Der vorgezogene Kauf der restlichen Anteile an der Porsche AG markiert für die VW-Spitze eine Zeitenwende bei Europas größtem Autokonzern. „Jetzt ist der Weg frei für eine gemeinsame Zukunft“, sagte Vorstandschef Martin Winterkorn. Ein Signal an die Konkurrenz.

Wolfsburg - Der vorgezogene Kauf der restlichen Anteile an der Porsche AG markiert für die VW-Spitze eine Zeitenwende bei Europas größtem Autokonzern. „Jetzt ist der Weg frei für eine gemeinsame Zukunft“, sagte Vorstandschef Martin Winterkorn am Donnerstag in der Wolfsburger Volkswagen-Zentrale.

 

An dem nun überraschend schnellen Zusammenschluss wohl schon zum 1. August kommt heftige Kritik aus der Politik, weil die Unternehmen dabei ein Schlupfloch im Steuerrecht ausnutzten. Andernfalls hätten sie Schätzungen nach rund 1,5 Milliarden Euro Steuern für das Geschäft überweisen müssen.

Der Staat ist nach Ansicht von Volkswagen bei der Übernahme aber nicht der große Verlierer. „Es fallen Steuern von deutlich über 100 Millionen Euro an. Diese Steuern sind transaktionsbedingt“, erklärte Finanzchef Hans Dieter Pötsch. Zudem könnten die beiden Autobauer zusammen Kostenvorteile heben und so mehr Gewinn machen. Darstellungen, wonach die gewählte Konstruktion gezielt ein Steuerschlupfloch ausnutze, wies er entschieden zurück: „Die kolportierten Zahlen über entgangene Steuerzahlungen in Milliardenhöhe entbehren aber jeder Grundlage.“

Signal an die Konkurrenz

Kern des Deals ist, dass VW den grundsätzlich steuerpflichtigen Kauf der noch ausstehenden zweiten Hälfte der Porsche AG als eine - ausdrücklich legale - Umstrukturierung ausweist. Die ist steuerfrei.

Das Unternehmen hatte am Mittwochabend angekündigt, die monatelange Hängepartie um das weitere Vorgehen bei Porsche durch die Übernahme der übrigen 50,1 Prozent des operativen Sportwagengeschäfts der Stuttgarter zu beenden. 49,9 Prozent gehören den Wolfsburgern schon. Wohl bereits zum 1. August will VW die noch fehlenden Aktien erwerben. Dafür zahlt der Autobauer rund 4,46 Milliarden Euro in bar. Nach der gescheiterten Fusion hatte VW zunächst erwogen, Porsche in den kommenden Jahren über Optionsgeschäfte unter sein Dach zu holen.

Aus Sicht Winterkorns stellt der mit Spannung erwartete Deal ein zentrales Datum für die gesamte Automobilbranche dar: „Volkswagen und Porsche gehören zusammen. So können wir unsere wirtschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit noch einmal deutlich steigern.“

Porsche-Chef Matthias Müller will mit den Milliardenmitteln die Ausgaben drücken, aber auch den Aufbau neuer Geschäfte voranbringen: „Damit wollen wir strategische Investitionen vornehmen“, sagte Müller.

Ziel ist ein integrierter Konzern, in dem Gemeinschaftsprojekte in Entwicklung und Vertrieb angeschoben sowie langfristig bis zu 700 Millionen Euro pro Jahr an Kosten eingespart werden sollen. „Die bisherige rechtliche Trennung von VW und Porsche hat verhindert, die Synergiepotenziale komplett einzuschätzen“, erklärte Müller.

Steuern sollen gering gehalten werden

Mit einem Kunstgriff will Volkswagen allerdings die befürchteten hohen Steuerzahlungen beträchtlich drücken. Eine spezielle Regelung erlaubt es den Wolfsburgern, das Porsche-Geschäft als Umstrukturierung im Konzern anstatt als normalen Kauf externer Anteile zu definieren - wenn zugleich eine VW-Stammaktie nach Stuttgart verschoben wird. Aus der Politik kam hierzu heftige Kritik, vor allem aus dem Porsche-Stammland Baden-Württemberg und von der FDP.

FDP-Bundestagsfraktionschef Rainer Brüderle sagte dem „Handelsblatt“ (Freitag), wenn Weltkonzerne mit solchen Steuertricks Milliarden an Steuern sparen könnten, müsse sich jeder Steuerzahler veräppelt fühlen. „Von so viel Nachsicht der Finanzämter können viele Handwerker nur träumen.“ Brüderle räumte aber ein: „Das mag alles legal sein, zeigt aber, wie dringend wir ein einfacheres und gerechteres Steuerrecht brauchen.“

Pötsch sagte zu der nun tatsächlich anfallenden viel geringeren Steuerlast: Die genannten mehr als 100 Millionen Euro ergäben sich nicht aus einer Schätzung staatlicher Mehreinnahmen, die ein stärkeres Autogeschäft dank des früheren Porsche-Einbaus auslösen dürfte. Sie bezögen sich vielmehr direkt auf den Erwerb der Anteile - etwa durch die Zahlung von Grunderwerbsteuer. Im Fall eines Abwartens bis Mitte 2014 wäre VW überdies nicht völlig steuerfrei davongekommen, sagte Pötsch. Die Summe wäre dann aber nicht „nennenswert“ gewesen.

Winterkorn erklärte, der Porsche-Kauf sei „gut für Volkswagen, für Porsche und für den Industriestandort Deutschland“. Er sichere Jobs, am VW-Stammsitz in Wolfsburg werde keinesfalls gerüttelt. Porsche solle als Marke außerdem eigenständig bleiben. Die Betriebsräte von Volkswagen und Porsche sowie Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) sprachen von einem Meilenstein in der Entwicklung.