Der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber soll als kommissarischer Vorsitzender des VW-Aufsichtsrates die Führungsmisere des Autokonzerns in den Griff bekommen. Dass er Krisen bewältigen kann, hat er schon als Gewerkschaftsvorsitzender bewiesen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Den Beobachtern mag es so erscheinen, als ob er nie weg gewesen wäre: Nun soll Berthold Huber, bis Herbst 2013 Chef der IG Metall, den Volkswagen-Konzern durch das Führungschaos steuern. Ein Gewerkschafter als oberster VW-Kontrolleur – das ist ein Novum. Als kommissarischer Vorsitzender des Aufsichtsrates wird der 65-Jährige nach dem Rücktritt von Ferdinand Piëch die Hauptversammlung am 5. Mai leiten. Zudem muss er im Kontakt mit den Anteilseignern und den Arbeitnehmervertretern einen Piëch-Nachfolger identifizieren, der dann von der Kapitalseite vorgeschlagen wird.

 

Nachdem Huber am 25. November 2013 den Chefstab der IG Metall nach sechsjähriger Amtszeit an Detlef Wetzel übergeben hatte, war er eineinhalb Jahre lang praktisch aus der Öffentlichkeit verschwunden. Interviews gibt er allenfalls Schülerzeitungen. Strikt hält er sich an ein ungeschriebenes Gesetz und seine eigene Devise, wonach ein früherer Vorsitzender der neuen Führung nicht ins Geschäft hineinredet. Erst recht lässt er Diskretion in sensiblen Personaldebatten wie bei VW walten, wo er bis 2017 zum stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt ist. Mit wenigen dürren Sätzen ließ sich Huber anlässlich der Krisensitzungen des Aufsichtsratspräsidiums zitieren, ein kurzes Statement gab er am Samstag in Hannover ab.

Winterkorn hält er schlicht für den Besten

Für Huber-Kenner stand außer Frage, dass der Metaller den Vorstandschef Martin Winterkorn nicht zum Abschuss frei gibt, so wie Piëch es gerne gesehen hätte. Dies hat nicht nur mit der Verbundenheit von Schwaben – der eine (Huber) in Ulm, der andere (Winterkorn) in Leonberg geboren – zu tun. Vielmehr hält der Gewerkschafter in Nadelstreifen enorm viel vom Topmanager. „Er ist der beste Automobilist, den ich weltweit kenne“, hat Huber kurz vor seinem IG-Metall-Abgang der StZ verraten. Winterkorn habe den Konzern aus einem Dilemma und auf die Erfolgsspur geführt. Zwar hatte Huber zuvor darauf hingewirkt, dass Winterkorns Jahresvergütung nicht auf über 20 Millionen Euro anwuchs, weil derart astronomische Zahlen in seinem Lager zunehmend auf Missfallen stießen, doch hätte es der Firmenpatriarch Piëch wissen müssen, dass er sich in der Causa Winterkorn nicht durchsetzt. Zumal Huber neben der bei VW stets mächtigen Arbeitnehmerbank auch den SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil auf seiner Seite hat. Niedersachsen hält 20 Prozent am VW-Konzern. Inwieweit Huber und Weil allerdings daran beteiligt waren, den bisherigen Aufsichtsratschef als Reaktion auf dessen Offensive ins Aus zu drängen, das wissen bisher wohl nur die Beteiligten selbst.

Keine Zeit für einen Ruhestand

Wenn Huber eines gezeigt hat als Gewerkschaftschef, dann Pragmatismus und die Fähigkeit zum Krisenmanagement. Dass die deutsche Industrie ohne Totalschaden durch die Krise 2008 und 2009 gelangte, ist auch sein Verdienst. Er rang der damaligen großen Koalition die Zusage ab, mit einer Abwrackprämie die Autohersteller zu stützen sowie die Kurzarbeit zu fördern, um Massenentlassungen zu verhindern. Für den Tarifabschluss im November 2008 setzte er mit dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall die üblichen Spielregeln außer Kraft und erzielte – eine Absurdität der Geschichte – den besten Reallohnabschluss seit 15 Jahren.

Der Typus Krisenmanager sei nicht mehr gefragt, hat Huber noch als Vorsitzender gesagt. „Jede Zeit braucht ihre eigenen Figuren.“ Da irrte er wohl. Im Ruhestand ist er ohnehin noch lange nicht angelangt. Kurz bevor er den stellvertretenden Vorsitz des Siemens-Aufsichtsrats abgab, wurde er im September 2014 zum Präsidenten des honorigen Stiftungsrates der Siemens Stiftung gewählt. Zudem ist er noch Präsident des Internationalen Metallgewerkschaftsbundes IMB, was ihm weiterhin eine weltweite Reisetätigkeit weit über Salzburg und Wolfsburg hinaus beschert.