Winfried Kretschmann hat Besucher durch den Park der Villa Reitzenstein geführt. Zum einen, um die Offenheit der Landesregierung zu symbolisieren. Und zum anderen, weil er als früherer Biologielehrer eine Menge zu erzählen hat.

Stuttgart - Besonders einladend ist das Wetter an diesem Samstag nicht. Es ist bewölkt, es nieselt, es ist kalt – nicht unbedingt die besten Voraussetzungen, um an einer Parkführung teilzunehmen. Wenn diese jedoch vom Hausherren und Ministerpräsidenten des Landes, Winfried Kretschmann (Grüne), höchstpersönlich durchgeführt wird, dann ist der Andrang groß. Um die 300 Interessenten sind an diesem Nachmittag in den Park der Villa Reitzenstein gekommen und warten geduldig auf den Landesvater. Kretschmann führt nicht nur durch den Park, weil die Villa der Amtssitz des Staatsministeriums Baden-Württemberg und des amtierenden Ministerpräsidenten ist; Kretschmann ist studierter Biologe und kennt sich deswegen mit Flora und Fauna bestens aus.

 

Gleich zu Beginn der Führung erklärt er, weshalb er die Öffnung des Parks für die Bürger für so wichtig hält: „Wir leben hier in einer Demokratie und das bedeutet für mich auch, dass sich die Politik nicht von der Bevölkerung abschotten soll.“ In den 1950er Jahren war der Park der Villa Reitzenstein öffentlich zugänglich, seit den Anschlägen der RAF jedoch sei das Sicherheitsbedürfnis größer geworden, sodass das Gebiet nicht mehr für jedermann zugänglich sei, erklärt Kretschmann und ergänzt: „Es wäre schön, wenn wir das in Zukunft wieder ändern könnten. Die Öffnung des Parks soll die Offenheit der Landesregierung symbolisieren.“

Aufmerksame Besucher

Die Gruppe rund um den Ministerpräsidenten setzt sich in Gang, die erste Station ist der Rosengarten. Auf den schmalen Wegen ist es nicht einfach, für alle Interessenten einen Platz zu finden, auf dem sie Kretschmann gut verstehen können. „Mit so einem großen Andrang haben wir nicht gerechnet“, sagt ein Ministeriumsmitarbeiter. Trotzdem: die Besucher lauschen den Ausführungen des Ministerpräsidenten aufmerksam und erfahren nebenbei, wo er sein Büro in der Villa hat. „Dort oben“, sagt er und zeigt auf eine Fensterfront samt Balkon. „In der Schönheit zwar eher bescheiden und klein, aber mit direktem Blick auf den Rosengarten.“ Die Gärten seien nämlich, ergänzt der Grünen-Politiker, beim Bau vor hundert Jahren in den direkten Sichtachsen der Villa angelegt worden. „Der Rosengarten ganz im Stil des englischen Formal Gardens“, so Kretschmann.

Weiter geht’s in Richtung Biotop, vorbei an der Papstbank. „Beim Besuch des Papstes in Deutschland beteten wir auf diesen Bänken“, erklärt Kretschmann und ergänzt: „Jetzt nutze ich sie für meine Gymnastik-Übungen am Morgen, zwei Mal zwölf Liegestützen mache ich hier.“ Überhaupt nutzt er den Park am liebsten für den Frühsport: „Joggen und Dehnen hauptsächlich.“ Eine Lieblingspflanze hat der Biologe allerdings nicht – Kretschmann finde eher das ganze Wirkungsgefüge der Natur faszinierend, denn: „Erst im Zusammenspiel ergeben sich die Besonderheiten.“ Andres Baumann vom NABU Baden-Württemberg unterstreicht die Worte des Ministerpräsidenten mit Beispielen aus der Praxis. Er ist froh, dass der NABU das Biotop im Park mitgestalten durfte. „Wir haben heimische Pflanzen ausgesät, Libellen sind dadurch hier auch häufig zu sehen. Es ist schön, wenn wir die ursprüngliche Natur in die Parkanlagen zurückbringen können“, sagt Baumann.

Die Flagge ist immer gehisst

Vorbei an der Orchideenwiese geht es zur letzten Station an diesem Tag: am unteren Platz erschließt sich den Besuchern ein beeindruckender Blick über die Stadt. Mittlerweile hat es sogar etwas aufgeklart und die Sonne schiebt sich zwischen den Wolken durch. „Hier regiert es sich schön“, sagt Winfried Kretschmann. „Das ist ein toller Park und ein schönes Erbe, das wir hier zu verwalten haben.“ Zum Schluss zeigt er auf die Flagge Baden-Württembergs, die auf dem Dach der Villa weht: „Die ist übrigens immer gehisst, also auch dann, wenn ich nicht hier bin. Ich bin ja nicht der König von Württemberg.“