Auch an diesem Totensonntag werden die Gräber am Rand des Parks der Villa Berg wieder einmal vergessen. Dabei stehen dort rund 15 alte Grabsteine, von denen einige aus dem 18. Jahrhundert stammen. Sie sind zum Teil überwuchert und verfallen.

S-Ost - Am Totensonntag wird der Verstorbenen gedacht. Viele Menschen besuchen die Gräber von Freunden und Angehörigen, stellen Gestecke darauf, zünden Kerzen an. Die Gräber im Park der Villa Berg allerdings wird niemand besuchen. Sie sind vergessen und werden auch von den vielen Spaziergängern im Park oft gar nicht wahrgenommen, weil sie von Pflanzen überwuchert oder durch Wind und Wetter und Zeit halb verfallen sind. Dabei stammen die Grabsteine zum Teil aus dem 18. Jahrhundert – davon gibt es auch in Stuttgart nicht mehr viele.

 

Nur einer der Grabsteine ist gepflegt

Wer in diesen zuletzt so grauen Novembertagen durch den Park der Villa Berg spaziert, joggt oder Rad fährt, muss am nördlichen Parkrand zur Wohnbebauung des Stadtteils Berg hin schon genauer hinschauen, um alle übrig gebliebenen Grabmale zu entdecken. Etwa 15 Grabsteine sind hier noch weit verstreut zu finden, zum Teil direkt am Zaun des Kindergartenspielplatzes, zum Teil befinden sie sich im Gebüsch. Ein einziger steht gut sichtbar und gepflegt am Rand einer Wiese, ganz in der Nähe des Vereinsheims des Männergesangvereins Berg (MGV). Die gut lesbare Aufschrift verrät, dass dies der Grabstein von Gotthilf Kuhn und seiner Familie ist, geboren am 22. Juni 1819, gestorben am 24. Januar 1890. Gotthilf Kuhn ist niemand anderes als der Gründer der einstigen Kuhnschen Maschinenfabrik in Berg, die in ihrer Blütezeit Anfang des 20. Jahrhunderts mehr als 1000 Mitarbeiter hatte. Das Familiengrab des Unternehmers war auf dem alten Bergfriedhof, der sich einst hier am heutigen Rand des Villa-Berg-Parks mit mehr als 800 Gräbern erstreckte. Weil Gotthilf Kuhn auch den MGV gründete, kümmert sich der Verein bis heute um den Grabstein.

Die Geschichte der Bergfriedhöfe hat der Historiker Olaf Schulze jüngst bei einer Veranstaltung der Initiative Occupy Villa Berg kurz skizziert: Der erste Bergfriedhof war einst wie früher üblich direkt an der alten Berger Kirche. Diesen Kirchhof gibt es heute noch, von Mauern umgeben und mit einigen verbliebenen alten Grabsteinen.

1862 gab es 840 Gräber dort

Als Berg im 19. Jahrhundert auch im Zuge der Industrialisierung größer wurde, reichte der begrenzte Platz um die Kirche nicht mehr aus. Deswegen wurde im Jahr 1825 außerhalb des damaligen Dorfes am Fußweg ins – damals ebenfalls noch eigenständige – Gaisburg und nach Gablenberg (das noch früher zu Berg gehörte) der neue Bergfriedhof angelegt. Mit dem raschen Anstieg der Einwohner von Berg nahm auch die Zahl der Bestattungen auf dem neuen Friedhof zu. Im Jahr 1862 wurden nach den Recherchen des Historikers Schulze schon 840 Gräber gezählt.

Dieser zweite Bergfriedhof war offiziell bis 1884 in Betrieb, das Familiengrab des einstigen Hofgärtners und Gründers des Mineralbads Berg, Friedrich Neuner, war ebenso dort wie beispielsweise das Leuze-Familiengrab. Allerdings wurde der Friedhof 1884 innerhalb von wenigen Tagen geschlossen. Der Grund dafür war die Sorge um die nahen Mineralquellen. Der Friedhof lag relativ weit oben am Hang des Berges, auf dem mittlerweile ganz oben die Villa Berg stand. Das Regen und Grundwasser floss sozusagen durch die Gräber in Richtung der damals von Gästen aus aller Welt besuchten Mineralbäder und drohte, die Quellen zu verschmutzen. Schon drei Tage nach einem entsprechenden Beschluss des Stuttgarter Gemeinderats – Berg war 1836 eingemeindet worden – wurde der Friedhof geschlossen.

Das Neuner-Grab ist auf dem heutigen Bergfriedhof

Der neue, dritte Bergfriedhof ist der heutige Friedhof an der Hackstraße, wohin später die Grabsteine der Familien Leuze und Neuner verlegt wurden und die dort heute noch zu finden sind. Viele Grabsteine des alten Friedhofes wurden erst 1976 beim Bau des Spielplatzes entfernt und vermutlich entsorgt. Zurückgeblieben sind aber nach den Recherchen von Olaf Schulze beispielsweise der Grabstein von Heinrich Volz, dem einstigen Direktor der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Hohenheim, die Grabstätte des Eigentümers der Ziegelei Höfer in Bad Cannstatt (der späteren Süddeutschen Ziegelwerke), ein Säulenrest aus dem Jahr 1791 und auch ein Grabstein eines Sayn-Wittgenstein aus dem Jahr 1785. Auch an diesem Totensonntag jedoch werden diese Grabstätten wohl wieder einmal – vergessen.

Vorschläge zur Gräberpflege

Der Historiker und Friedhofsexperte Olaf Schulze schlägt vor, die ganz alten Grabsteine im Park der Villa Berg zurück in den Hof der Berger Kirche zu versetzen, woher sie vermutlich auch stammten. Die übrigen Grabmale am Parkrand könnte man seiner Meinung nach zumindest vom Gestrüpp befreien und mit einer Kiesumrandung versehen. Denkbar seien auch kleine Infotäfelchen an den einzelnen Grabsteinen mit den wichtigsten Daten über die jeweiligen Familien und eine große Tafel am Wegrand mit allgemeinen Informationen über diesen ehemaligen Bergfriedhof. Auch „eine gärtnerische Erinnerung“ an den ehemaligen Friedhof kann Schulze sich vorstellen, mit der die Ausmaße der Anlage im 19. Jahrhundert sichtbar gemacht werden könnten.