In unserer Serie „Urlaub in Stuttgart“ stellen wir heute den Park der Villa Reitzenstein als Literaturort vor. Dort hat Manfred Zach aus seinem Monrepos-Roman gelesen – und auch erzählt, was der Realität entspricht und was erfunden ist.

S-Ost - Es geht „den Hang hinauf, die schmal gewundene Serpentine zwischen Rhododendronstauden und Tulpenbeeten entlang, Höhe gewinnend, nicht viel, vierzig oder fünfzig Meter nur, doch genug, um den Atem schneller, gepresster gehen und den Blick unsicher zwischen unten und oben schweifen zu lassen, wo sich, eben noch nicht sichtbar, schiefergrau eingedeckte Häuschen duckten, Bedienstetenwohnungen mit schmucklosen Fassaden, während gegenüber das Fundament des Schlossgebäudes emporwuchs(...).“ Mit dem ersten Satz seines Romans „Monrepos oder die Kälte der Macht“ beginnt auch Manfred Zachs Lesung am Samstag im Park der Villa Reitzenstein.

 

Mehrere Dutzend Zuhörer folgen dem jungen Bernhard Gundelach, der an diesem Tag im Roman seinen Dienst im Staatsministerium antritt, vom Portal an der Richard-Wagner-Straße bis zum Lindenplatz, dem repräsentativsten Platz der Parkanlage mit Blick auf Stuttgart und die gerade eingerüstete Villa Reitzenstein. Mit eigenen Augen können sie sich ein Bild vom Park machen, der erst seit dem vergangenen Jahr regelmäßig für die Bürger geöffnet ist. Einen Blick in das Schloss Monrepos alias Villa Reitzenstein gewährt Zach seinen Zuhörern durch die Augen des Protagonisten, der seine Eindrücke im Roman detailgetreu beschreibt.

Der Politik-Teil stimmt, das Private ist Roman

„Ich habe vor allem Stellen ausgesucht, die etwas mit dem Park zu tun haben“, sagt Zach, für den es ein bewegender Moment war, am Ort des Geschehens lesen zu können. Unter der Vorgängerregierung, so das bekennende CDU-Mitglied, wäre dies nicht möglich gewesen. Sein 1996 erschienener Roman, in dem der Autor seine Erfahrungen in der Stuttgarter Regierungszentrale unter den Ministerpräsidenten Filbinger und Späth verarbeitet, wurde damals als Tabubruch angesehen. Seinen Zuhörern verriet Zach am Samstag ein einfaches Rezept für die Lektüre: „Alles, was die Politik betrifft, stimmt. Die privaten Teile wie zum Beispiel die Hochzeit Gundelachs mit einer Sekretärin, sind romanhaft.“

Ob romanhaft oder real – die Zuhörer jedenfalls haben an diesem Sommerabend unbekannte Welten kennengelernt: „Ich wollte schon immer einmal in den Park, seit ich einmal meine Tochter und ihre Austauschschülerin für eine Führung vor dem Tor abgesetzt habe“, erzählt ein Familienvater. Und eine Dame, die auf dem Killesberg wohnt, ergänzt: „Wenn dann noch Manfred Zach liest, ist das natürlich eine perfekte Gelegenheit für einen Rundgang. Manche sind auch eigens wegen des Autors gekommen, wie Lisbeth Kurtz und ihr Ehemann.

Auszeit direkt bei der Landesregierung

Fazit von allen ist: Manchmal muss es also gar nicht die lange Autofahrt oder gar der Flug in ein fremdes Land sein, um Neues kennezulernen und den Horizont zu erweitern. Kleine Auszeiten mitten in Stuttgart finden sich auch während der Sommerferien an unterschiedlichen Orten in der Stadt.