Wegen der Vogelgrippe gilt in Stuttgart die Stallpflicht für Geflügel. Der Reyerhof in Möhringen setzt die Vorgaben um, der Chef Lukas Dreyer ist aber zwiegespalten.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Der Möhringer Demeter-Landwirt Lukas Dreyer ist richtig deprimiert, wie er selbst sagt. Denn nachdem in der Region und auch in Stuttgart selbst mehrere Vogelgrippe-Fälle registriert wurden, gilt in der Landeshauptstadt die Stallpflicht für Geflügel wie Hühner, Enten und Gänse. So soll vermieden werden, dass die Nutztiere Kontakt zu Wildvögeln haben und sich mit der Seuche infizieren.

 

Lukas Dreyer hat Verständnis für den Schritt. Die Übertragung des Virus müsse eingedämmt werden. Doch gleichzeitig sei es schwer, eine gute Lösung für das Federvieh hinzubekommen. Der Biolandwirt hat knapp 300 Hühner. Sie leben in einem mobilen Hühnerstall auf einem Acker in unmittelbarer Nähe zu den Streuobstwiesen am Rohrer Weg. Das hat einen entscheidenden Vorteil: Immer wenn die Vögel ihr großzügiges Freiland-Areal abgearbeitet haben, wird der Stall versetzt, sodass die Tiere wieder frisches Grün unter den Klauen haben.

Die Tiere haben aktuell nur etwa ein Viertel der gewohnten Fläche

Doch wegen der Vogelgrippe geht diese Konzept aktuell nicht auf. „Wir haben jetzt etwa 200 Quadratmeter Fläche mit Gewebeplanen überspannt“, erklärt Lukas Dreyer. Das soll verhindern, dass Kot von eventuell infizierten Wildvögeln auf das Hühnerareal gelangt und sich die Tiere mit dem Virus infizieren. Doch der Nachteil ist, dass das Federvieh nun viel weniger Platz hat als sonst. Es sei etwa ein Viertel der Fläche, sagt Lukas Dreyer. Erschwerend komme hinzu: „Beim ersten Sturm fliegen die Planen weg.“

Die Vogelgrippe bedeutet für ihn einen erheblichen personellen Mehraufwand. Allein um die Gewebeplanen zu spannen, seien drei Mann einen Morgen beschäftigt gewesen. „Das bindet Kapazitäten“, sagt Lukas Dreyer. Schlimmer sei aber, dass die Tiere auf ihrem deutlich verkleinerten Gelände wohl nicht glücklich seien. „Das sind Freilandhühner, die sind es nicht gewohnt, so beengt zu leben“, gibt der Chef des Reyerhofs zu bedenken. Die Tiere seien nun nicht mehr so ausgelastet und ausgeglichen wie normal, sondern gestresst und damit zum Beispiel auch anfälliger für Krankheiten. Im Extremfall könnten sie anfangen, sich gegenseitig zu picken und zu verletzen oder sich die Federn rauszurupfen. „Darum müssen wir uns nun überlegen, wie wir die Tiere beschäftigen können“, sagt Dreyer.

Sollten die Hühner lieber gleich in den Suppentopf?

Für ihn sei es letztlich schwer einzuschätzen, was schwerer wiege: das Risiko, dass sich seine Tiere mit der Vogelgrippe anstecken, oder das Risiko, dass die Hühnerherde wegen der Stallpflicht großen Schaden nimmt. Hinzu komme, dass niemand wisse, wie lange die Stallpflicht gilt. Für sechs Wochen sei das Provisorium vielleicht hinnehmbar. Aber länger? Wenn es Monate dauere, bis seine Hühner wieder leben können wie gewohnt, dann sei es vielleicht wirtschaftlicher, wenn er sie gleich schlachte und als Suppenhühner verkaufe, daraus macht Lukas Dreyer kein Hehl. Denn: „Das sind Nutztiere und keine Schoßhündchen“, stellt er klar.

Fakt sei, dass er nach sechs Wochen Stallpflicht keine Bioeier mehr anbieten könne, weil die Voraussetzungen dafür nicht mehr erfüllt seien. Und dass es dann wohl auch weniger Eier werden, weil gestresste Tiere nicht so legefreudig seien.

Das Virus und der Mensch

Ansteckung
Die Vogelgrippe ist für Menschen wenig ansteckend, kann laut Robert-Koch-Institut jedoch sehr schwer verlaufen. In Deutschland ist bisher aber keine entsprechende Erkrankung bekannt geworden. Wer kranke oder tote Vögel entdeckt, sollte sie auf keinen Fall berühren. Die Tiere sind den Behörden zu melden, in Stuttgart etwa dem städtischen Vollzugsdienst unter 07 11 / 2 16  -  9 19 00.

Kontrolle
In Stuttgart kontrolliert der städtische Vollzugsdienst die Einhaltung der Stallpflicht. In den ersten Tagen geschehe das nach Augenmaß, sagte kürzlich ein Sprecher gegenüber unserer Zeitung. Nach einem Hinweis und einer Ermahnung könne aber auch ein Bußgeld drohen. Dessen Höhe sei nicht festgelegt, sondern richte sich nach der Größe des Betriebs und dem Gefährdungspotenzial.