Werner Hülsmann sieht im Zensus 2011 einen erheblichen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und ein hohes Missbrauchsrisiko.

Stuttgart - Der Big Brother Award wird an Firmen und Organisationen verliehen, die den Schutz persönlicher Daten verletzen. In diesem Jahr erhielt ihn die Zensuskommission des Statistischen Bundesamtes. Werner Hülsmann hielt die Laudatio. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Forums Informatiker/-innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung.

 

Herr Hülsmann, warum haben Sie dem Zensus 2011 den Big Brother Award verliehen?
Weil der Zensus eine Datensammlung unermesslichen Ausmaßes ist: rund 82 Millionen personenbezogene Datensätze werden erstellt. Das stellt ein sehr hohes Risiko dar.

Worin besteht das Risiko?
Zum einen gibt es ein hohes Missbrauchsrisiko. Zum anderen ist diese Zusammenführung von Daten aus ganz unterschiedlichen Behörden auch eine Zweckentfremdung, die einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt.

Das Statistische Bundesamt versichert, Datenschutzgrundsätze zu beachten.
Schon bei der Organisation des Zensus wurden wichtige Datenschutzgrundsätze missachtet. Die Erhebungsbeauftragten können zum Beispiel die ausgefüllten Fragebögen bis zu einer Woche lang zu Hause aufbewahren, ohne dass diese sensiblen Daten geschützt sind.

Viele Nutzer geben auf der Facebook-Seite mehr preis, als im Zensus abgefragt wird.
Der wesentliche Unterschied ist, dass man bei Facebook selbst entscheiden kann, welche Daten man preisgeben will. Die Teilnahme am Zensus ist dagegen Pflicht.

Warum gibt es heute keinen Protest gegen den Zensus, wie gegen die Volkszählung in den achtziger Jahren?
Der größte Teil der Bevölkerung weiß gar nicht, was auf ihn zukommt. Und viele Leute denken, dass sie gar nicht persönlich betroffen sind. Tatsächlich sind wir aber alle betroffen, denn die Daten von allen Einwohnern werden zusammengeführt.