Die Stuttgarter Volleyballerinnen haben auch ihre vierte Finalserie um die Meisterschaft verloren. Trotzdem setzen sie die Jagd auf den ersten DM-Titel fort – allerdings ohne Gewähr.

Stuttgart - Manche hatten Tränen in den Augen, andere nur Leere im Blick, und eine konnte gar nicht hinschauen. Deborah van Daelen wollte nicht sehen, wie den Konkurrentinnen vom SSC Schwerin die Meisterschale überreicht wird. „Egal, ob sie es verdient haben oder nicht“, sagte die MTV-Kapitänin, „das musste ich mir nicht antun.“

 

Der Frust saß tief bei den Stuttgarter Volleyballerinnen. Weil sie es auch beim 1:3 (22:25, 18:25, 25:16, 18:25) im dritten Duell der Finalserie nicht geschafft hatten, ihre Chancen zu nutzen und ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Weil ihnen der Schiedsrichter beim 2:3 in der ersten Partie einen Auftakt nach Maß verwehrt hatte. Weil sie Außenangreiferin Nika Daalderop (Knöchelverletzung) schmerzlich vermissten. Und weil die Schwerinerinnen um die überragende Louisa Lippmann immer dann voll da waren, wenn es zählte. Mit dem Ergebnis, dass dem MTV-Team nach 2015, 2016 und 2017 auch 2018 nur die Vizemeisterschaft bleibt. Da waren auch die Sprechchöre („Stuttgart! Stuttgart!“) und Plakate („Danke für die super Saison!“) der Fans kein Trost. „Wir sind so knapp davor gewesen“, meinte Julia Schaefer, „deshalb ist es nun umso bitterer.“ Zumal die Herausforderungen nicht kleiner werden. Im Gegenteil.

Kim Renkema ging die verpasste Meisterschaft auch deshalb so nahe, weil sie weiß: Es gibt keine Garantie, nächste Saison erneut ins Finale zu kommen. Geschäftsführer Aurel Irion versprach dem Publikum zwar noch in der Halle große Taten („Wir werden es irgendwann schaffen, Meister zu werden“), schränkte hinterher aber ein: „Wir sind auch nächste Saison nicht der Titelfavorit.“

Zum Beispiel, weil schon wieder ein Neuaufbau ansteht. Neben Michaela Mlejnkova (nach Polen) werden auch die zweite Top-Außenangreiferin Nika Daalderop sowie Paige Tapp (beide nach Italien) gehen – allesamt feste Größen im Team. Wie Renata Sandor, Femke Stoltenborg und Teodora Pusic, mit denen die Gespräche noch laufen. Nicht verlängert wird der Vertrag von Jenna Potts, ob Nikoleta Perovic gehalten werden soll, ist offen. „Wir hatten die stärkste Mannschaft der vergangenen Jahre“, sagte Sportchefin Kim Renkema, „vor allem die Außenposition wieder so gut zu besetzen, ist alles andere als einfach.“ Trainer Giannis Athanasopoulos antwortete auf die Frage, wie stark sein Kader nächste Saison sein werde: „Ich habe einen Plan A, aber auch einen Plan B, C und D. Letztlich ist alles eine Frage des Geldes.“

Wie zuletzt stehen wieder rund 1,4 Millionen Euro zur Verfügung. Laut eigener Rechnung ist Allianz MTV Stuttgart damit hinter Meister SSC Schwerin und Pokalsieger Dresdner SC die Nummer drei. „Um sportlich wirklich auf Augenhöhe zu sein, müssten wir den Etat um 30 Prozent steigern“, sagte Irion, „und wir müssten auch strukturell weiter wachsen. Unser Ziel ist es, den Abstand zu Schwerin und Dresden schrittweise zu verringern.“ Das enge finanzielle Korsett schränkt auch Renkema ein: „Es ist nicht möglich, mit dem drittgrößten Etat der Bundesliga ein Team zu bauen, das am Ende sicher Meister wird. Der SSC Schwerin war in dieser Saison einfach stärker.“

Mittlerweile sind es schon zehn Spiele in Serie, die Allianz MTV Stuttgart gegen den Dauerrivalen verloren hat. Doch damit nicht genug der schwierigen Aufgaben. Sollte dem Vizemeister der Neuaufbau gelingen, ist noch längst nicht sicher, dass dies in der Region Stuttgart auf die gewünschte Resonanz stößt. Das dritte Duell der DM-Finalserie war nicht ausverkauft, und nun steht aufgrund der Nationalmannschafts-Saison und der späten WM in Japan (30. September bis 21. Oktober) eine Pause von einem halben Jahr an. „Für jeden Club, der eine Bindung zu seinen Fans aufbauen will, ist das ein riesengroßes Problem“, sagte Renkema, „wir müssen daran arbeiten, noch mehr in die Stadt reinzugehen, im Gespräch zu bleiben und unsere Zuschauerzahlen zu steigern.“

Womit klar ist: Die Arbeit wird den Verantwortlichen nicht ausgehen. Eine Motivationshilfe könnte sein, dass die Konkurrenz anerkennt, was in Stuttgart geleistet wird. „Der MTV wird wieder angreifen, da bin ich sicher“, meinte Louisa Lippmann. „Stuttgart“, sagte ihr Trainer Felix Koslowski, „ist top aufgestellt.“ Und SSC-Funktionär Michael Evers erklärte: „Ich ziehe den Hut vor unserem Gegner, er ist ganz dicht dran an uns.“ So dicht, dass Deborah van Daelen bei der Siegerehrung nicht zuschauen konnte.