Mehr Emotion geht nicht: Erst zogen die Volleyballerinnen von Allianz MTV Stuttgart nach einem Rückstand gegen die Roten Raben Vilsbiburg doch noch ins Pokal-Finale ein, dann erklärte Sportchef Bernhard Lobmüller völlig unerwartet seinen Rücktritt.

Stuttgart - Auf den weißen T-Shirts, die sich die jubelnden Stuttgarterinnen von MTV Allianz überstreiften, stand: „FINALE – Wir sind dabei!“ Eine Ehrenrunde nach der anderen drehte das MTV-Team, die Feier in der Scharrena wollte kein Ende nehmen. Bernhard Lobmüller (66) stand an der Seite und schaute sich das bunte Treiben mit wehmütigem Blick an. Als seine Mannschaft gerade dabei war, einen 0:2-Rückstand doch noch zu drehen, hatte der Sportdirektor von Pressesprecherin Sarah Engler per E-Mail eine Mitteilung verschicken lassen – in der er überraschend seinen sofortigen Rücktritt erklärte.

 

„Das Ziel ist erreicht, wir haben Frauen-Volleyball in Stuttgart wieder etabliert, und noch mehr: Das Team ist in der deutschen Spitze angekommen, die Sponsoren sind zufrieden, der Zuspruch der Fans ist so groß wie nie, die Strukturen für eine erfolgreiche Zukunft sind geschaffen“, teilte Lobmüller mit, „nach acht ehrenamtlichen Jahren als Geschäftsführer, Manager und Freund der Spielerinnen will ich mich künftig anderen Aufgaben widmen.“

Der wahre Grund für den Abschied geht tiefer

Das hörte sich gut an, der wahre Grund für den Abschied aber geht tiefer – wie Lobmüller nach dem dramatischen Halbfinal-Erfolg auch einräumte. „Ich bleibe Gesellschafter, aber ich will aus der vordersten Linie und nicht mehr zehn Stunden am Tag mit Volleyball verbringen“, sagte er, „zumal ich es gewohnt bin, so zu arbeiten, dass ich meine Entscheidungen, zuletzt gemeinsam mit Geschäftsführer Aurel Irion, auch umsetzen kann. Wenn jedoch zu viele Leute tolle Ideen haben, dann wird es Zeit, diese Leute auch ranzulassen.“ Diese Situation hat Lobmüller, der seit dem Arbeitsbeginn von Irion am 1. April offiziell nur noch Sportdirektor war, so gestört, dass er nun sogar mitten in einer Saison zurücktritt, in der sein Team gute Chancen auf den Pokalsieg und den DM-Titel hat. „Mir geht es nicht darum, Früchte zu ernten, die ich vielleicht irgendwann gesät habe“, meinte er, „ich denke dass jetzt der richtige Moment ist. Deshalb gehe ich.“

Über seinen Rücktritt hatte Lobmüller zuvor nur den Geschäftsführer informiert. „Dieser Schritt kommt viel früher als erwartet. Wir hatten eine super Zusammenarbeit, er wird mir weiterhin als Ratgeber zur Seite stehen – und dies werde ich auch einfordern“, meinte Irion, „wir verlieren viel Erfahrung, ein tolles Netzwerk und einen sportbegeisterten, im positiven Sinne verrückten Typen.“ Und auch Sponsoren? „Davon gehe ich nicht aus, Lobo verlässt uns ja nicht im Groll. Er wird dem Volleyball in Stuttgart verbunden bleiben.“ Trainer Guillermo Naranjo Hernández, der zuletzt die eine oder andere Meinungsverschiedenheit mit Lobmüller hatte, erklärte: „Ohne ihn wäre ich nicht hier, dafür bin ich ihm dankbar. Er hat viel getan für das Team, aber jetzt müssen wir nach vorne schauen – und versuchen, ohne ihn erfolgreich zu sein.“

Irre Aufholjagd nach 0:2-Satzrückstand

So wie im Pokal-Halbfinale, in dem es zwei Sätze lang (23:25, 17:25) nicht nach einem Sieg ausgesehen hatte. Erst als im dritten Durchgang mit der eingewechselten Jennifer Pettke eine Aura von Zuversicht aufs Feld kam, lief es rund für die Stuttgarterinnen. „Das stimmt, aber mit Strahlen allein gewinnt man keine Spiele. Sie war in dem Moment die beste Wahl gegen den gut eingestellten Raben-Angriff“, erklärte Hernández, „und es hat funktioniert.“ Wie auch seine Ansprache nach dem zweiten Satz: „Jetzt oder nie, geht raus und macht es“, hatte er gesagt, „und sie haben es gemacht. Einfach, weil es eine ganz tolle Mannschaft ist.“

Vor allem Renáta Sándor (16 Punkte), Aiyana Whitney und Michaela Mlejnková (beide 15) dominierten nun die Angriffe. „Es hat eine Weile gebraucht, bis wir den unbedingten Willen entwickelt haben“, sagte Jennifer Pettke nach dem 25:18, 25:13 und 15:8 im Tie-Break (nach acht Punkten in Serie!).

Der Pokal bleibt der Lieblingswettbewerb der MTV-Frauen. Zum dritten Mal in Folge stehen sie im Finale, am 29. Januar soll gegen den Schweriner SC (3:0 im Halbfinale in Potsdam) in Mannheim der dritte Pokalsieg nach 2011 und 2015 her. Doch dieses Duell ist noch weit weg: Schon am Samstag trifft der Bundesliga-Zweite auf Verfolger 1. VC Wiesbaden (19.30 Uhr, Scharrena). Es ist das erste Spiel nach der Ära Lobmüller.