In großen Menschenansammlungen sind auch Grippeviren sehr gesellig. Auf dem Höhepunkt einer Grippewelle sind jedoch nicht einmal Krankenhauspatienten davor sicher. Drei Häuser melden grippekranke Gäste.

Stuttgart - Er ist wieder da, der Grippevirus. Im Dezember begann die Epidemie, nun breitet sich der Virus unaufhaltsam aus. Die meisten gemeldeten Fälle verzeichnet die Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert-Koch-Instituts im Süden Deutschlands mit 4021 gemeldeten Infektionen allein in der letzten Januarwoche. Seit Herbst 2017 hat das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg 1202 Erkrankungsmeldungen gesammelt, in 70 Prozent der Fälle handelte es sich um Influenza B-Viren.

 

Husten, Schnupfen, Halsschmerzen, mitunter Fieber löst das Virus aus. Wer von einem Infizierten angehustet wird, hat schon verloren. Der Erreger macht aber auch nicht vor Patienten in Krankenhäusern halt, wie eine Mitteilung des städtischen Klinikums zeigt. Dort sind seit Januar 2018 insgesamt 96 Patienten positiv auf Influenza getestet worden. „In den drei Häusern wurde sowohl der Typ A als auch der Typ B festgestellt“, heißt es vonseiten der Pressestelle. Die Anzahl von rund 100 Infizierten wertet das Klinikum als „saisonale Häufung“.

Fälle beim Gesundheitsamt angezeigt

In der Gerontopsychiatrie des Krankenhauses Bad Cannstatt gingen die Infektionen jedoch über das übliche Maß hinaus. „In einem abgetrennten Bereich wurde bei 14 Patienten der Erreger Influenza Typ B nachgewiesen, und alle 14 sind auch erkrankt“, teilt die Pressesprecherin des Klinikums mit. Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für Ältere hat sich auf die Behandlung und Therapie von psychisch kranken Menschen im höheren Lebensalter spezialisiert und bietet 66 Betten. Laut Landesgesundheitsamt besteht insbesondere bei älteren Patienten die Gefahr, dass die Grippe schwer verläuft.

Sowohl die Einzelfälle als auch die gehäuften Fälle aus Bad Cannstatt sind an das Stuttgarter Gesundheitsamt gemeldet worden. Die Fachkräfte aus dem Institut für Krankenhaushygiene waren alarmiert und haben beim Gesundheitsamt zugleich den „Verdacht einer nosokomialen Verbreitung“ angezeigt. Das Robert-Koch-Institut definiert eine nosokomiale Infektion als eine Infektion, „die Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme erwerben, die zum Beispiel in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder auch in ambulanten Praxen erfolgt ist“ und zwei oder mehr Personen betroffen sind. Das Stuttgarter Gesundheitsamt ermittelt nun Ursache, Ansteckungsquellen und Ausbreitung.

Angehörige sollen Besuche aussetzen

Um das Risiko einer weiteren Ausbreitung zu verringern, sind die erkrankten Patienten nun in separate Zimmer verlegt und medikamentös behandelt worden. „Das Personal ist angehalten, Mundschutz und Schutzkittel zu tragen“, sagt Klinikumssprecherin Ulrike Fischer. Auch Kontaktpersonen wie Krankenschwestern und Servicepersonal stelle man solche Schutzkleidung sowie Prophylaxe-Medikamente zur Verfügung, um eine Erkrankung dieses Personenkreises zu verhindern. „Ein Besuch der Patienten ist nicht verboten, wir empfehlen jedoch, in der akuten Krankheitsphase wegzubleiben, zumindest jedoch müssen die Besucher Abstand halten und die strikten Hygieneempfehlungen befolgen“, so Fischer.

Reinhard Kruse, der Pressesprecher des Marienhospitals, klopft auf Holz: „Wir hatten nur einen Grippefall in der vergangenen Woche, das war der bisher erste in dieser Saison.“ Im Diakonie-Klinikum hingegen ist Grippe unter Patienten ein Thema: „Seit Januar 2018 sind 25 Patienten positiv auf Influenza getestet worden, 19 davon mit Typ B, und drei Patienten sind auch tatsächlich erkrankt“, sagt Pressesprecher Frank Weberheinz. Auch das Robert-Bosch-Krankenhaus bestätigt für diese Saison 89 Influenza-Fälle auf den Stationen, 27 Erkrankte seien noch im Haus.

Insbesondere Älteren raten Experten zur Impfung

„Der Zeitpunkt ist typisch“, sagt Martin Priwitzer, der stellvertretende Leiter des Stuttgarter Gesundheitsamts. Das Niveau der gemeldeten Erkrankungsfälle liege für ganz Stuttgart gleichauf wie im vergangenen Jahr. „Zwischen Herbst 2017 und dem 6. Februar 2018 waren es 432.“ In den vergangenen Jahren sind durchschnittlich 500 Menschen an Grippe erkrankt, im Vorjahr waren es 1097. Weil viele Patienten eine Erkältung vermuten und gar nicht erst den Arzt aufsuchen, weil Ärzte oftmals keinen Virentest veranlassen, dürfte die tatsächliche Zahl allerdings höher liegen. Immerhin: Todesfälle, so Priwitzer, habe die Stadt keine zu beklagen gehabt.

Mehr zum Virus und zum Krankheitsverlauf

Influenza

Erreger der Grippe sind Viren. Für den Menschen sind die saisonal auftretenden Influenza A- und B-Viren besonders relevant. Grippewellen treten meist nach dem Jahreswechsel, im Januar oder Februar, auf, und dauern 8 bis 10 Wochen an. Schätzungsweise 5 bis 20 Prozent der Bevölkerung werden dabei infiziert.

Übertragung

Die Viren werden durch Tröpfcheninfektion übertragen, insbesondere beim Husten oder Niesen, durch direkten Kontakt der Hände zu Oberflächen, die mit virushaltigen Sekreten kontaminiert sind, und anschließendem Hand-Mund-/Hand-Nasen-Kontakt.

Verlauf

Die Inkubationszeit dauert 1-2 Tage, dann kommt es zu plötzlichem Erkrankungsbeginn mit Fieber, Husten, Muskel-, Kopf- und/oder Halsschmerzen. Weitere Symptome können allgemeine Schwäche, Schweißausbrüche, Rhinorrhö, selten auch Übelkeit/Erbrechen und Durchfall sein. Die Infektion dauert von da an bis zu 7 Tage an. Nur bei circa einem Prozent der Erkrankten wird der Virus überhaupt nachgewiesen. Verläuft der Test positiv, ist der Hausarzt meldepflichtig. Krankenhauseinweisungen kommen vorwiegend bei Kleinkindern und Älteren vor, Todesfälle hauptsächlich bei Hochaltrigen. Eine häufige Komplikation bei Kindern ist die Mittelohrentzündung.

Behandlung

Eine spezifische Therapie mit antiviralen Arzneimitteln sollte innerhalb von 48 Stunden beginnen, bei Zeichen einer bakteriellen Superinfektion empfiehlt das Robert-Koch-Institut Antibiotika. (czi)