Bei den Stuttgarter Bundesliga-Volleyballerinnen läuft es bislang besser, als sie es nach dem Umbruch vor der Saison erwartet hatten. Das liegt an mehreren Faktoren.

Stuttgart - Wer ein neues Team zusammenstellt, weiß um die Risiken. Und dass es Zeit braucht, eine Mannschaft zu entwickeln. Nach der ersten Meisterschaft der Vereinsgeschichte verpflichtete Volleyball-Bundesligist Allianz MTV Stuttgart im Sommer neun neue Spielerinnen – verbunden mit der Hoffnung, im zweiten Teil der Saison, wenn sich alles eingespielt hat und die Entscheidungen fallen, noch stärker zu sein. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht und sich der Verein am Ende mit weiteren Titeln selbst beschenkt, ist kurz vor Weihnachten noch nicht sicher. Fest steht allerdings, dass es bisher viel besser läuft als erwartet.

 

Das MTV-Team ist vor dem Bundesliga-Topspiel an diesem Samstag (18 Uhr) gegen Verfolger SSC Schwerin Tabellenführer und liegt auch in seiner Champions-League-Gruppe an der Spitze (verbunden mit guten Aussichten, erneut ins Viertelfinale einzuziehen). Zudem haben die Stuttgarterinnen das Pokalfinale erreicht – viel mehr war in der ersten Saisonhälfte nicht zu gewinnen. Und das liegt an mehreren Faktoren.

Der Siegeswille

Kim Renkema und Giannis Athanasopoulos haben bei der Verpflichtung der Neuen nicht nur auf deren individuelle Klasse geachtet. Sondern auch darauf, starke Charaktere zu holen, die immer gewinnen wollen, nie aufgeben, stets Selbstbewusstsein und Stärke ausstrahlen. Das waren Punkte, welche die Sportchefin und ihr Coach in der Vergangenheit hin und wieder vermisst hatten – zum Beispiel im Februar im klar verlorenen Pokalfinale gegen den SSC Schwerin. Die Rechnung des Führungsduos scheint aufzugehen: Ihr Team spielt nicht immer auf dem obersten Level, aber eben meist gut genug, um zu siegen. Und wenn es drauf ankommt, zum Beispiel gegen Champions-League-Titelverteidiger Igor Gorgonzola Novara oder im Pokal-Halbfinale gegen den SSC Schwerin, zeigen die Stuttgarterinnen, was wirklich in ihnen steckt – eine enorme Qualität und ein unglaublich großer Selbstbehauptungswille. „Das war natürlich schön zu sehen“, sagt Kim Renkema, für die allerdings auch klar ist: „Wir haben noch Steigerungspotenzial.“

Der Teamgeist

Niemand wusste, wie lange es dauern würde, bis sich die neue Mannschaft zusammenfindet. Nun lässt sich sagen: zumindest auf dem Feld ist das längst passiert. Klick machte es aus Sicht der Verantwortlichen nach dem hoch verlorenen ersten Satz (11:25) gegen Novara. Danach stand das MTV-Team zusammen, feierte anschließend einen sensationellen Heimsieg. „Unsere Spielerinnen sind absolute Profis, die bringen, was von ihnen erwartet wird“, erklärt Kim Renkema, „und trotzdem ist alles andere als selbstverständlich, dass sie so schnell zu einer Einheit geworden sind.“

Die Kapitänin

Es gibt Experten, die halten Krystal Rivers für die beste Spielerin, die es in der Bundesliga je gegeben hat. Das lässt sich schwer nachprüfen, doch über die Bedeutung der Diagonalangreiferin für Allianz MTV Stuttgart gibt es keine zwei Meinungen. „Sie ist unsere Lebensversicherung“, sagt Geschäftsführerin Aurel Irion – und das in jedem Wettbewerb. Die US-Amerikanerin zeichnet aus, immer dann überragend zu agieren, wenn ein Spiel eng wird, entsprechend oft laufen die Angriffe in entscheidenden Phasen über sie. „Sie spielt eine unglaubliche Saison“, erklärt Irion, „sie ist für uns nicht zu ersetzen.“

Die Zuspielerin

Weil Pia Kästner nach ihrer schweren Rückenkrankheit weiter ausfällt, benötigte Allianz MTV Stuttgart im November noch einmal Verstärkung. Ainise Havili, die zuvor längere Zeit Beachvolleyball gespielt hatte, kam als Notnagel. Mittlerweile hat sie Cansu Aydinogullari aus der Startformation verdrängt, agiert besser und konstanter als erhofft. Weshalb verwunderlich wäre, wenn der Verein den Vertrag mit der US-Amerikanerin, der nur bis Januar läuft, nicht zumindest bis zum Ende der Saison verlängern würde – zumal weiter unsicher ist, wann Pia Kästner zurückkommt.

Die Kraft

Neben Pia Kästner fehlt seit Wochen auch Channon Thompson (Teilruptur der Plantarsehne an der Fußsohle). Was bedeutet, dass die Außenangreiferinnen Celine van Gestel und Alexandra Lazic stets durchspielen müssen und auch in jeder Trainingseinheit voll gefordert sind. Das geht an die Substanz, zumal beide den Sommer über mit ihren Nationalteams unterwegs waren. „Respekt, wie sie diese Herausforderung annehmen. Da gibt es keine Klagen, sondern nur ein höchst professionelles Auftreten“, sagt Kim Renkema, „das verdient ein großes Kompliment.“ Weil unsicher ist, wann Channon Thompson wieder fit sein wird, und weil zudem Celine van Gestel bis Mitte Januar mit dem belgischen Nationalteam in der Olympia-Qualifikation unterwegs ist, überlegt der Meister, eventuell noch eine Außenangreiferin zu verpflichten. Denn aktuell würde ein verletzungsbedingter Ausfall von Celine van Gestel oder Alexandra Lazic die hohen Ziele des Vereins akut gefährden.

Der Trainer

Auch Giannis Athanasopoulos trat sofort nach dem Gewinn der Meisterschaft einen neuen Job an – als Trainer des tschechischen Nationalteams. Nach seiner Rückkehr zum MTV musste er eine komplett neue Mannschaft bauen. Er tat dies mit den Eigenschaften, die ihn auszeichnen: Akribie, Motivation, Einfühlungsvermögen, Souveränität. Zudem funktioniert auch die Zusammenarbeit mit den Leuten aus der zweiten Reihe perfekt. „Unser Trainer-Team macht einen hervorragenden Job“, sagt Kim Renkema, „da wird enorm hart gearbeitet.“ Und zudem noch ziemlich erfolgreich.