In Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und im Rems-Murr-Kreis siegen bei der Volksabstimmung eindeutig die Projektbefürworter.

Böblingen - Das ist eine glasklare Entscheidung", hat der Böblinger Landrat Roland Bernhard angesichts des Ergebnisses gejubelt. 64,3 Prozent der Wähler im Kreis votierten gegen das Ausstiegsgesetz. Ihr Lager kam damit auf fast doppelt so viele Stimmen wie die Stuttgart-21-Gegner, die lediglich 35,7 Prozent erreichten.

 

Als überaus erfreulich bewertete der Landrat auch die Wahlbeteiligung. "Wir sind ein Landkreis mit einigen Weltfirmen", für diese Mitarbeiter, von denen viele im Kreis wohnten, sei angesichts der häufigen Staus auf den Straßen besonders das Thema Mobilität wichtig, sagte Bernhard. Stuttgart 21 bringe eine bessere Anbindung an den Flughafen und schnellere Zugverbindungen. Außerdem könne der Kreis nun wieder darauf hoffen, einen ICE-Bahnhof zu bekommen.

In Renningen stimmten am meisten Bürger mit "Ja"

Das Quorum der S-21-Gegner dagegen ist im Kreis nirgendwo erfüllt worden. In Renningen stimmten noch am meisten Bürger mit "Ja" und erzielten 41,8 Prozent. Der Quorumswert lag dort mit 26,7 Prozent am höchsten. Auch Leonberg offenbarte sich als Hochburg der Projektgegner. Immerhin 41 Prozent stimmten für den Ausstieg (Quorumswert: 25,2 Prozent).

Der grüne Landtagsabgeordnete aus Leonberg, Bernd Murschel, führte dieses Resultat auf "die intensive Arbeit seiner Partei" vor Ort zurück. Er erneuerte seine Bedenken gegen Stuttgart 21. Bei den bisherigen Planungen gebe es Nachteile für den S-Bahn- und Regionalzugverkehr. Davon seien vor allem die Gäugemeinden betroffen. "Es dürfen nicht weniger Züge halten, da muss noch nachgebessert werden", forderte Murschel. Wenn der Bürger Stuttgart 21 wolle, "dann machen wir den Bahnhof". Auf jeden Fall aber müsse es einen Deckel auf die Kosten geben. "Es muss bei 4,3 Milliarden Euro bleiben", sagte Murschel.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Paul Nemeth hingegen forderte, dass auch die Grünen nun ohne Wenn und Aber hinter dem Bahnprojekt stehen sollten. "Sie müssen jetzt ihrer vertraglichen Verpflichtung nachkommen, Stuttgart 21 zu bauen", erklärte der Böblinger Landtagsabgeordnete.

Esslingen: Widerstand auf kleiner Flamme

Esslingen - Als im Landratsamt Esslingen die ersten Ergebnisse aus den 44 Städten und Gemeinden eingehen, wird schnell klar: das Bahnprojekt Stuttgart 21 steht zwischen Alb, Schurwald und Filderhöhe auf festem Boden. Rund ein Drittel der zu den Urnen gegangenen Abstimmungsberechtigten hatte dem Projekt eine Absage erteilt, die deutliche Mehrheit aber hatte für den Bau von Stuttgart 21 votiert. Am Ende steht für die Stuttgart-21-Gegner ein Quorumswert von 24,6 Prozent zu Buche - Ziel klar verfehlt.

Im Foyer des Esslinger Landratsamts, wo die ersten Zahlen gegen 18.45 Uhr über die Leinwand flimmern, macht sich derweil Genugtuung breit. Kein Wunder: die rund 20 Neugierigen, die sich auf den Weg in die Kreiszentrale gemacht haben, sind als Stimmungsbarometer kaum geeignet. Zumeist sind es Funktionsträger der Parteien, die sich im Vorfeld für das Bahnprojekt starkgemacht haben. Die Stuttgart-21-Gegner machen an diesem Abend einen weiten Bogen um das Landratsamt. Einer, der in der vordersten Reihe gekämpft hat, ist Andreas Schwarz. Der Kirchheimer Landtagsabgeordnete der Grünen sieht in dem Ergebnis den Auftrag, die direkte Demokratie weiterzuentwickeln und Stuttgart 21 konstruktiv und kritisch zu begleiten. Das Votum, das der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann als "guten Tag für Deutschland und die Wirtschaft" wertet, deutet sein Bundestagskollege Markus Grübel als Auftrag an die Landesregierung, an die Arbeit zu gehen. "Ich hoffe, dass die Gegner in zehn Jahren gern die Trasse benutzen werden", sagt er.

Während auf dem flachen Land wie Neidlingen das Bahnprojekt bis zu 72,7 Prozent Zustimmung gefunden hat, haben die Gegner vor allem auf den Fildern und in Esslingen die Muskeln spielen lassen. Doch weder drunten im Neckartal (44,1 Prozent) noch in Leinfelden-Echterdingen (49,2 Prozent), Ostfildern (41,7 Prozent) und Filderstadt (41,0 Prozent) ist es den Gegnern gelungen, auch nur die Mehrheitshürde bei den abgegebenen Stimmen zu überspringen.

Göppingen: Klares Signal aus dem Täle

Göppingen - Wenn der Vergleich mit dem kleinen gallischen Dorf, das sich den Römern widersetzt hat, angebracht ist, dann gilt er bei der S-21-Volksabstimmung im Kreis Göppingen für die 1000-Seelen-Gemeinde Mühlhausen im Täle. Während das Votum insgesamt mit genau 63 Prozent deutlich für den Weiterbau das Milliardenprojekts ausfiel, sprachen sich in Mühlhausen 55,4 Prozent der Wähler für den Ausstieg aus. Auch der Quorumswert lag mit 35,8 Prozent mit weitem Abstand an der Spitze-dort hätte der Anteil der Jastimmen gereicht.

Bürgermeister Bernd Schaefer bewertet dieses Resultat als deutliches Zeichen, und zwar "nicht gegen Stuttgart 21 insgesamt, sondern gegen die ICE-Trasse und speziell gegen die Brücke über das Filstal". Als Schultes einer betroffenen Gemeinde wundere ihn das Ergebnis nicht. Man müsse aber das Gesamtvotum ebenso akzeptieren wie die Tatsache, dass fast 45 Prozent unserer Bürger für S 21 gestimmt hätten. "Wir sehen diese Abstimmung allerdings als Verpflichtung, in unseren Bemühungen für eine vernünftige Baustellenlogistik, ein sinnvolles Rettungswegekonzept und einen Lärmschutz auf der Brücke nicht nachzulassen", sagte Schaefer der StZ.

Das klarste Nein zum Ausstieg gab es in Böhmenkirch

Der Göppinger Landrat Edgar Wolff, zeigte sich angesichts des kreisweiten 37:63-Resultats "sehr erleichtert". In der Tendenz habe er mit diesem Ausgang zwar gerechnet, nicht aber in der Deutlichkeit, weil er von mehr Gegenwind ausgegangen sei. "Ich bin sehr froh, dass wir jetzt, was den S-Bahn-Ausbau ins Filstal angeht, endlich Planungssicherheit bekommen", fügte Wolff hinzu, der nun auch von einer Befriedung der ganzen Diskussion ausgeht.

Nicht ganz so eindeutig wie auf Kreisebene fiel die Volksabstimmung in den beiden Großen Kreisstädten aus. In Göppingen sprachen sich 41,2 Prozent der Wähler gegen eine Fortführung des Projekts aus, in Geislingen waren es sogar 42,7 Prozent. Noch deutlicher artikulierte sich im Landkreis - von Mühlhausen einmal abgesehen - nur noch Bad Boll mit glatten 48 Prozent. Das klarste Nein zum Ausstieg gab es, durchaus etwas überraschend, in Böhmenkirch (74,7 Prozent), gefolgt von Ottenbach (72,6 Prozent) und Lauterstein (71,0 Prozent). Als absolut repräsentativ, zumindest was den Kreis Göppingen angeht, dürfen sich Heiningen und Ebersbach (jeweils 37:63) fühlen.

Ludwigsburg: Hoffnung auf Ruhe und Frieden

Ludwigsburg - Das Votum im Kreis Ludwigsburg ist eindeutig: Mehr als 61,6 Prozent der Wähler sind dafür, das Projekt Stuttgart 21 fortzusetzen. Nur 38,4 Prozent votierten dagegen. Damit gab es weder die Mehrheit für den Ausstieg aus dem Projekt noch wurde das Quorum von einem Drittel der Jastimmen erreicht: Mit 23,2 Prozent wurde es im Kreis klar verfehlt.

Die meisten Gegner des Tiefbahnhofs gibt es in der Stadt Ludwigsburg: Dort lehnten 44,5 Prozent der Wähler das Projekt ab, 55,5 Prozent sind dafür. Auch wenn dort die größte Zahl der Projektgegner auszumachen ist, so kann auf den Landkreis bezogen nicht generell von einem Stadt-Land-Gefälle gesprochen werden. Gibt es doch in Erdmannhausen und Freudental ebenfalls mehr als 40 Prozent der Wähler, die das Projekt ablehnen. Gleichzeitig befürworten im Stuttgart-nahen Remseck satte 65,5 Prozent das milliardenteure Großvorhaben. Und sogar in der Stadt Asperg, in der die Grünen seit der Kommunalwahl die größte Gemeinderatsfraktion stellen, sind überdurchschnittliche 62,3 Prozent dafür.

Von der geringen Wahlbeteiligung enttäuscht

Die Oberbürgermeister von Ludwigsburg und Bietigheim-Bissingen, Werner Spec (Regionalrat für die CDU) und Jürgen Kessing (SPD, Regionalrat) hoffen nun, dass die Projektgegner das Ergebnis akzeptieren und es zur Befriedung beiträgt. "Ich hoffe, dass Ruhe und Frieden einkehren", sagte Kessing. "Besser es wird weitergebaut als zehn Jahre Stillstand", sagte Spec. Rainer Haas (parteilos), als Landrat auch Kreiswahlleiter, ist von der geringen Wahlbeteiligung überrascht. "Ich hätte mehr Mobilisierung erwartet", sagte er. Die Beteiligung im Kreis lag bei 60,6 Prozent und damit 11,8 Prozentpunkte unter der bei der Landtagswahl im März.

Haas, dessen Kreis zehn Millionen Euro zu dem Projekt beisteuern muss, hat ein eher distanziertes Verhältnis zu dem Vorhaben. Denn es heiße ja immer, technisch sei alles machbar, aber letztlich sei das Machbare auch immer eine Kostenfrage. Insofern ist der als Optimist geltende Haas ein Skeptiker. "Ich bin gespannt, wer in zehn, 15 Jahren recht behält."

Rems-Murr-Kreis: Einheitliches Meinungsbild

Rems-Murrr-Kreis - Großerlach, Kaisersbach und Kirchberg an der Murr-die kleinen Gemeinden im Norden des Rems-Murr-Kreises haben am Sonntagabend gegen 18.30 Uhr die ersten Ergebnisse des Volksentscheids über Stuttgart 21 geliefert. Zwei Drittel Nein-, ein Drittel Jastimmen, so lautete der überraschend deutliche Trend, der zunächst exakt gleich blieb, auch als gegen 19 Uhr die ersten zehn der 31 Kommunen ihre Zahlen vorgelegt hatten. Eine stabile Mehrheit also für das umstrittene Bahnhofsprojekt in Stuttgart - zumindest als vorläufiges Stimmungsbild aus den eher ländlich geprägten Bereichen.

Dort kommen die deutlichsten Ergebnisse pro Tiefbahnhof aus Auenwald und Berglen mit jeweils mehr als 70 Prozent Neinstimmen. Aber auch in jenen Kommunen, in denen der Protest gegen die teuren Baupläne recht laut und aktiv artikuliert worden war, zum Beispiel in Kernen, rissen die Projektgegner zunächst nicht einmal die 40-Prozent-Hürde.

Keine Ausreißer in die eine oder andere Richtung

Das schafften am Ende nur die Waiblinger mit 40,6 Prozent Jastimmen bei 59,4 Prozent an Projektbefürwortern. Der sogenannte Quorumswert - also der Anteil der Jastimmen an der Gesamtzahl der Stimmberechtigten - blieb aber auch in der Kreishauptstadt unter 25 Prozent. Womit sich das Gesamtergebnis im Rems-Murr-Kreis gegen 19.30 Uhr nur leicht entfernt vom anfänglichen Trend in den nördlichen Kreisgemeinden eingependelt hat: bei 63,5 Prozent Neinstimmen und lediglich 36,5 Prozent Jastimmen zum Ausstiegsgesetz der Grün-Roten-Koalition. Beim Quorumswert, der kreisweit bei 22,0 Prozent liegt, hat am Ende Winterbach die Nase mit 26,9 Prozent die Nase vorn. Selbst dieser Wert bleibt aber weit entfernt von den 33 Prozent aller Stimmberechtigten, die auch bei einer Mehrheit für die Projektgegner für den Erfolg nötig gewesen wären.

Letztlich ergibt sich beim Volksentscheid über das umstrittene Bahnhofsprojekt im Rems-Murr-Kreis nicht nur ein deutliches, sondern auch ein recht einheitliches Bild. Es gibt keine heftigen Ausreißer in die eine oder andere Richtung.