Die Nürnberger Prozesse haben das internationale Recht beflügelt. Aber auch Den Haag sieht sich als Wiege des Völkerrechts – ein Rundgang durch Tribunale.

Korrespondenten: Helmut Hetzel (htz)
Den Haag - Chen Yie hält ein Plakat in der Hand: "Freiheit für Tibet" steht darauf. Der Afrikaner Cici hingegen prangert während einer Demonstration vor dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag (IGH) den Völkermord in der sudanesischen Provinz Darfur an. Iranische Exilanten versammeln sich vor dem Gebäude im Herzen Den Haags, um für Freiheit in ihrem Land und gegen die dort herrschenden Islamisten zu demonstrieren. Wenn es um die Gerechtigkeit geht, wenn man für Menschenrechte eintreten und seine Stimme erheben will, dann muss man in Den Haag auftreten - bei den hier ansässigen internationalen Gerichten und auf der Straße.

Hier in Den Haag wird Protest gehört, hier wird Recht gesprochen. Wie eine Monstranz trägt der Haager Bürgermeister und frühere Außenminister des Landes, Jozias van Aartsen, das Motto der Stadt vor sich her und wiederholt es in fast allen seinen Reden: "Den Haag ist die Stadt des Friedens, die Wiege des internationalen Völkerrechts. Hier streben wir nach Frieden und Sicherheit."

Das oberste Weltgericht


In der Stadt an der Nordsee fanden 1893 und 1907 auf Initiative des russischen Zaren Nikolaus II. die ersten internationalen Friedenskonferenzen statt. Sie gelten als der Ursprung des Völkerrechts, führten zu den Haager Landkriegsordnungen über die "Sitten und Gebräuche des Landkrieges" und führten zur Gründung des ersten internationalen Völkerrechtsorgans - dem Internationalen Schiedsgericht. Es arbeitet und residiert seither in Den Haag im Friedenspalast, ebenso wie der 1946 gegründete Internationale Gerichtshof der UN, den IGH, die Akademie für Internationales Recht und eine der größten Bibliotheken zum Völkerrecht in der Welt.

Heute ist der Internationale Gerichtshof in der 500.000-Einwohner-Stadt Den Haag so etwas wie das oberste Weltgericht. Er ist nur für völkerrechtliche Konflikte zwischen Staaten zuständig, nicht für internationale Strafrechtsangelegenheiten gegen Individuen. Über die richtet seit 2002 der ebenfalls in Den Haag ansässige Internationale Strafgerichtshof (IStGH). Ihm gehören heute 106 Staaten an, nicht jedoch die USA. Die Amerikaner erkennen das Gericht nicht an, weil sie fürchten, dass sich dort eines Tages US-Soldaten verantworten müssten, falls ihnen Kriegsverbrechen vorgeworfen werden sollten. Chinesen und Russen ignorieren das Gericht ebenso.