Einmal die Woche treffen sich mehr als Tausend Fans auf dem Rasen vor Kanadas Volksvertretung. Die körperliche Bewegung dient nicht nur der Gesundheit, sondern auch als Signal gegen die Angst vor Terror.

Ottawa - Keine Witterung kann Mark Slacke und seine Partnerin Samantha Soucy abschrecken. Auf dem Rasen vor dem Parlament in der kanadischen Hauptstadt Ottawa haben mehr als 1000 Yoga-Fans ihre bunten Matten ausgebreitet und machen unter Anleitung eines Yoga-Lehrers ihre Übungen. „Es ist toll, Yoga im Freien machen zu können“, sagt Mark. „Und es macht Spaß, in einer großen Gruppe zu sein“, ergänzt Samantha.

 

Als „Yoga on Parliament Hill“ – Yoga auf dem Parlamentshügel – ist das Ereignis bekannt, das seit einigen Jahren jeden Mittwoch Hunderte, wenn nicht sogar weit über tausend Yoga-Fans für eine Stunde zwischen 12 und 13 Uhr auf den Rasen vor dem Parlament in Ottawa lockt. Von Juni bis Ende September wird zu den Entspannungsübungen eingeladen. Hinter dem Massen-Sportereignis steht der kanadische Sportbekleidungshersteller Lululemon Athletica. Eine Stunde lang werden unter dem Kommando eines Yoga-Lehrers die Gliedmaßen gestreckt, Atemübungen gemacht, oder es wird einfach meditativ geschwiegen, sitzend oder auf der Übungsmatte liegend. „Es entspannt Körper und Geist“, sagt Mark, während er seine Matte wieder zusammenrollt.

Manchmal kommen 2000 Yoga-Jünger

Es ist ein farbenfrohes Spektakel. Jüngere überwiegen, Frauen stellen die Mehrheit. Aber auch einige ältere Semester haben sich eingefunden. Vor sieben Jahren, im Sommer 2008, hatte „Yoga on Parliament Hill“ begonnen. Eine Handvoll Yoga-Enthusiasten fand sich damals ein. Inzwischen liegt die Teilnehmerzahl an schönen Tagen regelmäßig bei deutlich mehr als 1000, manchmal 2000. Lee-Anne Gill kommt mehrmals im Sommer mit ihrer zwölfjährigen Tochter Emma. „Es ist für mich eine schöne Gelegenheit, etwas zusammen mit meiner Tochter zu unternehmen“, sagt Lee-Anne. Für Emma ist es „einfach Spaß“, mit Mutter Yoga zu machen.

Viele nutzen die Mittagspause zur sportlichen Betätigung – und das völlig kostenlos. Nahe am Parlament liegen Regierungsgebäude, Banken und Einkaufszentren, hier haben Unternehmen und regierungsunabhängige Organisationen ihren Sitz. Bis zum „Hill“, wie der Parlamentshügel, der sich auf einem Felsen über dem Ottawa-Fluss erhebt, kurz genannt wird, sind es nur wenige Minuten zu Fuß. „Der Rasen vor dem Parlament ist ein bemerkenswerter Ort, um Yoga zu machen“, sagt die 28-jährige Calina Elluand. Die junge Frau hat für die Mittagszeit ihren Schreibtisch verlassen. In diesem Sommer hat sie erstmals die Gelegenheit genutzt, in einer großen Gruppe vor dem Parlament statt in einem Yoga-Studio die Übungen zu machen. „Es macht so viel Spaß, und danach geht man beschwingt zur Arbeit zurück.“

Auch ein Zeichen gegen Angst vor Terror

In diesem Jahr scheint die Zahl der Teilnehmer an den Yoga-Stunden noch größer zu sein als im Vorjahr. Vielleicht liegt es nur am Wetter oder daran, dass immer mehr Menschen davon hören. Vielleicht steckt aber auch mehr dahinter, wie ein Teilnehmer anmerkt. „Vielleicht wollen wir damit zeigen, dass wir nach dem Anschlag vom Vorjahr den Parlamentshügel als öffentlichen Versammlungsort behaupten wollen.“

Am 22. Oktober 2014 hatte ein von islamistischen Motiven getriebener Einzelgänger einen Wachsoldaten am nahe gelegenen Kriegsdenkmal erschossen und war dann wild um sich schießend ins Parlament gestürmt, wo er von Wachposten erschossen wurde. Die Kanadier wollen sich durch dieses Ereignis aber den Parlamentshügel als öffentliche Begegnungsstätte nicht nehmen lassen, auch wenn die Sicherheitsvorkehrungen verschärft wurden. Hier spielt man Fußball oder mit Frisbee-Scheiben, lässt sich auf dem Rasen nieder und hört das Glockenspiel, das aus dem „Peace Tower“, erklingt. Touristen sind immer wieder erstaunt über die Zugänglichkeit des Zentrums des politischen Systems Kanadas.

Der Yoga-Lehrer gibt die letzten Anweisungen. „Zum Abschluss noch einmal entspannen. Auf der Matte liegen, die Augen geschlossen, tief durchatmen“, sagt er. Dann gibt er das Signal, dass die Yoga-Stunde beendet ist. „Vielen Dank, dass ihr gekommen seid. Und wenn ihr zurück zur Arbeit geht, viel Erfolg.“ Die Teilnehmer rollen ihre Matten zusammen. Viele werden auch am nächsten Mittwoch wieder mitmachen. Man muss die Zeit nutzen, die man in Sonne und Wärme im Freien verbringen kann. Der nächste Winter kommt früh genug.