Am letzten Novembertag zeigt sich der Vollmond von seiner ganzen Pracht – doch nicht alle freut das. Hartnäckig hält sich die Vermutung, dass der Erdtrabant Einfluss auf unseren Schlaf hat. Ein Experte erklärt das Phänomen.

Digital Desk: Jonas Schöll (jo)

Stuttgart - Bei Vollmond schläft man schlechter – das ist wohl die populärste Annahme, wenn es um den Einfluss des Erdtrabanten auf den Menschen geht. Wenn etwas dran ist an diesem Mythos über den Mond, dann dürften auch einige Stuttgarter in der Nacht auf Montag schlaflos im Bett gelegen haben. Denn am letzten Novembertag zeigte sich die blassgelbe Kugel in voller Pracht am Nachthimmel.

 

Sorgt der Mond für schlaflose Nächte?

Für die These, dass uns der Mond Schlaf raubt, gibt es keinerlei wissenschaftlichen Belege, wie Schlafforscher Hans-Günter Weeß erklärt. „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Schlaflosigkeit und dem Vollmond“, sagt der Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums im pfälzischen Klingenmünster.

Dennoch hielten besonders Menschen, die ohnehin einen schlechten Schlaf haben, hartnäckig an dieser Vermutung fest, wie Weeß aus der Praxis weiß. Der Experte erklärt dies mit dem Phänomen der selektiven Wahrnehmung. Das heißt: Der Vollmond stellt sich für die Betroffenen als augenscheinliche Ursache für die Schlafstörung dar.

Ein weiterer Grund sei das psychologische Erklärmodell der selbsterfüllenden Prophezeiung. Demnach stellen sich einige Menschen in Vollmondphasen bereits auf einen schlechten Schlaf ein – und liegen dann so angespannt im Bett, dass sie kein Auge zumachen könnten.

Studien geben Mondgeplagten nicht Recht

In seinem Buch „Schlaf bewirkt Wunder“ gibt der Experte Tipps für ruhige Nächte. Im Falle der Mondgeplagten setzt der Schlafforscher auf die Erkenntnis: „Da hilft nur die Ratio. Die Menschen müssen verstehen, dass die schlaflosen Nächte bei Vollmond nur ein Phänomen sind“.

Einige Studien untermauern die Aussagen des Schlafforschers. So hatten Schweizer Wissenschaftler im Jahr 2013 nach der Analyse von Daten aus einer Schlafstudie berichtet, dass Menschen um Vollmond herum unter anderem etwa fünf Minuten später einschlafen und insgesamt etwa 20 Minuten weniger schlafen. Die Datenanalyse war rückblickend erfolgt – der Einfluss des Mondes hatte bei der Erhebung der Daten keine Rolle gespielt. Zudem waren die Lichtverhältnisse im Labor genau gesteuert worden. Die Forscher sahen ihre Ergebnisse daher als „ersten verlässlichen Beweis, dass der Mondrhythmus die Schlafstruktur des Menschen beeinflussen kann“.

Vermutung hält sich hartnäckig

Andere Wissenschaftler, unter anderem vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, konnten das Ergebnis der kleinen Studie mit gut 30 Teilnehmern allerdings nicht bestätigen. Sie hatten ebenfalls rückblickend Schlafdaten von mehr als 1200 Teilnehmern aus mehr als 2000 Nächten ausgewertet und keinen Zusammenhang mit dem Mondzyklus gefunden. Sie stießen allerdings auf Hinweise darauf, dass vor allem bei Neuanalysen älterer Daten positive Studien veröffentlicht werden, während solche mit negativem Ergebnis in der Schublade verschwinden – eine mögliche Erklärung dafür, dass sich die Vermutung so hartnäckig hält.

Die Schlaflosigkeit in Vollmondnächten bleibt also nach vorläufigem Ergebnis eher subjektive Wahrnehmung als wissenschaftliche Erkenntnis.