Ein eritreischer Bootsflüchtling engagiert sich bei den Naturfreunden auf dem Bossler bei Gruibingen für eine Kinderfreizeit. Die Sechs- bis Zehnjährigen haben den Krankenpfleger aus Afrika mit offenen Armen empfangen.

Gruibingen - Zum siebten Mal veranstalten die Göppinger Naturfreunde auf dem Bossler die Freizeit Naturferiendorf. Eine Woche haben dort 24 Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren das Naturfreundehaus bezogen, erkunden die Umgebung und vergnügen sich bei allerlei Aktionen, vom Gipsmaskenbasteln bis hin zur Übernachtung am Lagerfeuer. Neu erfinden müssen die rund 15 ehrenamtlichen Betreuer am Bossler eigentlich nichts mehr. Und doch ist die Freizeit jedes Jahr ein bisschen anders. In diesem Jahr ist zum Beispiel Idris mit von der Partie.

 

Die Flucht führte vom Sudan nach Lybien und übers Meer

Vor einem Jahr ist der 33-jährige Krankenpfleger aus dem afrikanischen Eritrea nach Deutschland geflohen. „Ich sollte Krankenpfleger sein und zugleich mit einer Kalaschnikow in der Hand die Gegend durchkämmen“, erzählt er. Vor den Repressalien flüchtete er, über den Sudan nach Lybien, von dort mit dem Boot über das Mittelmeer nach Italien und schließlich nach Deutschland. Die Kinder auf dem Bossler bekommen von dieser Odyssee nichts mit. Idris, dessen Deutschkenntnisse mit Hilfe der ehrenamtlichen Helfer aus Esslingen schon sehr passabel sind, lächelt viel und packt an, wo er kann, ob bei den Arbeiten für einen Niederseilparcours im Wald oder in der Küche.

Ab September hat Idris eine Ausbildungsstelle

Michael Pflüger von den Naturfreunden, der sich auch für die Flüchtlinge in Esslingen engagiert, kam auf die Idee, dass Idris im Naturferiendorf mithelfen könne. „Wir waren mit drei der Asylbewerber auch schon in einer Schulklasse und haben gemerkt, dass die Kinder ganz unbefangen auf die Menschen zugehen und umgekehrt Idris und seine Freunde Freude daran hatten“, erklärt er. „Es macht sehr viel Spaß mit den Kindern“, bestätigt der Eritreer. „Sie erklären mir auch immer alles, wenn ich sie frage wie dies oder jenes heißt“, so der Eritreer, der jetzt auch weiß, was „Niederseilgarten“ bedeutet. Seine Zukunft sieht er ganz klar in Deutschland. Schon jetzt hilft er zwei Mal die Woche in einem Pflegeheim mit. „Ab September habe ich eine Ausbildungsstelle als Altenpfleger“, berichtet er. Allerdings steht seine Anerkennung noch aus.

Aber einfach nur darauf warten, das will er nicht. „Ich mache gerne etwas. man kann auch viel lernen. Und hier am Bossler ist es sehr schön. Man hat ein tolle Aussicht nach Göppingen und der Wald ist auch wunderbar“, sagt Idris. Anpassungsschwierigkeiten hat der neugierige Mann nicht. Wenn man nach Deutschland komme, dann müsse man für die Kultur offen sein. Nur seine vier Brüder, die er zurücklassen musste, besonders die jüngeren, die vermisse er sehr.

Für die Kinder ist Idris nichts besonderes

Für die Kinder auf dem Bossler ist Idris gar nichts besonderes. „Das ist einer von den Betreuern“, erklärt einer der Buben lapidar. Zeit für eine Unterhaltung hat er ohnehin nicht. Mit einem Fuchsschwanz sägt er Äste zurecht, aus denen später ein Steg für den Kletterparcours gebaut wird. Überall rund ums Naturfreundehaus werkeln die Kinder in kleinen Gruppen. Am Samstag wird den Eltern dann stolz präsentiert, was in die Woche über entstanden ist. Und wie in jedem Sommer soll auch in diesem Jahr ein Projekt länger erhalten bleiben. „Wir haben schon ein Insektenhotel gebaut, einen Barfußpfad angelegt und mehr. In diesem Jahr wird die Garderobe im Bosslerhaus gestaltet“, erklärt Kathi Kirchner, eine der Organisatorinnen der Freizeit.

Überhaupt setzen die Naturfreunde auf Nachhaltigkeit. Mittlerweile sind es weniger die ursprünglichen Initiatoren des Naturferiendorfs, sondern zum Teil bereits deren Kinder, die bei der Freizeit als ehrenamtliche Betreuer fungieren. Und damit die Kinder auch unterm Jahr etwas vom Entdeckergeist der Ferienwoche auf dem Bossler weitertragen können, hat sich vor etwas mehr als einem Jahr bei den Naturfreunden die Gruppe der „Umweltdetektive“ gegründet. Regelmäßig treffen sich die Kinder dafür auf dem Berg und spüren den Geheimnissen der Natur nach.