Der Volkskundler Gustav Schöck hat gesammelt, was Sprache, Musik oder schwäbische Sagen zusammenhält.

Stuttgart-Vaihingen - Volkskunde ist mit einer Pflanze vergleichbar“, sagt der langjährige Leiter der Landesstelle für Volkskunde, die zum Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart gehört. Am Beispiel einer Begonie, die auf der Fensterbank in seinem Haus in Rohr in der Sonne steht, erklärt er, was damit gemeint ist: Die Volkskunde ist das Zentrum, die Blütenblätter, die an dieses Zentrum andocken, sind Wissenschaften wie die Germanistik, die Theologie, die Geographie, die Musik und viele mehr. Gerade diese Vielfalt, die in seinem Fachgebiet vorherrscht, hat Gustav Schöck immer interessiert.

 

In die Wiege gelegt worden war ihm der Beruf nicht: Der Bauernsohn verdankt es lediglich einem Volksschullehrer, dass er die Höhere Schule besuchen durfte. Die Zeit auf dem altsprachlichen Internat in Maulbronn brachte ihn zunächst zur Altphilologie, doch bald war klar, dass ihn die Fragen des Alltags weit mehr interessierten.

Aus „passer le temps“ wird „bassledo“

Fragen, die von außen an ihn herangetragen wurden: Der alte Bauer im Dorf, der ihn fragte, warum man früher zum Heiraten eine Erlaubnis brauchte. Die Begegnung mit einem alten Schwaben, der ihm mundartliche Überlieferungen erklären konnte. Ein Lehrer, der beiläufig von Wörtern sprach, die vom Französischen ins Schwäbische übergegangen sind – wie „bassledo“, das aus „passer le temps“ (Zeitvertreib) hervorgegangen ist.

Eine Ausstellung im Ludwig-Uhland-Institut in Tübingen über Bräuche im Jahreslauf lockte ihn schließlich zu einem Studium dort – und letztlich zur Landesstelle für Volkskunde nach Stuttgart, wo er sich lange Jahre so unterschiedlichen Themen wie dem Bedeutungswandel von Sängerfesten oder dem Ursprung von Ortsnamen widmete. Gelegentlich wurde er sogar um Mithilfe gebeten, wenn zwei Orte zusammengelegt wurden und sich die Bürger auf einen neuen Namen einigen mussten.

Er schöpft oft aus der eigenen Familiengeschichte

Was braucht es seiner Meinung nach, um ein kundiger Volkskundler zu sein? „Hilfreich sind ein gutes Gedächtnis und die Fähigkeit, in Zusammenhängen zu denken“, sagt Gustav Schöck, „es geht immer darum, was die Menschen im Alltag bewegt.“

Bei seiner Forschung schöpfte er oft auch aus der eigenen Familiengeschichte. Seine Jugend verbrachte er auf einem Aussiedlerhof – und über Aussiedlerhöfe schrieb er seine Dissertation. Zum Verständnis: Die Idee, Höfe außerhalb eines Dorfkerns zu bauen und die Felder rund herum zu bewirtschaften, gab es bereits seit dem 16. Jahrhundert. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde dies noch einmal intensiviert. „Mich hat interessiert, was mit den Menschen passierte, die außerhalb der Dorfgemeinschaft leben mussten“, sagt Gustav Schöck und berichtet von seiner Mutter, die im Winter Freundinnen zu sich auf den Hof zum Kaffee einlud, um auf ihrem Aussiedlerhof nicht zu vereinsamen. Mit den Jahren hat sich Gustav Schöck einen umfangreichen Wissensfundus erarbeitet, den er auch jetzt, im Pensionsalter, gerne weitergibt. Beispielsweise durch eine Tagesfahrt, die er für den Schwäbischen Heimatbund anbietet. Am 25. April gibt es eine Tour von Owen bis zur Reiterleskapelle, im Mittelpunkt stehen schwäbische Sagen wie die der „Sibyllenspur“. Dabei handelt es sich um einen Landstreifen, auf dem das Getreide besonders gut wächst. Was der Mythos für den Feuerwagen der Sibylle von der Teck gehalten hat, ist in Wirklichkeit aber eine Folge des römischen Limes, der dort verlief.