frankfurt-Hanoi wird fünfmal pro Woche angeflogen. Hin- und Rückflug gibt es ab 720 Euro inklusive Steuern. Wer weitere Inlandsflüge oder Flüge in Nachbarstaaten bei Vietnam Airlines bucht, bekommt auf diese Flüge Rabatte. Nachfragen lohnt sich. www.vietnamairlines.com

Übernachtung
Die Altstadt von Hanoi erlebt man hautnah, wenn man am Altstadtrand übernachtet, z. B. im Apricot Hotel. Das Doppelzimmer gibt es ab 183 Euro. www.apricothotels.com

Die Halong-Bucht lernt man am besten kennen, wenn man eine Nacht an Bord eines Hotelschiffs verbringt, z. B.: Garden Bay Cruise. Das Zimmer kostet ab etwa 240 Euro. http://gardenbaycruise.com/

Wasserpuppenspiel
Die Aufführungen dauern eine gute Stunde, kosten je nach Gruppengröße 3 bis 5 Euro, z. B.: Alley 17/18, Lane 260, Kham Thien Street, Hanoi. Währung ist der Vietnamesische Dong (VND). 24 000 Dong sind derzeit etwa 1 Euro.

Essen und Trinken
Im Restaurant kostet ein Bier etwa 3 Euro. Ein Menü mit vietnamesischen Spezialitäten wie Sommer- oder Frühlingsrolle, Fisch und Salat gibt es im gehobenen Restaurant für etwa 12 Euro.

Im Straßenrestaurant ist es wesentlich billiger: Eine Reisnudelsuppe mit Rindfleisch gibt es für knapp 2 Euro, eine Tasse Kaffee kostet ab 50 Cent.

Verkehrsmittel
Das Taxi kostet etwa 30 Cent pro Kilometer, das Motorradtaxi die Hälfte.

Allgemeine Informationen
www.tourismus.de/asien/vietnam/