Die Spähaffäre hat zu Tage gefördert, dass es noch alte Sonderabkommen mit drei ehemaligen Besatzungsmächten gab. Diese wurden nun beendet, wie Kanzlerin Angela Merkel berichtet.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Der 15. März 1991 war für die Deutschen ein sehr wichtiger Tag – aber das Datum dürfte den wenigsten Bürgern der Bundesrepublik etwas sagen. An diesem Tag hinterlegte die Sowjetunion als letzte der vier ehemaligen Besatzungsmächte die Ratifikationsurkunde zum Zwei-Plus-Vier-Vertrag. Er trat damit in Kraft. Dieser Vertrag markierte nichts weniger als das Ende der Nachkriegszeit.

 

Am 12. September 1990 hatten Außenminister Hans-Dietrich Genscher für die Bundesrepublik und Ministerpräsident Lothar de Maizière für die DDR mit den Vertretern der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der UdSSR in Moskau den Zwei-Plus-Vier-Vertrag unterzeichnet. Mit ihm beendeten die Besatzungsmächte alle „ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes“. Es war ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur deutschen Wiedervereinigung und der entscheidende Schritt Deutschlands in die volle staatliche Souveränität. Von nun an waren die Deutschen alleine Herr in ihrem Hause.

So jedenfalls war bis vor kurzem die allgemeine Wahrnehmung - und wohl auch die von Angela Merkel. Als die Kanzlerin am Mittwoch bei „StZ im Gespräch“ in Stuttgart nach dieser Thematik gefragt wurde, sprach sie davon, dass mit Zwei-Plus-Vier „eigentlich“ die Souveränität hergestellt worden sei. Aber im Zuge der Enthüllungen des Amerikaners Edward Snowden über die Spitzelaktivitäten Washingtons und Londons auf deutschem Boden „haben wir jetzt festgestellt“, dass es da noch spezielle Absprachen mit Briten, Amerikanern und Franzosen gab. Auf Deutsch: dass es mit der deutschen Souveränität doch nicht so weit her war.

Sonderrechte zum Schutz der Streitkräfte

In einem vertraulichen Briefwechsel hatte Konrad Adenauer, Bundeskanzler von 1949 bis 1963, den Westalliierten ihr Recht bekräftigt, unter gewissen Umständen die Brief- und Telefon-Kommunikation in Deutschland überwachen zu dürfen. Nachdem der Bundestag im Jahr 1968 das sogenannte G-10-Gesetz beschlossen hatte, das die Kommunikationsüberwachung durch deutsche Sicherheitsdienste in engen Grenzen regelte, wurden die Schnüffel-Rechte der Briten, Franzosen und Amerikaner präzisiert.

In einer Verwaltungsvereinbarung Bonns mit den drei Westalliierten wurde geregelt, dass die alliierten Geheimdienste im Interesse der Sicherheit ihrer Streitkräfte den Bundesnachrichtendienst und den deutschen Verfassungsschutz um Brief- und Fernmeldekontrollen ersuchen konnten. Eine eigene Ausforsch-Erlaubnis erhielten sie nicht, für die Überwachungsaktionen galten die Vorgaben des bundesdeutschen Rechts.

Als diese Vereinbarungen vor wenigen Wochen dank der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückten, beeilte sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), ihre Bedeutung klein zu reden. Keineswegs werde heute auf dieser Rechtsgrundlage herumspioniert, versicherte er. Seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 habe es von den drei ehemaligen Westalliierten kein einziges Ersuchen an die deutschen Geheimdienste gegeben.

„Ich glaube, damit haben wir das Problem gelöst“

Allerdings bemühte sich die Bundesregierung angesichts der öffentlichen Empörung über die vermutete Bespitzelung durch britische und amerikanische Dienste um eine schnelle Flurbereinigung. „Wir haben jetzt die ganzen Diskussionen um die Zusammenarbeit der Dienste genutzt, um diese alten 68er-Vereinbarungen mit Frankreich, Großbritannien und den USA zu beenden“, sagte die Kanzlerin der Stuttgarter Zeitung. „Ganz formell durch Verbalnoten-Austausch.“ Nach Angaben des Auswärtigen Amtes tauschten die vier betroffenen Außenministerien entsprechende Schreiben aus – ganz wie früher durch persönliche Übergabe der Schriftstücke. Am 2. August sei mit den Briten und Amerikanern, am 6. August mit den Franzosen der Notenaustausch erfolgt, der die alten Vereinbarungen „in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst“ habe.

„Ich glaube, damit haben wir eigentlich das Problem gelöst“, sagte Merkel in Stuttgart. „Damit ist auch in diesem letzten Bereich unsere Souveränität hergestellt.“