Die Fraktionsvorsitzenden von Grünen, CDU, SPD und FDP sind sich einig: Die Stadt Stuttgart wird sich an etwaigen Mehrkosten nicht beteiligen.

Stuttgart - Kurz vor der Volksabstimmung haben die Parteienvertreter in Stuttgart noch einmal sachlich für und gegen Stuttgart 21 votiert und deutlich gemacht, dass sich die Stadt nicht an Mehrkosten beteiligen werde. Objektivität und Transparenz hätte man auch von der Landesregierung erwartet, hatten bekanntlich Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, Regionalpräsident Thomas Bopp und Regionaldirektorin Jeannette Wopperer (beide CDU) dem Ministerpräsidenten geschrieben.

 

Winfried Kretschmann (Grüne) hat nun mit einem geharnischten Brief reagiert, in dem er speziell OB Schuster rüffelt. Der Vorwurf, nicht objektiv zu sein, erscheine ihm "insbesondere mit Blick auf Ihr Informationsschreiben doch einigermaßen fragwürdig". Schuster hat, wie berichtet, in einer rund 130.000 Euro teuren Postwurfsendung an die Haushalte in der Stadt für Stuttgart 21 geworben.

Kretschmanns Parteifreunde an der Spitze des Kreisverbandes, Petra Rühle und Philipp Franke, sind sich indes sicher, "dass die Mehrheit für den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung stimmt". Die vielen Anträge auf Briefabstimmung seien ein gutes Zeichen. Die Stuttgarter Grünen wünschen sich, dass nach dem Sonntag "der Weg für Kopfbahnhof 21 und damit für einen zukunftsfähigen Schienenverkehr im Land" frei ist. Einen Widerspruch erkennt Rühle in der Argumentation von Bahn-Chef Grube. Er sage, das Projekt bleibe im Kostenrahmen, versuche aber, "die angeblich nicht vorhandenen Mehrkosten einem anderen Projektpartner zuzuschieben".

 "Murks bleibt Murks"

Der Grünen-Fraktionschef im Gemeinderat, Peter Pätzold, erwartet am Sonntag "in der Landeshauptstadt eine deutliche Mehrheit für das Ausstiegsgesetz". Was aber bedeute ein Ja zum Ausstieg für das Projekt, das angeblich keinen Ausstieg mehr zulasse, und wie gehe man damit um, wenn sich eine deutliche Mehrheit für den Ausstieg ausspreche, das Quorum aber verfehlt werde?

Pätzold erwartet im Falle des Weiterbaus eine Fortsetzung des kreativen Protests, denn "Murks bleibt Murks". Und: "Die Mehrkosten für Land, Region und Stadt werfen ihre Schatten voraus." Er sei gespannt, wie die Befürworter von S21 im Gemeinderat und OB Schuster in einem solchen Fall reagieren würden.

Der CDU-Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann ist indessen überzeugt davon, dass die Mehrheit mit Nein stimmen werde. Er verweist auf die von der Bahn benannten hohen Ausstiegskosten von 1,5 Milliarden Euro und vertraut auf Kretschmanns Aussage, dass die Landesregierung das Baurecht der Bahn im Falle des Scheiterns des Kündigungsgesetzes durchsetze. Er geht fest davon aus, dass das Ergebnis akzeptiert und die Intensität des Streits abnehmen werde. Für den Fall von Mehrkosten gebe es die Sprechklausel. Er rate als Jurist, Verträge einzuhalten.

 "Ein Glück für alle, die Parks lieben"

Sein Parteifreund, der CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, lehnt es allerdings ab, dass die Stadt ihre Zahlungen aufstockt. Mehrkosten seien allein Sache des Bauherrn Bahn. Für ihn sind alle offenen Fragen zum Projekt in der Schlichtung beantwortet worden. Die Bürger seien mehrheitlich für S21, weil sie nun auch die städtebauliche Chance erkennen würden.

"Die von den Gegnern unbegründet ins Feld geführten Gefahren" hätten weitgehend beseitigt werden können. Kotz hofft auf eine Befriedung, mache sich allerdings keine Hoffnungen, "dass das illegale Zeltlager im Schlossgarten freiwillig geräumt wird". Das Land müsse diesen "unerträglichen rechtsfreien Raum auflösen".

"Ich rechne kurz- und mittelfristig nicht mit einer Befriedung", sagt FDP-Fraktionschef Bernd Klingler. Schließlich hätten die S-21-Gegner schon angekündigt, ein unerwünschtes Ergebnis nicht zu akzeptieren. Was die Übernahme von Mehrkosten angeht, hält er es wie CDU-Chef Kotz und Roswitha Blind: Die Stadt gebe nichts. Die SPD-Fraktionschefin begründet den Umbau des Bahnknotens damit, dass der Verkehr umweltverträglicher werden müsse. Durch S21 verkürzten sich die Reisezeiten erheblich. Jenseits der Wolframstraße werde der eingezwängte Schlossgarten doppelt so breit wie heute: "Ein Glück für alle, die Parks lieben." Sie gehe davon aus, dass die Bürger das Ergebnis der Abstimmung akzeptierten. Wenn die Proteste weitergingen, dann allenfalls "auf kleiner Flamme".