Das Dirndl hat trotz Corona Saison. Wer Tracht jetzt kauft, spart bis zu 50 Prozent. An Ersatzveranstaltungen zum Volksfest mangelt es in Stuttgart nicht. Unser Kolumnist appelliert: Beim Wasen light bitte vorsichtig sein!

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Vor der Pandemie haben, wie Angermaier-Chef Axel Munz verrät, bis zu jeweils 150 Kundinnen und Kunden täglich seine Tracht-Boutiquen in Stuttgart oder München besucht. „Heute sind es fünf bis zehn“, sagt der 68-Jährige, der als Ausbund an guter Laune bekannt ist. In diesem Herbst hat er Sorgenfalten bekommen. Aber die Reserven sind beim Branchen-Primus groß genug, um ihm nicht die Freude am Spaß zu vermiesen. Dass er seine Filiale an der Eberhardstraße Corona-bedingt schließt, wie in der Stadt gemunkelt wird, sei ein Gerücht, versichert Munz: „Wir variieren nur die Öffnungszeiten.“ Geöffnet war zuletzt nur freitags und samstags. Nächste Woche aber gehe es „normal“ weiter.

 

Im Trend sind „Froschgoscherl“

Wer jetzt Dirndl oder Lederhosen kauft, um etwa beim Mini-Wasen oder bei den etlichen Ersatzveranstaltungen quer durch Stuttgart bella figura zu machen, spart Geld. In der Galerie Kaufhof etwa sind die Preise für Tracht „um 30 Prozent“ reduziert. Eine Sonderverkaufsfläche fürs Bierfest gibt es in diesem Jahr hier nicht. Das Angebot ist kleiner, im normalen Modebereich integriert. Dennoch kämen mehr Kundinnen als erwartet, sagt die Verkäuferin, weil man neuerdings auch hierzulande gern Zünftiges außerhalb der Festzelte trägt. Bei Krüger gibt’s sogar Preisnachlässe von bis zu 50 Prozent.

Breuninger hält im Stammhaus an einer Extra-Präsentation der Trachtenmode im dritten Obergeschoss fest. „Unsere Preise reichen von günstig bis exklusiv“, heißt es. Die Stuttgarter Dirndl-Designerin Kinga Mathe stimmt nicht mit ins Klagelied vieler Unternehmen im Corona-Jahr ein. „Meine Geschäfte sind zum Glück gut“, sagt sie. Im Trend 2020 sind „Froschgoscherl“, wie man die Zickzack-Rüschen so schön lautmalerisch nennt.

Kinga Mathe verzichtet auf das „teuerste Dirndl der Welt“

Auf das „teuerste Dirndl der Welt“, mit dem ihr seit Jahren ein Stammplatz in Klatschspalten gehört und das sie von Promifrauen (von Babs Becker bis Sandy Meyer-Wölden) tragen lässt, verzichtet Kinga Mathe in dieser Saison. Wenn viele Deutsche in Kurzarbeit sind und Solo-Selbstständige ums Überleben kämpfen, wäre ein 50 000 Euro teures, mit Diamanten behangenes Kleidungsstück eher eine Provokation als eine guter PR.

Volksfestwirtin Sonja Merz, deren Dienstkleidung im Herbst das Dirndl ist, hat sich in diesem Jahr kein neues Tracht-Outfit gekauft. Das Geld investiert sie lieber in den Air Guard, in einen Luftreiniger, der Viren fast auf Null minimieren soll. Am Freitag stellt sie das Hygienekonzept ihrer „Mini-Version des Wasens“ im Biergarten des Schlossgartens vor. Eine Almhütte ließ sie aufbauen, in der maximal 100 Personen unter Einhaltung der Corona-Richtlinien feiern können, also mit Abstand zwischen den Tischen. Vom Nageln bis zum Sägen, vom Vesper-Brett bis zum Champagner – für vieles, was man aus Bierzelten kennt, ist gesorgt. Getanzt und gesungen wird nicht. Ob die Gäste in Tracht erscheinen sollen? „Sie können, müssen aber nicht“, antwortet Sonja Merz. Corona sorgt, aus guten Gründen, für viele Verbote, da will man sich nicht auch noch die Kleidung vorschreiben lassen.

Das erste Fass wird am Samstag auf dem Skybeach angestochen

Wasen light gibt’s an weiteren Stellen der Stadt: ob auf dem Skybeach des Kaufhof-Daches im Bayernflair (dort ist der Anstich des ersten Fasses aus München an diesem Samstag, dem eigentlichen Wiesn-Starttag), beim Business Club mit Promiwirt Jörg Mink vor dem Schloss Solitude oder beim Partyfloß auf dem Neckar. Unter dem Motto „Zwei Halbe sind auch ein Maß“ lädt darüber hinaus vom 25. September bis zum 11. Oktober Volksfestwirt Michael Wilhelmer in Lauben vor seinen Lokalen Schlachthof, Stäffele und Amici ein. Sein Kollege Hans-Peter Grandl indes hält sich beim Mini-Wasen raus. Entweder ganz oder gar nicht, scheint seine Devise zu sein.

Wenn der Kleine Schlossplatz zum „Ersatz-Eckensee“ wird

Für ein bisschen Wasenstimmung sorgen seit Wochen Schausteller quer durch die City mit ihren bunten Volksfestbuden. Die Betreiber an zentralen Stellen der Königstraße sind äußerst zufrieden und berichten von starken Umsätzen am Wochenende. Problematisch seien allerdings, ist zu hören, die Nächte am Samstag, wenn der Kleine Schlossplatz schon mal zum „Ersatz-Eckensee“ werde. Junge Leute würden ihren „Sprit“ mitbringen.

Darin liegt die Gefahr. Hoher Alkoholkonsum ist immer ein Problem, in der Coronazeit noch mehr. Sollten die Gäste beim Mini-Wasen unvorsichtig sein und sich anstecken, würde die gesamte Stadt von den Folgen getroffen. Dann dürften neuen Einschränkungen kommen, und womöglich würde der Weihnachtsmarkt ganz gestrichen.