Volksentscheid Baden-Württemberg hinkt hinterher

Im Südwesten konnten die Bürger noch nie direkt über ein Gesetz abstimmen. Andere Bundesländer können schon mehr Erfahrung vorweisen.
Stuttgart - Für Baden-Württemberg ist die Volksabstimmung über Stuttgart 21 ein Novum, andere Bundesländer können schon mehr Erfahrung vorweisen. Zumal seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahren ist es quer durch die Republik zu einer Reihe von Volksentscheiden gekommen - so der in den Verfassungstexten gebräuchliche Begriff. Von Volksabstimmung ist nur im Südwesten die Rede. Wobei es sich im Fall von Stuttgart 21 genau genommen um ein Referendum handelt, also um eine Gesetzesvorlage, welche die Regierung den Bürgern zur Entscheidung vorlegt.
Die Landesverfassung lässt auch Volksbegehren zu, die aus der Mitte der Bürgerschaft heraus organisiert werden. Ein solches Volksbegehren muss in einem Gesetzentwurf gefasst werden, den der Landtag annehmen oder einer Volksabstimmung zuführen kann. Allerdings sind die Hürden so hoch, dass diese Verfassungsregel bisher blanke Theorie blieb. Denn die Initiatoren müssten binnen zwei Wochen 16,6 Prozent der Wahlberechtigten - fast 1,3 Millionen Menschen - mobilisieren.
Der Eintrag in die Unterschriftenlisten ist nur in Ämtern möglich. Kommt es zur Volksabstimmung, bedarf es nicht nur einer Mehrheit für die Annahme des Gesetzes, sondern zugleich auch der Zustimmung eines Drittels der Wahlberechtigten. Das sind etwa 2,5 Millionen Baden-Württemberger. Die Nuss ist schwer zu knacken.
Der bayerische Landtag lehnte das Volksbegehren ab
Dass dies nicht zwingend so sein muss, zeigt das Beispiel Bayern, wo im vergangenen Jahr der Volksentscheid für einen strengen Nichtraucherschutz die Luft in den zahlreichen zu "Raucherclubs" umetikettierten Wirtshäusern des Landes reinigte. Der bayerische Landtag lehnte das Volksbegehren ab, im anschließenden Volksentscheid setzten sich die Befürworter eines strikten Rauchverbots jedoch durch. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 38 Prozent, was 3,5 Millionen abgegebenen Stimmen entsprach. 61 Prozent votierten für das Volksbegehren, 39 Prozent dagegen.
Da für gewöhnliche Gesetze - in diesem Fall das Gesundheitsschutzgesetz - in Bayern kein Zustimmungsquorum gilt, erlangte das Volksbegehren Gesetzeskraft. In Baden-Württemberg wäre es am Quorum gescheitert, da lediglich knapp 23 Prozent der Wahlberechtigten für den Gesetzentwurf stimmten.
Für den verfassungsändernden Volkswillen sieht aber auch Bayern ein Quorum vor; es liegt bei 25 Prozent. Dass diese Hürde überwindbar ist, bewies der Volksentscheid zur Abschaffung des bayerischen Senats im Jahr 1998. Damals kippten die Bayern sogar ein Verfassungsorgan: den ständestaatlich organisierten und deshalb als undemokratisch und außerdem als unnütz, weil weitgehend machtlos kritisierten Senat, der neben dem Landtag als zweite Kammer fungierte.
Dort saßen die Abgesandten von Landwirtschaftsverbänden, Industrie, Gewerkschaften, freien Berufen, Hochschulen, Religionsgemeinschaften und anderen Gruppen. Für die Abschaffung votierten knapp 28 Prozent der Wahlberechtigten. Das waren fast 70 Prozent der abgegebenen Stimmen. Der Senat hauchte sein Leben aus. Bayern aber existiert noch
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