Spitzenreiter Allianz MTV Stuttgart wünscht sich stärkere Konkurrenz in der Volleyball-Bundesliga – und stößt damit bei VBL-Boss Michael Evers auf Unverständnis.

Stuttgart - Der Sprung an die Spitze fiel leichter als erwartet. 3:0 beim SC Potsdam, in keinem der drei Sätze kam der Gegner auf mehr als 18 Punkte, die Stimmung in der nur zu einem Drittel gefüllten MBS-Arena (2048 Plätze) war trist. Und jeder bei Allianz MTV Stuttgart dachte ein Jahr zurück, als der Titelanwärter beim 1:3 in Potsdam einen herben Rückschlag erlitten hatte. Doch aus dem Angstgegner ist nun ein Punktelieferant geworden, und das trübte die Freude ein bisschen. Der Tabellenführer sorgt sich ums Niveau, was nichts mit Überheblichkeit zu tun hat. „Wir brauchen spannende, interessante Spiele, um Zuschauer in die Hallen zu locken“, sagt Aurel Irion, Geschäftsführer von Allianz MTV Stuttgart, „deshalb muss die Liga wieder stärker werden.“

 

Vor der Saison wähnte man sich auf dem richtigen Weg, das Feld schien ausgeglichen(er) zu sein. Doch es kam anders. Der VC Wiesbaden hatte Verletzungspech, die Roten Raben Vilsbiburg sind zu selten auf der Höhe, der SC Potsdam ist weit weg von alter Stärke, die Ladies in Black Aachen sehen rot, wenn es gegen Mannschaften von oben geht. „Wir dachten, der Rest der Liga sei näher an die drei Topteams aus Schwerin, Dresden und Stuttgart herangerückt, doch nun ist der Abstand eher größer geworden“, sagt Irion, „es ist nicht gut, wenn schon vorher klar ist, wer am Ende auf den ersten drei Plätzen steht. Doch bei uns ist genau das der Fall.“ Und eine Änderung nicht in Sicht.

SSC Palmberg Schwerin, Dresdner SC und Allianz MTV Stuttgart müssen zwar auch auf jeden Euro schauen, haben sich aber einen großen Pool an Sponsoren aufgebaut. In Stuttgart ist das Potenzial noch nicht ausgeschöpft, in dieser Saison wurden die Einnahmen im Vergleich zu 2016/17 um 30 Prozent gesteigert. Sollte am Mittwoch, 20. Dezember (19 Uhr/Scharrena), gegen den VC Wiesbaden der Einzug ins Pokalfinale gelingen, könnte Irion diese Saison mit Gesamteinnahmen von knapp 1,4 Millionen Euro kalkulieren. Einige Bundesligisten kommen nicht mal auf ein Drittel dieser Summe. Und müssen trotzdem die Auflagen der Volleyball-Bundesliga erfüllen.

Evers ist überzeugt: „Wir sind die stärkste Frauen-Liga im deutschen Sport“

Der Masterplan, den sich Vereine und VBL verpasst haben, fordert unter anderem: einen 60 000 Euro teuren Boden, LED-Werbebanden, Arenen statt Schulturnhallen, hauptamtliche Stellen im Management. Dazu kommen Lizenzgebühren von (je nach Dauer der Bundesliga-Zugehörigkeit) bis zu 21 000 Euro pro Saison. „Wir wissen, dass wir den Vereinen sehr viel zumuten“, sagt VBL-Präsident Michael Evers, „aber diese Investitionen zahlen sich aus. Wir sind, auch was die Professionalität der Vereine angeht, die stärkste Frauen-Liga im deutschen Sport. Davon bin ich überzeugt.“

Evers, zudem noch Manager beim deutschen Meister SSC Schwerin, teilt die Sorgen des Kollegen Irion nicht. Im Gegenteil. Er sieht, obwohl es kaum knappe Spiele zwischen Teams aus den oberen und unteren Regionen der Tabelle gibt, einen Aufwärtstrend in Vilsbiburg und Münster, zudem die Teams aus Aachen und Wiesbaden auf sehr gutem Niveau. „Ich würde es als arrogant empfinden, wenn jemand behauptet, dass viele Bundesligisten nicht über genügend Substanz verfügen“, sagt der VBL-Boss, „das geht erheblich an der Realität vorbei.“

Eine Aussage, die manchen Experten verwundern dürfte. Denn in der Wirklichkeit müssen zwei, drei Vereine ums finanzielle Überleben kämpfen. In der Wirklichkeit wollte zuletzt kein Zweitligist aufsteigen, weil die Mittel fehlten. Und in der Wirklichkeit steht Allianz MTV Stuttgart an der Spitze, obwohl vier Nationalspielerinnen den Sommer durchgespielt und in Micheli Tomazela Pissinato, Nika Daalderop sowie Nikoleta Perovic drei Stars bisher verletzungsbedingt wenig bis gar nicht aufgeschlagen haben. „Es gibt ein großes Gefälle in der Liga“, sagt Irion, und ein Grund sind aus seiner Sicht die umfangreichen Forderungen des Verbandes: „Dieses Geld fehlt, um es in die sportliche Qualität investieren zu können.“

Auch dies sieht Michael Evers anders. „Das sind Ausreden“, sagt der Bundesliga-Chef, „normalerweise höre ich das von Leuten, die von eigenen Fehlern ablenken wollen. Geld alleine erzielt keine Punkte, viel hängt davon, wie professionell im Umfeld gearbeitet wird.“ In den Vereinen. Aber auch bei der Volleyball-Bundesliga.

Bisher sucht die VBL vergeblich nach einem Namenssponsor

Seit Jahren ist die VBL auf der Suche nach einem Namenssponsor für die Eliteklasse der Männer und Frauen, vom Erlös würden auch die Clubs profitieren. Doch sie müssen sich weiter gedulden. „Wir wollen einen siebenstelligen Betrag einnehmen, so viel sind die beiden Ligen wert“, sagt Michael Evers, „liebend gerne würden wir das bis zur nächsten Saison hinbekommen.“ Was andererseits heißt: Noch gibt es keinen konkreten Interessenten. Und somit auch kein frisches Geld für die Vereine.

Die Sorge ums Niveau wird Allianz MTV Stuttgart folglich so schnell nicht loswerden. Weshalb Aurel Irion froh ist, dass an diesem Mittwoch (17 Uhr) bei VK UP Olomouc/Tschechien mit dem Hinspiel im Sechzehntel-Finale des CEV-Cups nun auch die internationale Saison beginnt – die zwar ein Zuschussgeschäft ist, aber sportlich eine Herausforderung. „Die Bundesliga ist recht klein, weshalb der CEV-Pokal für uns zwingend notwendig ist“, sagt Aurel Irion, „dieser Wettbewerb ist interessant für Spielerinnen, Trainer und Zuschauer.“ Obwohl leichte Siege auch hier nicht ausgeschlossen sind.