Vision für eine Nachnutzung Große Pläne für die Zukunft des Stuttgarter Gaskessels
Der SKS Russ-Geschäftsführer Paul Woog würde den Gasbehälter gerne in eine „Digital Live Arena” mit weltweiter Strahlkraft verwandeln. Was ist seine Vision?
Der SKS Russ-Geschäftsführer Paul Woog würde den Gasbehälter gerne in eine „Digital Live Arena” mit weltweiter Strahlkraft verwandeln. Was ist seine Vision?
Stuttgart - Eine Gruppe von Stuttgartern öffnet die Tür zum Gaskessel und betritt einen ganz neuen Stadtteil. Die Männer und Frauen spazieren von der Gaisburger Brücke bis zum Wasserwerk in Berg, genießen zum ersten Mal richtiges Neckar-Feeling direkt am grünen Flussufer, erkunden neue Restaurants und Freizeitangebote, lassen sich von gerade entstehenden Wohnmöglichkeiten unterhalb des Parks der Villa Berg beeindrucken – und bestaunen die europaweit einzigartige und viel beachtete „Digital Live Arena“: ein Kompetenzzentrum für Virtual Reality und Live Entertainment mit ganz neuen Möglichkeiten.
So oder so ähnlich sieht die Vision von Paul Woog aus, die der Geschäftsführer der SKS Michael Russ GmbH in einem zwölfseitigen Exposé aufgeschrieben und der Stadt, dem Land und auch der EnBW als Eigentümerin des Gaskessels und großer Teile des riesigen Areals am Neckar geschickt hat. Entstanden ist das Konzept schon im vergangenen Sommer, mitten in der Pandemie.
Der gebürtige Gablenberger Paul Woog wohnt am Rand von Gaisburg in Richtung Wangen. Auch er arbeitete zuletzt viele Monate lang im Homeoffice. Von seinem heimischen Schreibtisch aus schaut er direkt auf den Gaskessel. Als Mann des Live-Entertainments litt er in der Pandemie – obwohl ausgesprochen technikbegeistert – irgendwann unter den ganzen digitalen Formaten. „Da fehlt der Live-Moment, dieses direkte Erleben”, sagt er.
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Gleichzeitig ist Woog immer wieder (und das schon seit Jahren) auf der Suche nach geeigneten Spielstätten für neue Veranstaltungsformate wie etwa die digitale Ausstellung „Van Gogh Alive“. Woog: „Wir haben hier zu wenig Spielstätten, und wir sind immer wieder mit Locations konfrontiert, die nicht für Musik oder mediale Anwendungen gemacht sind, sondern für Sport“ – wie etwa die Schleyerhalle oder die Porsche-Arena. Und leere Industriehallen in ausreichender Größe gebe es in Stuttgart auch nicht.
Woog wusste, dass der Gaskessel in absehbarer Zeit stillgelegt werden würde, außerdem hat er Freunde, die im 3-D-Bereich arbeiten. Mit ihnen hat er sich ausgetauscht. Die Professorin Sabiha Ghellal zum Beispiel lehrt an der Hochschule der Medien im Studiengang Mobile Medien und forscht unter anderem in den Gebieten Experience Design, Interaction Design oder Transmedia Storytelling. Sie hat Paul Woog bei dem Konzept unterstützt.
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Die Idee ist, den Gaskessel in eine Konzert- und Veranstaltungslocation zu verwandeln, in der sich Live-Erlebnisse mit virtuellen Umgebungen und Begegnungen auf bisher ungeahnte Weise verknüpfen, eine „Digital Live Arena“ eben. In den Innenraum des Gaskessels mit seinen 69 Metern Durchmesser passen geschätzt rund 3000 Menschen, dazu könnte man sich eine 360-Grad-Mittelbühne vorstellen und fortschrittliche Projektionstechnik. So könnte eine reale oder auch virtuelle Band in einem auf Boden, Decke und Wände projizierten Kornfeld oder unter Wasser spielen, das mit 360-Grad-Kameras übertragene Konzert könnte weltweit mithilfe von VR-Brillen erlebt werden, die realen Besucher des Konzerts im Kessel hätten die Möglichkeit, mit den Zuschauern weltweit digital Kontakt aufzunehmen und sich auszutauschen. Dieser Austausch ist das Kernelement der Idee: „Es geht schon um eine Kommunikation über und in dieser VR-Umgebung.”
Paul Woog sieht in dem Projekt eine riesige Chance für Stuttgart, in dem Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur gemeinsam ein weltweit beachtetes Vorzeigeprojekt entwickeln könnten. Und es könnte beispielsweise auch in Verbindung mit dem jüngsten BUND-Vorschlag funktionieren, der wie berichtet den Gaskessel außen zu einem großen Solarkessel machen will.
Die EnBW als Eigentümerin kennt den Vorschlag von Paul Woog: „Es ist aus unserer Sicht aber sinnvoll, erst einmal das Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbs abzuwarten. Damit geht dann ja auch eine Einbindung des Gaskessels in den Gesamtkontext und insbesondere auch ein offener Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern einher.” Direkt im Kessel und umgeben von den virtuell dargestellten Ideen könnte so ein Dialog nach den Vorstellungen des SKS-Geschäftsführers aber vielleicht ganz neue Dimensionen erreichen.