Gregor Gysi wirbt vor der Parteibasis für ein Ja zum Ausstieg des Landes aus der Mitfinanzierung des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21.
Stuttgart - Die Linke hat am Mittwochabend im Stuttgarter Gewerkschaftshaus ihren Wahlkampf für die Volksabstimmung zum Thema Stuttgart 21 eröffnet. Aus Berlin war eigens der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, eingeflogen, um vor der Parteibasis Werbung für ein Ja zum Ausstieg des Landes aus der Mitfinanzierung des umstrittenen Bahnprojekts zu werben. Gysi lobte den "rebellischen Zeitgeist", den die Schwaben im Protest gegen das Milliardenvorhaben entwickelt hätten und von dem andere Bundesländer lernen könnten.
Zugleich schlug er den Bogen zur Banken- und Eurokrise und zog Parallelen zwischen der Debatte über den Austritt Griechenlands aus der Eurozone und dem Streit über den geplanten Tiefbahnhof: Bei beiden Themen seien die Regierenden auf einem "falschen Weg", postulierte der Fraktionschef. Der Volksentscheid, den der griechische Ministerpräsident Papandreou über den von Europa initiierten finanziellen Rettungsschirm anberaumen will, könne Europa je nach Ausgang nachhaltig verändern. Ähnliche Effekte sieht Gysi auch durch die Volksabstimmung zum Thema Stuttgart 21. Selbst wenn nur in der Region Stuttgart eine Mehrheit für den Projektausstieg des Lande votiere, müsse sich die grün-rote Landesregierung "moralisch" an dieses Ergebnis gebunden fühlen.
Gysi kritisiert das hohe Quorum im Land
Stuttgart 21 ist für die Galionsfigur der Linken ein Symptom der kapitalistischen Finanzstruktur, die es zu bekämpfen gelte: "Es geht bei Stuttgart 21 längst nicht mehr um verkehrliche Fragen, sondern um die Großunternehmen, die davon profitieren wollen", wetterte er unter dem Beifall der rund 400 Zuhörer und fügte hinzu: "Die Zeit, wo die Politik nur auf die Lobbyisten hört, ist vorbei."
Gysi kritisierte zwar das hohe Quorum von 33 Prozent in Baden-Württemberg, machte den Stuttgart-21-Gegnern aber zugleich Mut. Auch in Berlin habe es mehrere Abstimmungen gegeben, die überraschend ausgegangen seien. Er nannte den Bürgerentscheid über die Einführung des Ethikunterrichts an Schulen sowie über den Flughafen Tempelhof. Sein Optimismus im Blick auf den 27. November bezieht Gysi auch auf die komplexe Abstimmungsfrage: "Ich hoffe, dass viele Projektbefürworter versehentlich mit Ja stimmen werden."