Bahnchef Rüdiger Grube wirbt vor Unternehmern für Stuttgart 21. Die Frage ist: Wie lassen sich die Befürworter bei der Volksabstimmung mobilisieren?

Stuttgart - Es gibt kein zurück, nicht für Rüdiger Grube. Und falls jemand doch zurück wollte, dann kostet das 1,5 Milliarden Euro. Das müsse die grün-rote Landesregierung dann erst einmal erklären, weshalb sie so viel Geld an Schadenersatz ausgeben wolle, um nichts in der Hand zu haben, nur einen sanierungsbedürftigen Bahnhof. Kann Ministerpräsident Winfried Kretschmann das wollen? Eigentlich nicht, findet Grube, der am Mittwochabend nach Waldachtal gekommen ist. Dort, im Landkreis Freudenstadt, hat die Unternehmensgruppe Fischer (Fischer-Dübel) ihren Sitz, deren Chef Klaus Fischer den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG zu einem Podiumsgespräch geladen hat. Grube wohnt nicht weit entfernt. Im Publikum sitzen Unternehmer und Manager. Draußen vor der Tür reihen sich schwarze Limousinen schwäbischer Provenienz. Für Grube ist es ein Heimspiel. Er genießt es.

Am 27. November werden die Baden-Württemberger in einem Referendum über Stuttgart 21 befinden. Es wird die erste Volkabstimmung im Land sein. Unternehmenschef Fischer sagt, er halte es für „mehr als fragwürdig, in welcher Weise mit dem Instrument einer Volksbefragung gearbeitet wird“. Schließlich habe die Landesregierung diesen Weg nur aus „koalitionspolitischem Kalkül“ gewählt. Da hat er Recht. Ohne die Volksabstimmung wäre die über Stuttgart 21 zerstrittene grün-rote Koalition gar erst nicht zustande gekommen. Um eine „Volksbefragung“ aber handelt es sich im strengen Sinne nicht. Liebend gern hätten die Grünen eine solche rechtlich unverbindliche, politisch aber durchschlagende Volksbefragung gehabt, doch die SPD bestand auf eine Volksabstimmung gemäß der Landesverfassung. Denn die sieht ein Zustimmungsquorum von einem Drittel der Wahlberechtigten vor – eine Nuss, welche für die Stuttgart-21-Gegner nur schwer zu knacken ist. Fischer-Chef Fischer sagt, man müsse das Beste aus der Abstimmung machen. Und das bedeute: Ja zu Stuttgart 21, Nein zum Ausstieg. „Wir sind auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen. Stuttgart 21 werde „unserem Land großen Nutzen bringen“.

 

Probleme mit der Volksabstimmung

Auch Bahnchef Grube hatte anfangs so seine Probleme mit der Volksabstimmung. „Ich war lange Zeit mit mir selbst nicht im Reinen, ob ich sie torpedieren soll.“ Am Ende seiner Überlegungen aber ist er zu der Erkenntnis gelangt: „Man muss nicht immer mit dem Kopf durch die Wand.“ Was nicht bedeutet, dass Grube Stuttgart 21 nicht mehr so wichtig nimmt. Das nicht. Beileibe nicht. Der Mann entwickelt ein Feuer, wenn er über das Projekt redet, das die Vertreter von Bahn und Politik jahrelang vermissen ließen, sofern sie sich überhaupt dazu bereit fanden, über Stuttgart 21 mehr zu sagen, als dass es eben beschlossen und von den Gerichten bestätigt sei. Basta. Nur Günther Oettinger kniete sich rein in die Materie, aber auch das tat der damalige Ministerpräsident erst, als er nach seiner fatalen Filbinger-Rede dringend einen Erfolg brauchte. Und dann war da doch Wolfgang Drexler, der Haudegen von der SPD, der daran glaubt, dass Wohlstand immer noch auch auf Infrastruktur gründet und nicht allein auf die möglichst elegante Handhabung der jeweils neuesten Version des i-Pad.

Für Bahnchef Grube hat Stuttgart 21 zwei Dimensionen. Die eine ist der ist der praktische Nutzen für das Land, insbesondere den Großraum Stuttgart, „eine der wichtigsten Wirtschaftsregionen Deutschlands“. Er schwärmt von zukünftiger Wertschöpfung, neuen Arbeitsplätzen, riesigen Chancen für die Stadtentwicklung – wo doch neuerdings die Menschen wieder vom Land in die Städte drängen. „Es gibt in Deutschland keine Stadt, die ein so tolles Projekt vor der Brust hat.“ Kann man einer solchen Versuchung widerstehen? „Jetzt sage ich mal ganz salopp: Sind wir denn mit dem Klammerbeutel gepudert?“