Volksbank-Chef Jörg Niethammer „Ernten jetzt die Früchte von vor fünf Jahren“

Jörg Niethammer in seinem Vorstandsbüro Foto: Stefanie Schlecht

Chef einer der größten genossenschaftlichen Banken in der Region, den Vereinigten Volksbanken, ist seit einem Jahr Jörg Niethammer. Er hat gute Nachrichten für die Kunden.

Böblingen: Jan-Philipp Schlecht (jps)

Seit einem Jahr führt Jörg Niethammer die Vereinigten Volksbanken, eine der größten genossenschaftlichen Banken im Land. In den zwölf Monaten ist mehr passiert, als gedacht. Zum Beispiel eine erfolgreiche Fusion mit der VR-Bank Magstadt-Weissach.

 

Herr Niethammer, das erste Jahr auf der Kommandobrücke der Vereinigten Volksbanken ist rum: Lässt es sich in einem Satz zusammenfassen?

Ich würde es mal so formulieren: Von allem etwas dabei.

Gab es trotzdem etwas, das unvorhergesehen kam?

Das Gefühl in letzter Verantwortung zu stehen und die ultima ratio zu sein, ist dann doch noch mal ein anderes. Am Ende schauen eben alle zu dir. Früher konnte ich woanders hingucken, das kann ich jetzt nicht mehr. Natürlich habe ich darum gewusst, sonst wäre ich für die Position auch nicht geeignet gewesen.

Vor wenigen Tagen konnten Sie einen Knopf an die Fusion mit Magstadt-Weissach machen. Das war vor einem Jahr so nicht absehbar.

Nach den gescheiterten Gesprächen mit der Volksbank Stuttgart hat sich schnell gezeigt, dass wir mit Magstadt-Weissach schon allein regional gut zusammenpassen. Für uns war es eher eine Überraschung, dass sie sich Richtung Stuttgart orientiert hatten. Währenddessen haben wir uns natürlich zurückgehalten. Tatsächlich kam aber bereits im August 2024 schon die Anfrage nach personeller Unterstützung in einem Fachbereich, die wir gerne geleistet haben. Daraus wurde dann eine vertiefte Zusammenarbeit und schließlich eine erfolgreiche Fusion.

Schnell stellt sich jetzt die Frage nach der Situation im Vorstand des Juniorpartners.

Beide Vorstände in Magstadt-Weissach sind noch nicht lange im Amt. Es ist ihre Aufgabe, die Zukunftsfähigkeit der Bank sicherzustellen. Zu Recht haben sie eine Fusion angestrebt. Vorstand Klaus Vikuk wird in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Und Mirco Kübler seine Tätigkeit in einem Beratungsunternehmen wieder aufnehmen, die er als Vorstand hat ruhen lassen. Es war von Anfang an klar, dass beide nicht dauerhaft im Unternehmen tätig sein würden.

Auch auf der operativen Ebene sind solche Zusammenschlüsse oft mit Veränderungen verbunden, insbesondere beim Juniorpartner.

In der Tat kommt da einiges auf uns zu, da wir in Magstadt und Weissach andere Prozesse und andere Standards etablieren werden. Wir sehen uns aber gut vorbereitet und streben mit den neuen Kollegen dafür eine Mischung aus Hospitanzen und Schulungen an. Vorab haben wir das Team dort zu unserem Sommerfest eingeladen in die Eselsmühle. Das kam gut an!

Volksbank-Gebiete Foto: Bezirksvereinigung

Wie ist die Stimmung in der Belegschaft dort?

Es gibt viele positive Rückmeldungen, wie toll wir die Kollegen schon jetzt aufgenommen hätten. Für viele ist es eine neue Zukunftsperspektive. Bei uns gibt es keine Nummern! Jeder und jede ist uns wichtig. Vereinzelt haben aber dort auch bereits im Vorfeld der Beschlüsse Mitarbeiter gekündigt, das gehört auch zur Wahrheit.

Wie genau schaut man jetzt auf die Standorte beziehungsweise das Filialnetz?

Die VR-Bank betreibt in Magstadt, Weissach sowie in Nussdorf im Kreis Ludwigsburg noch einen Standort. Diese Standorte sollen erhalten bleiben. Wir prüfen unsere Filialstruktur regelmäßig, das ist klar. Aber ich kann Sie beruhigen: Wir haben gerade gar nicht vor, eine Filiale zu schließen.

Wenn man eine so große Bank führt, gibt es Unterschiede in den strategischen Schwerpunkten. Was ist Ihnen besonders wichtig?

Mir liegt das Kundengeschäft besonders am Herzen. Andere, nicht-genossenschaftliche Häuser spekulieren vielleicht am Aktienmarkt – und verdienen womöglich sogar mehr. Aber wir haben eine klare Ausrichtung auf unsere Kunden und daran werden wir nicht rütteln.

Die Unterschiede zwischen Banken sind ja nicht so leicht erkennbar. Ein Kriterium ist die Aktiv- oder Passivlastigkeit, also ob man stärker oder schwächer im Kreditbereich investiert ist.

Die Vereinigten Volksbanken waren lange Zeit eher passivlastig, heißt: mehr Einlagen als Kredite. Doch durch die konsequente Ausrichtung auf das Kundengeschäft sind wir mittlerweile ziemlich ausgeglichen. Das Kundengeschäft macht mittlerweile drei Viertel unserer Aktivseite aus, die Fusion mit Reutlingen hat ihren Teil dazu beigetragen. Das bringt uns Wachstum, wir ernten also jetzt die Früchte, die wir vor fünf bis sechs Jahren gesät haben.

Stichwort Führungsstil: Jeder Chef oder jede Chefin hat einen anderen. Wie hat sich der durch den Wechsel an der Spitze geändert?

Mitarbeiter berichten davon, dass sie bei mir eine gewisse persönliche Nahbarkeit spüren. Auch in der Zusammenarbeit. Ob sich da jetzt wirklich viel geändert hat, glaube ich nicht. Das ist mir tatsächlich wichtig, dass die Bereiche besser zusammenwachsen. Gleichwohl braucht es eine Klarheit in der Führung.

Niethammer bei der Vertreterversammlung Foto: Volksbanken/Paul Link

War das unter Wolfgang Klotz anders?

Nein. Er hat das Haus mit Weitsicht geführt und modern aufgestellt, keine Frage. Dieser Prozess des Zusammenwachsens ist noch unter ihm angestoßen worden. So wurde zum Beispiel im Januar 2024 flächendeckend das „Du“ eingeführt, und 95 Prozent der Mitarbeiter finden das gut. Außerdem hat er frühzeitig Kontrolle ab- und Fäden aus der Hand gegeben. Es war demnach kein harter Schnitt von ihm zu mir.

Wir haben auf das erste Jahr zurückgeblickt, was wird im kommenden wichtig?

Möglichst noch mehr Menschen von unserem Mehrwert zu überzeugen, als regionale Bank, also „Meine Bank, die Heimat lebt“, nah an ihnen dran zu sein und uns mit Freude um ihre finanziellen Anliegen zu kümmern. Das ist unsere tägliche Anstrengung, die wir mit Leidenschaft angehen. Wir stehen in einem intensiven Wettbewerb. Das hat schon ein bisschen was von „Schuster, bleib bei Deinen Leisten.“ Weiter bleibt der Fachkräftemangel ein Thema, wobei es hier im letzten Jahr eine erfreuliche Entwicklung gab: Wir hatten eine geringere Fluktuation und außerdem mehr Neueinstellungen.

Zur Person: Jörg Niethammer

2000 – 2003
durchläuft Jörg Niethammer seine Ausbildung und Trainee zum Privatkundenbetreuer.

2003 – 2006
steigt er in die Assistenz des Vorstands auf, 2008 wird er Filialdirektor.

2015
wird Niethammer Regionaldirektor Privatkunden.

2016
dann Generalbevollmächtigter und Direktor Filialkunden.

seit 2019
ist er Mitglied des Vorstands und übernahm am 1. Juli 2024 den Vorsitz von Wolfgang Klotz.

In seiner Jugend
war Jörg Niethammer erfolgreicher Leichtathlet: Im VfL Sindelfingen holte er mehrere Landesmeistertitel und sprintete sogar 1997 bei der Junioren-WM in Lubljana in der deutschen Nationalstaffel. Seine Spezialität war die 400-Meter-Distanz.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Fusion Infografik