Die Vogelgrippe grassiert am Bodensee. Während Labormitarbeiter Überstunden machen, müssen Hühnerbesitzer ihre Tiere im Stall einsperren. Die einen wollen das Vogelgrippe-Virus drinnen behalten, die anderen gar nicht erst reinlassen.

Aulendorf - Auf den ersten Blick sieht die Reiherente auf dem Labortisch ganz normal aus - zumindest äußere Verletzungen sind nicht zu sehen. Aber einen Verdacht gibt es trotzdem: Das Tier könnte an der Vogelgrippe gestorben sein, die zurzeit in der Bodenseeregion grassiert. Alexandra Kley-Sonntag wischt mit einem Tupfer an den Innenseiten des Schnabels entlang und geht mit dem gleichen Wattestäbchen weiter an die Kloake der Ente - also dem Ausgang für die Verdauungs- und Geschlechtsorgane des Tieres. Dann kommt die Probe in ein Reagenzglas mit einer rosa Flüssigkeit. „Das geht jetzt rüber ins Labor“, sagt die Mitarbeiterin des Staatlichen Tierärztlichen Untersuchungsamts in Aulendorf (Kreis Ravensburg).

 

Dafür muss die Probe nur zweimal um die Ecke: An einem langen Gang reihen sich die Arbeits- und Laborplätze von Katinka Burkhardt und ihren Kollegen. Sie nehmen die Reagenzgläschen in Empfang und machen sich auf die Suche nach dem Übeltäter. „Wir isolieren das Erbgut des Virus, also seinen genetischen Fingerabdruck“, sagt Burkhardt. Anschließend vermehren die Wissenschaftler das Erbgut des Vogelgrippe-Erregers mithilfe eines Enzyms - um es dadurch schnell und sicher nachweisen zu können.

Überstunden im Labor

Aber bleibt das denn auch beim 200. Mal noch spannend? „Das ist der falsche Ausdruck“, sagt Burkhardt. „Wir sind eher angespannt - weil es auch weiter neue Arten oder neue Landkreise treffen kann.“ Wenn das der Fall ist - wenn das Virus beispielsweise bei einer neuen Vogelart vorkommt - geht die Probe weiter an das nationale Referenzlabor am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Ostseeinsel Riems.

„Momentan werden pro Tag plus, minus zwanzig tote Tiere zu uns gebracht“, sagt der Amtsleiter des Diagnostikzentrums, Thomas Miller. Vor allem unter den Reiherenten sei die Trefferquote beim Vogelgrippe-Virus hoch. Um die Arbeit zu bewältigen, leisteten die Mitarbeiter momentan deutliche Überstunden - das Institut hofft daher auf personelle Verstärkung. „Der Antrag ist schon gestellt“, sagt Miller. Momentan sind 88 Mitarbeiter bei dem Untersuchungsamt angestellt, die jährlich rund 720 000 Proben erhalten und rund 980 000 Untersuchungen durchführen.

Unter den Tieren, die ins Labor kommen, sind nicht nur Reiherenten: Auf dem Untersuchungstisch von Kley-Sonntag liegt auch ein Sperber, der vielleicht von einem Auto angefahren wurde. „Trotzdem müssen wir die Todesursache feststellen und auf Vogelgrippe testen“, sagt die Tierärztin, die mit Mundschutz, Haube, Gummistiefeln und weißem Overall am Untersuchungstisch steht. Wer in die Geflügelpathologie will, muss Schutzkleidung tragen und über Desinfektionsmatten treten - so soll verhindert werden, dass das Virus nach draußen gelangt.

Virus soll fern bleiben

Christoph Hönig versucht dagegen, das Virus gar nicht erst rein zu lassen: Sein Geflügelhof verkauft vor allem Eier. Rund 12 000 Tiere leben dort. „Das entspricht 36 Kühen“, sagt Hönig. Eigentlich haben seine Hühner ein Freilaufgelände von 10 Hektar - doch momentan müssen sie drinnen bleiben. „In den ersten Tagen standen sie schon vor dem Tor, aber inzwischen haben sie sich dran gewöhnt“, sagt Hönig.

Mitarbeiter des Landratsamtes Konstanz überprüfen zudem bei den rund 800 Betrieben im Kreis, dass keine Wildvögel in die Ställe gelangen können. An diesem Tag ist Veterinärin Stefanie Fuhrmann bei Hönig. „Ich kontrolliere zum Beispiel, dass kein Huhn draußen ist, dass Gitter vor den Ausgängen sind, die Futtermittel für wilde Vögel nicht zugänglich sind oder dass ein Deckel auf dem Lüftungsschaft liegt.“

Fuhrmann und Hönig tragen Schutzanzüge auf dem Weg durch den Betrieb, die Veterinärin hat zudem Handschuhe an und Plastiküberzieher über den Schuhen. Denn neben der Stallpflicht gelten in den betroffenen Landkreisen am Bodensee besondere Biosicherheitsmaßnahmen. Für ihn ändere sich dadurch aber nicht viel, sagt Hönig. „Bei Betrieben mit über 1000 Tieren gelten diese Maßnahmen ohnehin. Wir haben hier auf dem Hof sogar für jeden Bereich andere Schuhe.“

Wirtschaftlicher Schaden ist dem Landwirt bislang noch nicht entstanden. Auch seine Eier darf er trotz der Stallpflicht noch eine zeitlang weiter als Freilandeier verkaufen - und einen Rückgang beim Absatz beobachtet er nicht. Trotzdem hofft Hönig, dass der Ausbruch der Vogelgrippe nicht lange anhält. „Das kommt meistens schnell, ist ein paar Wochen brutal und ebbt dann wieder ab.“