Streit um den Stuttgarter Bahnhof stößt anderswo in Baden-Württemberg auf nur geringes Interesse.

Karlsruhe/Stuttgart - Stellen Sie sich vor, es ist Volksabstimmung und keiner geht hin. Dieses Szenario könnte in Karlsruhe Realität werden. Denn den meisten Bewohnern der Fächerstadt, in der zurzeit die Straßenbahn unter die Erde verlegt wird (U-Strab), ist der Streit um den Stuttgarter Bahnhof schlicht egal. Wer sich unter Passanten umhört, erntet häufig die Gegenfrage: „Was geht uns das an?“ Mehrere Initiativen und auch Oberbürgermeister Heinz Fenrich (CDU) versuchen deshalb, die Lust an der Abstimmung zu wecken - wenn auch aus unterschiedlichen Motiven.

 

Die Karlsruher Großbaustellen für die U-Strab spielen den Stuttgart-21-Gegnern kaum in die Hände. Die meisten Initiativen, die sich damals gegen das mehr als 600 Millionen Euro teure Großprojekt einsetzten, sind inzwischen aufgelöst. Viele haben mit der U-Strab ihren Frieden geschlossen - wie der Informatiker Felix Schmidt-Eisenlohr, der seit Monaten in der Fächerstadt für den Ausstieg aus Stuttgart 21 wirbt. „Das Karlsruher Projekt hat ja wenigstens noch eine verkehrlichen Sinn, auch wenn es bestimmt teurer wird und man vieles hätte besser machen können.“

Schmidt-Eisenlohr gehört zur Initiative „Baden unterstützt: Oben Bleiben! - Kein Stuttgart 21!“. Vor wenigen Tagen hat sie sich mit andere Gruppen zusammengeschlossen, um die Bürger in den kommenden Wochen auf der Straße für die Volksabstimmung zu motivieren. Mit dabei sind die üblichen Verdächtigen: Grüne, Freie Wähler, Piratenpartei und Linke sowie die regionalen Verbände des BUND und des Verkehrsclubs Deutschland.

"Nach dem Regierungswechsel ist die Verkrampftheit abgefallen“

Vor der Landtagswahl war das Interesse an dem Thema laut Schmidt-Eisenlohr wesentlich größer. „Aber die Debatten wurden auch wesentlich heftiger geführt. Nach dem Regierungswechsel ist die Verkrampftheit abgefallen.“ Viele Menschen, die an die Infostände kämen, seien sehr aufgeschlossen. „Aber ob das reicht, damit sie am 27. November ihre Stimme abgeben, lässt sich schwer einschätzen.“

Das Bündnis ist sich in seinen Zielen auch keineswegs einig. Der Verkehrsclub etwa und der Regionalverband Pro Bahn werben zwar auch für ein Ja zum Ausstieg mit allen Konsequenzen. „Etwaige Kosten, die auf das Land Baden-Württemberg zukommen könnten, dürfen dabei keine Rolle spielen.“ Aber sie bevorzugen die Kombilösung des Schlichters Heiner Geißler mit verkleinertem Kopfbahnhof und unterirdischem Anschluss für den Fernverkehr.

Gegenwind bekommen sie vom Karlsruher Oberbürgermeister Fenrich, der auch die Initiative „Magistrale für Europa“ leitet. Er versucht, den Bürgern zu vermitteln, dass Stuttgart 21 und die damit verbundene Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm für sie durchaus Bedeutung haben. „Wenn heute der TGV mit 80 Kilometern die Steig hinauffährt, dann ist klar, warum er von Karlsruhe nach München genauso lange braucht wie nach Paris, obwohl es dorthin die doppelte Wegstrecke ist.“

"Ich hoffe, dass sich viele Menschen an der Volksabstimmung beteiligen"

Stuttgart 21 sei sinnvoll, verfüge über die notwendigen Genehmigungen und sei finanziert. Insofern gebe es keinen Grund, das Projekt nicht umzusetzen. „Wenn Stuttgart 21 nicht kommt, kommt über Jahrzehnte gar nichts.“ Er stehe ohne Wenn und Aber zu diesem wichtigen Bahnprojekt. „Ich hoffe, dass sich viele Menschen an der Volksabstimmung beteiligen.“

Allerdings könnte gerade die Nichtbeteiligung den Stuttgart-21-Freunden in die Hände spielen. Schmidt-Eisenlohr zumindest befürchtet, dass sich bei der Abstimmung zwar die Mehrheit für den Ausstieg aus dem Großprojekt entscheidet, aber das notwendige Quorum von 33 Prozent nicht zustande kommt. Damit könne der umstrittene Bahnhof dann gebaut werden - „aber zur Befriedung wird das nicht beitragen“.

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