Unter dem Motto „Frieden braucht Erinnerung“ haben Menschen in Leonberg am Volkstrauertag der Opfer von Kriegen und Gewalt gedacht. Auch aktuelle Konflikte waren dabei ein Thema.

Leonberg: Marius Venturini (mv)

In Pastor Hartmut Hilkes Worten schwang das große Dilemma heutiger Zeiten mit. „Obwohl ich es als geistliche Amtsperson sollte, kann auch ich nicht immer friedlich sprechen oder argumentieren“, sagte der Geistliche der evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde Leonberg am späten Sonntagvormittag im Stadtpark. Dort hatten sich am Friedensmahnmal Menschen anlässlich des Volkstrauertags versammelt, um der Kriegstoten und der Opfer von Gewaltherrschaft aller Nationen zu gedenken.

 

Hilke äußert eine Idee für Frieden

Hilke war es auch, der den Konflikt im arabischen Raum ansprach, ohne jedoch Gaza oder Israel beim Namen zu nennen. Zum Ende seiner Ansprache entbreitete er einen Vorschlag: „Man lässt nur die politisch Verantwortlichen gegeneinander kämpfen. Die würden wohl schnell gemeinsam die Friedenspfeife schmauchen.“

Zuvor hatte der Leonberger Oberbürgermeister Martin Georg Cohn zu den Anwesenden gesprochen und sich dabei auch dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gewidmet. „Trotz aller Bemühungen wiederholt sich die Geschichte“, so der OB. Russlands Angriff habe alte Wunden aufgerissen. „Und wieder sehen wir Bilder von ausgebombten Städten, fliehenden Familien und Schützengraben auf europäischem Boden.“

Stalingrad dient als Symbol der Unmenschlichkeit des Kriegs

Krieg bedeute immer das Ende der Menschlichkeit. Als Beispiel dafür nannte Cohn die Schlacht um Stalingrad im Zweiten Weltkrieg. Dort kamen von Sommer 1942 bis zum Februar 1943 weit mehr als zwei Millionen Menschen – Soldaten und Zivilisten – ums Leben. „Dies steht symbolisch dafür, welch grausame Zerstörung der Krieg über die Menschen bringt.“ Der Volkstrauertag solle den Menschen ins Gedächtnis rufen: „Frieden ist keine Selbstverständlichkeit.“

Gedacht werden solle jedoch auch derer, die ihr Leben aufgrund von Antisemitismus und Rassismus verloren haben. „Dabei ist jeder und jede gefordert“, sagte Cohn, „Zivilcourage zu zeigen und den Mut zu haben, dagegen aufzustehen.“ Nur gerechte Gesellschaften seien auf Dauer auch friedlich.

Nachdem Martin Georg Cohn gemeinsam mit Hartmut Hilke am Mahnmal einen Kranz niedergelegt hatte, trugen Schülerinnen und Schüler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums einen Auszug der Rede vor, die der Namensgeber ihrer Schule bei der Überreichung des Friedensnobelpreises 1954 gehalten hatte. „Indem wir Krieg führen, machen wir uns der Unmenschlichkeit schuldig“, sagte er damals. Und seine Aussage scheint auch heute, 70 Jahre später, nichts von ihrer Aktualität verloren zu haben.

Schülerinnen und Schüler zitieren Albert Schweitzer

Weiter zitierten sie ihn: „Wir haben es geschehen lassen, dass in den Kriegen Menschen in Menge — im Zweiten Weltkrieg an die 20 Millionen — vernichtet wurden, dass durch Atombomben ganze Städte mit ihren Bewohnern zu nichts wurden, dass durch Brandbomben Menschen zu lodernden Fackeln wurden. Wir nahmen solche Geschehnisse in Radiosendungen und in Zeitungen zur Kenntnis und beurteilten sie danach, ob sie einen Erfolg der Völkergruppe, der wir zugehören, oder unserer Gegner bedeuteten.“

Begleitet vom Spiel des Eltinger CVJM-Posaunenchors endete schließlich die Gedenkstunde mit alten, dennoch bedrückend aktuellen Denkanstößen.